Axel Springer relauncht bild.de:Youtube auf "Bild"-Niveau

Nach der geplatzten Übernahme von Pro Sieben Sat 1 plant Axel Springer jetzt den Großeinstieg ins Web-Fernsehen: Auf bild.de soll klatschlastiges Mitmachfernsehen entstehen.

Simon Feldmer

Als Mathias Döpfner noch um die Übernahme des TV-Konzerns Pro Sieben Sat 1 kämpfte, war er zu einigen Opfern bereit. Sogar auf ein TV-Format der hauseigenen "Bild"-Zeitung hätte der Vorstandschef des Zeitungshauses Axel Springer verzichtet, um zum mächtigen Fernsehveranstalter aufzusteigen. Bild TV auf Pro Sieben oder Sat 1 sollte es nicht geben.

Döpfner wollte so die Sorge vor zu großer Meinungsmacht des Springer-Verlages zerstreuen. Es nutzte nichts. Das Pro Sieben-Geschäft scheiterte Anfang des Jahres 2006 am Widerstand des Bundeskartellamts. Bild TV gibt es jetzt trotzdem - im Internet.

Im Online-Ableger von Deutschlands größter Boulevardzeitung nimmt das Zeitalter der bewegten Bilder rasant an Fahrt auf. Bei bild.de erfährt man mittlerweile alles in Wort und Video, was man schon immer nicht über Paris Hilton und Dieter Bohlen wissen wollte. GZSZ-Darsteller Jörn Schlönvoigt singt die Songzeile "Das Gegenteil von Liebe" in die Kamera, das "Bild"-Montags-Mädchen zieht sich für ihr erstes Oben-Ohne-Fotoshooting aus.

Eine tägliche News-Sendung fasst die neusten Tratsch- und Terrormeldungen zusammen. Bild.de erklärt die Welt in einfachen bunten Filmchen. Dabei ist das derzeitige Boulevardprogramm erst der Vorgeschmack auf das, was kommen soll.

Videos vom Leserreporter

Im Herbst will Bild.T-Online-Chef Philipp Welte zum großen Wurf ausholen: Ein um alle Varianten des Web 2.0 runderneuertes Online-Portal soll an den Start gehen. Web-TV sei einer der Motoren des Wachstums im Netz, sagt bild-de-Chef Welte. Auch eifrige Leserreporter dürfen ihre selbst gedrehten Videos hochladen.

Eine klatsch- und spaßlastige Variante des Mitmachfernsehens soll entstehen, sozusagen ein Youtube auf "Bild"-Niveau. Aktivposten Welte, früher beim Konkurrenten Burda für die People-Zeitschrift Bunte und den Medienpreis Bambi zuständig, plant Großes.

Mit seinem Ehrgeiz ist Welte bei Springer derzeit nicht allein. Die Zeitungs- und Zeitschriftentöchter des Verlages senden mit wachsender Freude im Netz. Web-Fernsehen, Internetfernsehen (IP-TV), digitales Fernsehen - um die neuen Möglichkeiten der TV-Welt kümmert sich seit Jahresanfang die Verlagstochter Axel Springer Digital TV (ASDTV). Mit Klaus Ebert wurde ein früherer RTL-Manager verpflichtet.

Verlagschef Döpfner bezeichnete Internetfernsehen zum Start der Fernsehtochter als "interessante Alternative" zur Pro Sieben Sat 1-Übernahme. Dementsprechend legen sich Springers neue Fernsehmacher ins Zeug. Die Erwartungen wollen erfüllt werden. "Axel Springer kann sich sehr früh auf ein verändertes Mediennutzungs-Verhalten einstellen und darüber zusätzliche Reichweiten für seine Marken generieren", referiert TV-Manager Ebert, 54, den jungen wilden Fernsehgeist des Zeitungshauses.

30 Mitarbeiter sind derzeit für ASDTV tätig. Die Beschäftigtenzahl soll "stark wachsen", verspricht Springers TV-Chef. Zunächst müsse jedoch in den Haushalten die für den Empfang von Web- und IP-TV notwendige Breitband-Infrastruktur stehen. An vierzehn Standorten in Deutschland sei bereits ein Netzwerk aus Kamerateams, Produzenten und Redakteuren installiert worden, berichtet Ebert.

Die digitale "Bild" soll schnell vor Ort sein, wenn es pressiert. Zumindest Dieter Bohlen wird das gerne hören. Die multimediale Moderne hat bei Springer auch die Schulung des Journalistennachwuchses erfasst. Auf der Axel-Springer-Akademie werden die angehenden Reporter für Print, Online und TV getrimmt. "Crossmediale Ausbildung" nennt das der Verlag.

Vom Online-Elan erfasst wurden auch die Springer-Blätter "Sport Bild" und "Auto Bild". Im Internet-Portal sportbild.tv ist seit kurzem ein verfilmtes Sammelsurium aus Kneipenfußballstimmung und Bundesliga-Boulevard zu sehen. Mit autobild.tv ist vorige Woche zur Internationalen Automobil-Ausstellung der nächste Ableger gestartet. Weitere Springer-Blätter sollen folgen. Darüber hinaus prüft Ebert "mit Bedacht" verlagseigene digitale Spartensender.

Das könnte bald auch für Bild.T-Online-Vorstand Welte relevant werden. Der frühere Burda-Manager soll sich auf Geheiß von Springer-Chef Döpfner um die Expansion der "Marke 'Bild'" in die digitalen Märkte kümmern. "In Zukunft werden wir journalistische Inhalte auf allen digitalen Distributionskanälen anbieten", trommelt Welte schon mal. Bild TV auf allen Kanälen? In der Tat eine interessante Alternative - aus Springer Sicht.

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