Ballett:Fest der Vielfalt

Die Matinee zum 40-Jährigen der Heinz-Bosl-Stiftung

Von Sabine Leucht

Es ist wohl für alle ein bewegender Moment, als Ivan Liška alle Ehemaligen im Publikum bittet, sich zu erheben. Gemessen an den 40 Jahren, die die Heinz-Bosl-Stiftung schon existiert, sind es nicht so viele, die sich zur Jubiläumsmatinee im Nationaltheater eingefunden haben, und doch wird die Zeit greifbar durch den Vergleich der Schon-nicht-mehr-Tänzer mit der Unmenge von Ballett-Eleven auf der Bühne. Teils noch Kinder, haben sie gerade Prokofjews "Peter und der Wolf" getanzt, durch das in Kinsun Chans Choreografie viel Gras wogt und Schmetterlinge flattern, so dass jede Altersgruppe der Ballett-Akademie der Hochschule für Musik und Theater München etwas zu tun hat.

Ein fein abstrahiertes Bühnenbild und ebensolche Kostüme hat die Inszenierung zu bieten - und differenzierte Bewegungssprachen für die Solisten, die die Tollpatschigkeit der Ente oder die Flinkheit des Vogels unterstreichen, der schon mal Pirouetten auf Spitze dreht. Denn die klassische Technik ist die Basis der Ballettakademie wie der Bosl-Stiftung. Die hat die damalige Primaballerina und spätere Münchner Ballettdirektorin Konstanze Vernon 1978 zu Ehren ihres früh verstorbenen Tanzpartners Heinz Bosl gegründet, um die Startbedingungen vor allem des männlichen Tanznachwuchses zu verbessern.

Zunächst als Leistungszentrum konzipiert, unterstützt die Stiftung heute angehende Tänzer finanziell und erleichtert ihnen den Einstieg in den Beruf. Dafür wurde 2010 das Junior Ballett München (BJBM) als gemeinsames Projekt der Balletthochschule, des Bayerischen Staatsballetts und der Bosl-Stiftung gegründet - als ideale Brücke zwischen Ausbildung und Erstengagement. Seit 2013, dem Jahr, in dem Vernon starb, ist Liška Vorsitzender der Stiftung und künstlerischer Direktor des BJBM, das in Matineen und Gastspielen sein inzwischen um die 50 Stücke umfassendes Repertoire erweitert und pflegt, das von Klassik und Neoklassik bis zu zeitgenössischen Auftragswerken reicht.

Die Jubiläumsmatinee, die erstmals live vom Attacca-Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters begleitet wurde, spiegelt diese Vielfalt und feiert mit der Münchner Erstaufführung von Jiří Kyliáns "Un Ballo", das der 1991 für die Jugend-Company des Nederlans Dans Theater II geschrieben hat, den Gründer des ersten Juniorballetts überhaupt. Zu elegischen Klängen von Ravel üben sich sieben Paare in der Kunst des Pas de deux, die im "Ballet 102" von Eric Gauthier gekonnt auf den Arm genommen wird. Lotte James und Martin Nudo tanzen diese Satire auf den Dressurcharakter der Ballettausbildung, in der Gauthier ikonografische Pärchen-Posen aus der Tanzgeschichte durchnummeriert und in schwindelerregendem Tempo nachexerzieren lässt. Nach diesem Feuerwerk an Ironie muss man sich an Terence Kohlers zeitlupenhaft beginnendes "Inter-Mezzo" erst gewöhnen, das die klassische Form zitiert und manchmal kaum merklich bricht. Mal reicht ein Blick, mal scheint ein Windstoß zwischen die Tänzer zu fahren, mal gerät ein Winkel zu spitz, eine Fußspitze zu herrisch. Ein erfolgreicher Vormittag? Nicht nur für die drei, die sich am Ende den Heinz-Bosl-Preis 2018 teilen: Der sprunggewaltige Koyo Yamamoto von der Tanzakademie Zürich, das ehemalige Mitglied des Juniorballetts Justin Rimke und der sehr langbeinige Gabriel Figueredo aus der John-Cranko-Schule in Stuttgart. Chapeau!

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