Austellung:Lebenswelten

Kathleen Seltzer

Irritierendes Blütenwunder: Die Fotografie von Kathleen Seltzer von 1976, zu sehen in der Ausstellung "Re-visions" in München.

(Foto: Kathleen Seltzer)

Fotografien von Ann Wilde in der Pinakothek der Moderne

Von Evelyn Vogel

Der Blickwinkel ist speziell, die Sujets sind glamourös, die Arrangements wirken gebrochen. In den Arbeiten der Fotografin Kathleen Seltzer verschieben sich die Ebenen der Wahrnehmung. Im ersten Moment meint man Aufnahmen aus der Welt der Modefotografie vor sich zu haben. Doch schnell wird klar, dass es hier um etwas anderes geht. Nicht nur, dass die Köpfe der Modelle auf den Bildern stark an-, oft auch komplett abgeschnitten sind. Auch inszeniert Seltzer die Trägerinnen in ihren edlen oder auffälligen Gewändern in äußerst konkurrierendem Ambiente. Bildausschnitte wie Arrangements verschieben den Fokus der ästhetischen Schwarz-Weiß-Tableaus. Der Blick der 1945 in New Jersey geborenen, in New York lebenden Fotografin gilt einer konstruierten Bildwelt, die mit den Erwartungshaltungen der Betrachter spielt.

"Re-visions" heißt die Studioausstellung, die die Pinakothek der Moderne der Sammlerin und Stifterin Ann Wilde zum 80. Geburtstag ausgerichtet hat. Eine Ausstellung, die im Kleinen Rück-Schau auf ein Lebenswerk hält, das den Sammlerfokus nicht nur, aber immer wieder auch auf die Arbeit von Fotografinnen legte.

Seit Ann und Jürgen Wilde ihre in mehr als 40 Jahren - jahrelang auch in einer eigenen Galerie - zusammengetragenen Schätze zeitgenössischer Fotografie in eine Stiftung eingebracht haben, die 2010 den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen angegliedert wurde, werden aus diesem umfangreichen Bestand heraus immer wieder Ausstellungen in der Pinakothek der Moderne präsentiert. Allein aus den Künstlerarchiven von Karl Blossfeldt und Albert Renger-Patzsch wurden und werden immer wieder Werkschauen gestaltet. Auch den Werken von Florence Henri, Germaine Krull und Heidi Specker aus dem Bestand der Stiftung waren schon Sonderausstellungen gewidmet. Doch nun hat Ann Wilde anlässlich ihres Geburtstags erstmals ihre private Sammlung geöffnet und stellt dabei Arbeiten von Fotografinnen, die sie schwerpunktmäßig seit Jahren sammelt, in den Mittelpunkt.

Den Auftakt machen Aenne Biermann, Florence Henri und Germaine Krull mit Werken aus den Dreißigerjahren, die teils noch immer überraschend experimentell wirken. Es folgen Stillleben, Interieurs und Porträts von Jan Groover, Marcia Resnick, Kathleen Seltzer, Gwenn Thomas und Deborah Turbeville aus den Siebzigerjahren, die oft wie ein Abtasten der Lebenswirklichkeit wirken. Die Neunzigerjahre sind vertreten mit irritierenden Frauenporträts wie dem jungen Mädchen von Rineke Dijkstra und der zehnteiligen, stelenartig angeordneten Serie von Vibeke Tandberg.

Starke Frauen setzt im neuen Jahrtausend Marie-Jo Lafontaine kühl in Szene, während Barbara Probst technisch raffiniert den Standpunkt ihrer Protagonistinen hinterfragt und Judith Joy Ross die porträtierten Frauen in einen gesellschaftlichen Kontext setzt. Bemerkenswert ist der dokumentarische Blick von Johanna Diehl, Alexandra Ranner und Martina Sauter. Der Kreis schließt sich mit experimentellen Arbeiten von Eva-Maria Schön und Kathrin Sonntag, während Heidi Specker mit ihrer zeitgenössischen Blossfeldt-Hommage den Bogen zum Kern der Wilde-Sammlung schlägt.

Von vielen der genannten Fotografinnen ist nur eine Arbeit zu sehen. Aber die so wunderbar kuratierte Ausstellung - Ergänzt wird die Schau durch Korrespondenzen der Sammlerin - schafft es auch in dieser kleinen Auswahl eine schlüssige Setzung vorzunehmen.

Re-visions. Ann Wilde zum Achtzigsten Geburtstag, Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, bis 17. Nov., Di-So 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: