Autobiografie von Johnny Ramone:Er konnte hassen wie kein Zweiter

Punk und Mainstream-Pop, Lederjacke und Republikaner-Sprech: Rocklegende Johnny Ramone brachte viele Gegensätze zusammen. In einer posthum erschienenen Autobiografie erzählt er schonungslos aus seinem Leben. Darin zeichnet er das Bild von jemandem, der alles und jeden verachtete - außer Elvis.

Max Fellmann

"Die Leute dachten, ich wäre unfreundlich, aber das stimmte nicht. Ich mochte nur die Leute nicht, mit denen ich zu tun hatte." Auf diese Logik muss man sich einlassen, wenn man es 170 Seiten lang mit Johnny Ramone aushalten will. Der Mann war, muss man sagen, ein ziemlich mieser Vogel.

Undated photograph of guitarist Johnny Ramone of seminal punk band the Ramones

1974 gründete Johnny Ramone die Band The Ramones in New York. Manchmal sprach er monatelang nicht mit seinen Bandkollegen.

(Foto: REUTERS)

Die Fans seiner Band The Ramones ahnen es, er hat es oft bewiesen - aber wenn Ramone, geboren 1948 als John Cummings, gestorben 2004, das Beste/Übelste aus seinem Leben noch einmal selbst erzählt, dann zerstreuen sich auch die letzten Zweifel: Er gründete die Ramones 1974 in New York, er trieb sie unermüdlich an - und berichtet noch Jahre später ungerührt, wie sein psychisch kranker Sänger Joey Ramone neben ihm fast zugrunde ging. Er erzählt, wie er die unschlagbare Mischung aus kurzen, schnellen Punkrocksongs und Lederjackenuniform erfand, die ganze Generationen späterer Punkrocker inspirierte - und gibt wieder die erzkonservativen Republikaner-Sprüche zum Besten, mit denen er schon früher seine Fans vergrätzte.

Johnny Ramone schaffte es vor mehr als dreißig Jahren, die Ramones zu einem Bindeglied zwischen Punk und Welterfolgspop zu machen. Bei ihren Konzerten trafen sich Superstars von Elton John bis Keith Richards hinter der Bühne, um Hallo zu sagen; aber hier beschreibt Ramone, wie er sich weigerte, Pete Townshend im Studio zu empfangen - weil der ein paar Minuten zu spät dran war. Immerhin, Townshend hatte noch Glück: Als Joey Ramone zu einem gemeinsamen Kinobesuch zu spät kam, verdrosch ihn Johnny einfach. Und Malcolm McLaren, den Manager der Sex Pistols, verprügelte er auch, wie er hier in aller Ruhe ausführt - weil der zu lang mit Ramones Freundin geredet hatte.

Der Kerl war brutal, er war unsympathisch, er konnte hassen wie kein Zweiter. Sogar im Rückblick, auf den Seiten dieser Biografie, beschimpft er fast jeden, dem er im Lauf seiner Karriere begegnet ist. Er gibt freimütig zu, dass er mit seinen Mitmusikern zum Teil monatelang nicht redete. Und er zählt schlecht gelaunt die Regeln auf, die er für sie aufgestellt hat (unter anderem: kein Essen im Tourbus, es könnte stinken).

Am Ende war Musik nur ein "Job"

Vielleicht ist es kein Zufall, dass das Buch "Commando" heißt. Zwar versucht der deutsche Verlag, den Titel mit der Unterzeile "Johnny Ramone - der Kommandant des Punkrock" zu erklären, aber "going commando" heißt auf Englisch eben auch: ohne Unterwäsche rumlaufen. Und Ramone steht ziemlich nackt da. Die Autobiografie, in Wirklichkeit ein ausufernder Monolog, aufgezeichnet von einem Freund, versucht nie, ein mildes Bild zu zeichnen. Auch am Ende seines Lebens, kurz bevor er mit nur 55 Jahren an Krebs starb, war Ramone absolut sicher, alles richtig gemacht zu haben.

Gitarre statt Lunchbox

Und der Mann, der als Miterfinder des Punkrock gilt, zeigt sich hier auch als schrecklicher Spießer. Er hat zwar nichts gegen Pathos ("Wir wollten den Rock'n'Roll retten"), aber am Ende war für ihn die Musik vor allem ein "Job", der "gemacht" werden musste: "Statt einer Lunchbox trug ich nun eine Gitarre mit mir herum." Johnny Ramone, der als gewaltfreudiger Jugendlicher aufwuchs, der immer der Härteste sein und es allen zeigen wollte, offenbart, dass er vor allem an einer sicheren Rente interessiert war: "Anfang der Neunziger hatte ich mein finanzielles Ziel, eine Million Dollar, erreicht."

Die Geschichte des Punk muss wegen dieses Buchs nicht umgeschrieben werden. Dass die Bewegung nicht nur heroische Gegenhaltung zum bürgerlichen Allerlei war, sondern, ganz im Gegenteil, auch Geschäft, war ja immer klar. Aber das Buch fügt dem Bekannten noch viele schöne Details hinzu. Und es kann das Wunder der Ramones, dieser lauten, wilden, herrlich stumpfen Band, sogar ein bisschen erklären: Ihre Musik klang nach Rebellion und Saalschlacht - aber das hatte weniger mit Leidenschaft und Aufbegehren zu tun, sondern vor allem damit, dass ihr Chef einfach alles und jeden in seinem Leben verachtete. Außer Elvis.

Unprätentiös wie ein Ramones-Song

Das Gute an dieser Autobiografie wäre eigentlich, dass sie unprätentiös, geradeaus erzählt, fast wie ein Ramones-Song. Das Schlechte ist die Übersetzung, die viel davon zunichte macht. Der lockere Erzählton des Originals verkommt zu einem steifen Buch-Deutsch, das kein Mensch sprechen würde. Und zwischen vielen Unbeholfenheiten tauchen auch Sachfehler auf, die einem Übersetzer mit etwas Musikkenntnis sicher nicht passiert wären. Der wüsste, dass es keine "Stimmmaschinen" gibt (höchstens Stimmgeräte), und er käme auch darauf, dass der Song "Indian Giver" nicht für eine Firma namens "Fruitgum Company von 1910" produziert wurde, sondern für die Band 1910 Fruitgum Company.

Zur Versöhnung gibt's ein paar sehr hübsche Dreingaben am Ende des Buchs: Faksimilierte Seiten aus Johnny Ramones Notizbüchern, dazu Listen mit Lieblingssängern und -filmen, die er im Lauf der Jahre angefertigt hat. Und eigens für dieses Buch hatte Johnny Ramone auch noch mal jede einzelne Platte seiner Karriere durchgehört, erläutert und beurteilt. Zum strengen Regiment des Punkrock-Diktators passt, wie er dabei vorging: Er vergab Schulnoten.

Johnny Ramone: Commando - die Autobiographie. Herausgegeben von John Cafiero. Aus dem Englischen von Gunter Blank und Simone Salitter. Verlag Tropen/Klett-Cotta, Stuttgart 2012. 175 Seiten, 19,95 Euro.

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