Autoren für Computerspiele:Die wollen doch nur spielen

Autoren für Computerspiele: Bild aus dem Videospiel "GTA V".

Bild aus dem Videospiel "GTA V".

(Foto: Rockstar Games)

Talentierte Menschen gehen dorthin, wo sie viel Geld verdienen können. So wandern immer mehr Drehbuchautoren aus dem Filmgeschäft in die Computerspielbranche ab, in der noch unerschöpftes kreatives Potenzial schlummert.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Eine Regel der Filmbranche besagt, dass es für einen guten Film drei Zutaten braucht: ein gutes Drehbuch, ein gutes Drehbuch - und ein gutes Drehbuch. So gesehen gab es im Sommer in Hollywood ganz offensichtlich kaum gute Drehbücher, zahlreiche Filme mit dreistelligem Millionenbudget wie etwa "Lone Ranger" und "After Earth" floppten bei den Kritikern und auch an der Kinokasse.

Zahlreiche Autoren schreiben mittlerweile für Fernsehserien, andere haben sich einem Bereich zugewandt, der auch im abgelaufenen Jahr wieder zahlreiche Produkte herausbrachte und aufgrund des wirtschaftlichen Erfolges für Einträge im Guinness Buch der Rekorde sorgte: der Computerspielbranche.

Ein immenses Budget

"Grand Theft Auto V" etwa, die Videospiel gewordene Hommage an Los Angeles, setzte innerhalb von 24 Stunden 815,7 Millionen Dollar um, das hat zuvor noch kein Film geschafft. Die Eine-Milliarde-Marke war nach drei Tagen geknackt, auch das ist noch keinem Entertainment-Produkt derart schnell gelungen. Nur wenige Wochen später verkündete der Publisher Activision ganz nonchalant, von seinem First-Person-Shooter "Call of Duty: Ghosts" Kopien im Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar an den Einzelhandel verschickt zu haben.

Es gibt in Hollywood noch eine Regel: Talentierte Menschen gehen dorthin, wo sie viel Geld verdienen können. Das führt dazu, dass zahlreiche Schreiber die Computerspielbranche für sich entdeckt haben. Etablierte festangestellte Autoren erhalten etwa 120.000 Dollar pro Jahr. Wer sein eigenes Projekt erfolgreich verwirklicht oder Chef-Schreiber bei einem Blockbuster ist, kann noch deutlich mehr verdienen.

Der wirtschaftliche Erfolg sorgt dafür, dass Projekte bisweilen mit einem immensen Budget ausgestattet werden - nicht nur dafür, grafische Elemente weiterzuentwickeln und das Abfeuern von Waffen immer realistischer wirken zu lassen, sondern ganz banal für eine mitreißende Handlung. "GTA V" etwa kostete inklusive einer gigantischen Marketingkampagne 265 Millionen Dollar, das Spiel wurde nach dem Erscheinen zu Recht als Kunstwerk gefeiert.

Das Videospiel - eine eigene Welt

Autoren wie Sam Houser ("Grand Theft Auto"), Sami Jarvi ("Max Payne") und David Cage ("Heavy Rain") werden nicht nur ob ihrer Kreativität bewundert, sie verdienen auch viel Geld damit. Das Schreiben von Drehbüchern für Videospiele hat sich zu einem überaus lukrativen Beruf entwickelt.

Selbst etablierte Hollywood-Drehbuchschreiber interessieren sich mittlerweile für Computerspiele. Joel Coen etwa, gemeinsam mit seinem Bruder Ethan verantwortlich für Filme wie "Inside Llewyn Davis" (derzeit in den Kinos), "The Big Lebowski" oder "No Country for Old Men" , hat bereits an zwei Videospielen ("Freaky Flyers" und "Skylanders: Spyro's Adventures") mitgewirkt.

Interaktive Kinofilme

Die Autoren erkennen auch den künstlerischen Wert ihrer Arbeit. Es geht bei vielen Computerspielen längst nicht mehr darum, eine Figur durch einen Parcours zu manövrieren oder knifflige Rätsel lösen zu lassen. Die Geschichten sind teilweise äußerst komplex, die Protagonisten sorgen für Mitgefühl bei den Spielern. "Heavy Rain" etwa wurde vor drei Jahren als erstes Videospiel gefeiert, dessen Handlung durchaus als interaktiver Kinofilm zu betrachten sei und deshalb einen Blick auf die Zukunft der Unterhaltung biete. Das Spiel war auch kommerziell überaus erfolgreich: "Heavy Rain" hatte 38 Millionen Dollar gekostet und nahm mehr als 100 Millionen Dollar ein.

Es hat sich eine gewaltige Industrie entwickelt, die allein mit Spielen laut einer Studie des Marktforschers DFC Intelligence in diesem Jahr weltweit etwa 66 Milliarden Dollar umsetzen dürfte. Bis zum Jahr 2017 soll der Umsatz auf 78 Milliarden wachsen, was zum einen daran liegt, dass Spiele für Smartphones und Tablets immer beliebter werden. Zum anderen haben Microsoft (Xbox One) und Sony (PlayStation 4) gerade neue Konsolengenerationen auf den Markt gebracht, für die nun Produkte entwickelt werden - im kommenden Jahr etwa "Metal Gear Solid V: Ground Zeroes", "Destiny" oder "Thief".

Ein gutes Drehbuch, ein gutes Drehbuch, ein gutes Drehbuch!

Zur Fantasy-Serie "Game of Thrones" wird es 2014 keinen Kinofilm mit neuen Handlungssträngen geben, sondern ein Computerspiel (die SZ berichtete). Dafür braucht es laut Entwickler Telltale: ein gutes Drehbuch, ein gutes Drehbuch - und ein gutes Drehbuch. Die Telltale-Chefs Dan Connors und Kevin Bruner suchen derzeit nach geeigneten Autoren.

"Wir verstehen gerade erst die Reichhaltigkeit dieser Welt", sagt Connors. Und: "Wir suchen derzeit nach einer Geschichte, die wir im Spiel erzählen können - und nach Charakteren, für die es um möglichst viel geht." Um dieses Projekt zu verwirklichen, brauche Telltale begabte Schreiber, die mit dem Game-of-Thrones-Universum vertraut sind und dieses Universum in ein Videospiel einbetten können.

Es gibt allerdings nicht nur erfreuliche Nachrichten für Videospiel-Autoren. Jennifer Hepler beispielsweise wurde bedroht, nachdem sie am Spiel "Dragon Age II" Änderungen vorgenommen hatte, die bei den Spielern nicht besonders gut ankamen. Die beschimpften Hepler und begründeten ihren Furor mit einem sechs Jahre alten Interview, in dem Hepler gesagt hatte, Kampfszenen in Videospielen nicht besonders zu mögen.

"Ich habe einige Einträge in Foren gesehen", sagt sie, "die enthielten Grafiken, wie meine Kinder auf dem Weg von der Schule nach Hause getötet werden." Sie kündigte im August ihre Anstellung beim kanadischen Entwickler BioWare und arbeitet derzeit an einem Buch.

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