Autorin von "Die Unfähigkeit zu trauern":Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich ist tot

Sie galt als eine der bekanntesten Psychoanalytikerinnen Deutschlands. Kurz vor ihrem 95. Geburtstag ist die Autorin und Medizinerin Margarete Mitscherlich gestorben. Unter anderem veröffentlichte sie gemeinsam mit ihrem Mann das Werk "Die Unfähigkeit zu trauern", das zu einem Schlüsseltext zur NS-Vergangenheit zählt.

Die Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich ist tot. Sie starb am Dienstagvormittag im Alter von 94 Jahren, teilte das Frankfurter Sigmund-Freud-Institut mit und bestätigte damit einen Bericht von Deutschlandradio Kultur. Sie sei "ganz friedlich im Kreis der Familie eingeschlafen", sagte ihr Sohn Matthias Mitscherlich am Dienstagabend der Nachrichtenagentur dapd.

Margarete Mitscherlich ist tot

Für ihre "Verdienste um das Allgemeinwohl" wurde Margarete Mitscherlich 2001 mit dem Großen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

(Foto: dpa)

Mitscherlich zählt zu den bekanntesten Psychoanalytikern in Deutschland und war viele Jahre in Frankfurt am Main tätig. Gemeinsam mit ihrem 1982 verstorbenen Mann Alexander Mitscherlich analysierte sie in "Die Unfähigkeit zu trauern" (1967) die Nachkriegsgesellschaft. Der Essayband über kollektive Verdrängungsmechanismen gilt als ein Schlüsseltext zur NS-Vergangenheit. Darin wurden die unzulängliche Aufarbeitung des Dritten Reichs und die Abwehr jeder Mitschuld in der deutschen Nachkriegsgesellschaft thematisiert. Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Als Tochter eines dänischen Arztes und einer deutschen Lehrerin kam Margarete Nielsen 1917 in Dänemark zur Welt. Ihr Abitur machte sie während der Nazi-Diktatur in Flensburg. Nach dem Medizin-Studium in München und Heidelberg arbeitete sie vorübergehend in der Schweiz, wo sie Alexander Mitscherlich kennenlernte. 1949 kam der gemeinsame Sohn Matthias auf die Welt.

Margarete Mitscherlich wandte sich später der Frauenbewegung zu. Sie verfasste 1985 ihr wohl wichtigstes eigenes Buch "Die friedfertige Frau". Mit ihrem Leben sei sie rückblickend "ganz zufrieden", sagte sie zu ihrem 90. Geburtstag.

Margarete Mitscherlich gehörte der Deutschen und der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung an und war Mitglied des P.E.N.-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland sowie zeitweise des Beirates des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Für ihre "Verdienste um das Allgemeinwohl" wurde sie 2001 mit dem Großen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Bis zuletzt hielt sie noch gelegentlich psychoanalytische Sitzungen ab.

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