"Babylon Berlin" gegen "Compact":"Wir distanzieren uns ausdrücklich"

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Volker Bruch und Liv Lisa Fries in "Babylon Berlin". Im Herbst startet die vierte Staffel auf Sky. (Foto: Frederic Batier/dpa)

Das rechte Magazin "Compact" hat ein Heft über "Babylon Berlin" veröffentlicht. Die Macher der Serie wehren sich dagegen vor Gericht.

Von Peter Laudenbach

Seine Verehrer kann man sich nicht aussuchen, aber auf diese Fans ihrer Erfolgsserie " Babylon Berlin" hätten die Regisseure Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten sowie ihre Produktionsfirma X-Filme gut verzichten können. Das vom Verfassungsschutz als "gesichert extremistisch" eingestufte Magazin Compact widmet "Babylon Berlin" ein ganzes Sonderheft. Es ist eine befremdliche Umgebung.

Andere Ausgaben von " Compact Geschichte" zielen mit Titeln wie "Verbrechen an Deutschen - Vertreibung, Bombenterror, Massenvergewaltigungen" auf eine Leserschaft, die Deutschland vor allem für ein Opfer des Zweiten Weltkriegs hält. Die Zielgruppe der Zeitschrift reicht vom weiten Feld der Corona-Leugner ("Impf-Diktatur - Boostern bis zum Tod") bis zu Rechtsextremen und Rassisten ("Sexualstraftäter: Zuwanderer 20mal häufiger vertreten"). Wo sich das Magazin politisch verortet, macht der Chefredakteur unmissverständlich klar: "Alle zusammen in großer Einheit: Pegida, Identitäre Bewegung, AfD, Ein Prozent, Compact!" Der Verfassungsschutz attestiert der Zeitschrift, "antisemitische Verschwörungsmythen und islamfeindliche Motive" zu verbreiten. Auch Putin-Verehrer kommen auf ihre Kosten. Seinen "Reden aus der Kriegszeit im Original" ist eine Sonderedition gewidmet: "Putin verstehen". Jetzt will das schrille Magazin die Popularität von "Babylon Berlin" für sich nutzen und nebenbei die eigene krude Weltsicht verbreiten.

Man kann sich in etwa vorstellen, wie den Produzenten und Regisseuren beim Durchblättern des Sonderheftes die Kinnladen runtergefallen sind. Auf Anfrage der SZ reagiert die Produktionsfirma deutlich: "Wir distanzieren uns ausdrücklich von den Inhalten des Compact-Magazins."

Eine Nacktaufnahme von Liv Lisa Fries wurde wohl aus dem Trailer kopiert

Die Hauptfiguren der Serie, Kommissar Rath (Volker Bruch) und seine Assistentin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) blicken vom Cover des Sonderheftes, im Hintergrund marschieren SA-Trupps mit Hakenkreuzfahnen. Der Titel verspricht "historische Hintergründe der große Erfolgsserie". Es wirkt, als hätten die Serienmacher das Heft mit herausgegeben oder zumindest autorisiert. Dagegen erklärt eine Sprecherin der Produktionsfirma X-Filme, es habe keinerlei Gespräche oder andere Kontakte zwischen den "Babylon Berlin"-Machern und der Compact-Redaktion gegeben.

Gegen die Vereinnahmung von "Babylon Berlin" geht X-Filme jetzt juristisch vor. Das Heft bedient sich ausgiebig beim Bildmaterial der Serie. Mindestens ein Bild, eine Nacktaufnahme der Schauspielerin Liv Lisa Fries, stammt allerdings nicht aus dem Promo-Material, sondern wurde offenkundig aus einem Trailer des Pay-TV-Senders Sky kopiert. Oben rechts im Bild ist noch das Logo des Senders zu erkennen. Der Compact-Chefredakteur, der sich gerne als Widerstandskämpfer inszeniert, orakelt, dass hinter der Abmahnung wegen der Copyright-Verletzung "das Regime" stehe. Nach "Verleumdungen, Hetze und geheimdienstlicher Wühlarbeit" versuche es nun, "uns mit der finanziellen Brechstange zu knacken". Die Frist zur Unterzeichnung der Abmahnung hat das Magazin verstreichen lassen. Der nächste Schritt ist die Beantragung einer einstweiligen Verfügung, um den weiteren Vertrieb des Heftes zu unterbinden.

Bei X-Filme bestätigt man, dass die Firma gegen das Magazin juristisch vorgeht, gibt sich ansonsten aber sehr schmallippig: "Darüber hinaus können wir im Hinblick auf das laufende Verfahren keinerlei weitere Details kommentieren." Für die Produktionsfirma kommt der Ärger höchst ungelegen. Im Herbst startet die Ausstrahlung der vierten "Babylon Berlin"-Staffel bei Sky. Dass sich das Magazin aus dem Milieu der Corona-Leugner bei "Babylon Berlin" bedient, erinnert unangenehm an die Querdenker-Verirrungen des Schauspielers Volker Bruch, die das Compact-Heft genüsslich ausbreitet: Bruch wird zum Widerstandskämpfer gegen "die Propaganda-Medien" und "Mainstream-Zombies" stilisiert.

Die "Verlockung" und der "Neuaufbruch" der Zwanzigerjahre werden glorifiziert

Infam, aber nicht ungeschickt sind auch die anderen Schauspielerporträts, alle offenbar unter großzügiger Verwendung gegoogelter Quellen und von viel Pressematerial geschrieben. Mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten wird eine Nähe der Stars zum schrägen Weltbild der Compact-Redakteure angedeutet, etwa wenn aus einem Interview zitiert wird, in dem Martin Wuttke mal kurz über unerfreuliche "Tatort"-Dreharbeiten stöhnt. Klar - alles öffentlich-rechtliches Systemfernsehen! Oder wenn Lars Eidinger, der mit anderen Prominenten einen offenen Brief an den Bundeskanzler unterzeichnet hat, dafür gelobt wird, dass er sich "auch in der Ukraine-Frage konträr zur Mehrheitsmeinung" positioniere . Auf der nächsten Seite informiert eine Anzeige über ein anderes Compact-Produkt zum "Feindbild Russland": "Wie die Nato den Krieg entfesselt hat".

In ihren Artikeln verbinden die fehlgeleiteten Historiker Zwanzigerjahre-Folklore ("Der süße Geruch von Moder und Blut") mit gewagten Geschichtsdeutungen und orakeln von der "Verlockung der 1920er Jahre, die im Vergleich zu den 2020ern immerhin etwas Hoffnung und einen Neuaufbruch versprachen". Ob damit die Hakenkreuzfahnen auf dem Cover gemeint sind, bleibt offen. Nicht nur für ihren Hang zum Geschichtsrevisionismus, auch für das eigene Ressentiment nimmt die Compact-Redaktion die "Babylon Berlin"-Macher ungefragt in Anspruch: "Die Zeit des verkünstelten Autorenkinos", etwa Jean-Luc Godards oder Pier Paolo Pasolinis, sei "vorbei". Im Gegensatz dazu liefere Tykwer "anspruchsvolle, spannende Unterhaltung". Es gibt schönere Komplimente für Filmemacher.

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