Ballett:Bewegung, die bewegt

Anna vita

Ballett ist mehr als nur Tanz: Choreografin Anna Vita.

(Foto: Falk von Traubenberg)

Anna Vita choreografiert "Scheherazade" in Würzburg

Von Florian Welle, Würzburg

Große Veränderungen stehen am Ende der Spielzeit am Mainfranken Theater an: Intendant Hermann Schneider wird nach zwölf Jahren das Haus ebenso gen Linz verlassen wie der Schauspieldirektor Stephan Suschke. Nachfolger von Schneider wird Markus Trabusch werden. Für die kreative Kontinuität am Theater, dem bald eine mehrjährige Sanierung bevorsteht, wird dann vor allen Anna Vita stehen. In der letzten Spielzeit erzielten die Produktionen der umtriebigen, auch sozial engagierten Ballettdirektorin eine sagenhafte Auslastung von 100 Prozent. Vor allem "Schneewittchen - Breaking out", in dem die zwölfköpfige Kompanie erstmals mit Breakdancern zusammenarbeitete, begeisterte das Publikum - darunter viele junge Menschen, die sonst nur schwer den Weg ins Theater finden.

Anna Vita kam 2004/5 in die Mainmetropole. Ausgebildet wurde die gebürtige Rheinländerin an der Stuttgarter John-Cranko-Ballettschule, von 1986 an folgten unter Youri Vámos Engagements in Dortmund und an der Deutschen Oper am Rhein. Sie glänzte in der Rolle der Jungfrau in "Carmina Burana" sowie als Odette/Odile in "Schwanensee". Ein Traum von ihr, dessen Erfüllung noch aussteht: In absehbarer Zeit auch als Choreografin das Ballett der Ballette zu stemmen.

Youri Vámos dürfte zudem maßgeblichen Einfluss auf den Inszenierungsstil von Anna Vita gehabt haben. Denn ebenso wie der Ungar sieht sie sich als Vertreterin abendfüllender Handlungsballette. Als sie in Würzburg anfing, gab sie als künstlerisches Credo aus, Geschichten erzählen zu wollen. Das gilt immer noch: "Ich tue mich schwer mit ganz abstrakten Sachen, die abendfüllend sein sollen. Mir ist es wichtig, einen literarischen Stoff oder ein biografisches Schicksal auf die Bühne zu bringen." So schuf sie im Laufe ihrer Choreografen-Karriere Abende zu Jimi Hendrix ("Electric Ladyland"), zu Oscar Wilde ("Das Bildnis des Dorian Gray") oder ein "Dornröschen", das sie wenig märchenhaft als Missbrauchsopfer auf die Bühne brachte.

Auch das 1910 in Paris uraufgeführte Ballett "Scheherazade", das am Samstag Premiere haben wird, hat Anna Vita einer modernen Neuinterpretation unterzogen. Nur noch wenig wird an die Original-Arbeit von Michail Fokine erinnern. In dieser taucht Scheherazade, die dem Sultan Nacht für Nacht Geschichten erzählt, um ihrem beschlossenen Tod zu entkommen, gar nicht auf. Im Vordergrund des Einakters zu Rimski-Korsakows sinfonischer Dichtung Opus 35 steht allein das Verhältnis von Zobeide, der ersten Frau des Sultans, zu ihrem Lieblingssklaven.

Auch Anna Vita erzählt diese Geschichte im ersten Akt, dem allerdings ein zweiter, gänzlich neuer, folgen wird. Doch schon vorher geht sie neue Wege. So wird der berühmte Pas de deux zwischen Zobeide und ihrem Auserwählten unterlegt sein von den orientalischen Klängen des zeitgenössischen Komponisten Fazil Say. Im zweiten Akt, der in der Gegenwart spielt und in dem viel mit Videoprojektionen gearbeitet wird, erscheint dann Scheherazade leibhaftig. Auch Sindbad wird eine Rolle spielen, der auf seinen Seefahrten Flüchtlingen begegnet. So dockt Anna Vita an die aktuelle Flüchtlingskrise an. Tanz, so lautet ein anderes Motto von Vita, sei Bewegung, die bewegt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: