Aust und die Pressefreiheit:Die Freiheit, die ich meine

Niemand soll mehr sagen können, Stefan Aust vertrete die Meinung, der Staat habe die RAF-Gefangenen aus Stammheim ermordet: Der Ex-Spiegel-Chef geht gegen SWR und andere vor.

Christopher Keil

Als Chefredakteur des Spiegel war Stefan Aust ein Kämpfer für die Pressefreiheit. "Sturmgeschütz der Demokratie" wurde das Nachrichtenmagazin nach der Spiegel-Affäre 1962 genannt. Herausgeber Rudolf Augstein wurde für 103 Tage inhaftiert, der Vorwurf lautete auf Landesverrat. Der Spiegel hatte sich in einer Titelgeschichte mit der Bundeswehr beschäftigt ("Bedingt abwehrbereit") und ihr Unfähigkeit attestiert im Falle eines sowjetischen Angriffs.

Aust und die Pressefreiheit: Der ehemalige "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust lässt Unterlassungsforderungen verschicken.

Der ehemalige "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust lässt Unterlassungsforderungen verschicken.

(Foto: Foto: dpa)

Im November 2007 wurde Aust als Chefredakteur des Spiegel entlassen, der Journalist war wegen seiner Beteiligung am Kinofilm "Der Baader-Meinhof-Komplex" gut beschäftigt. Nun hat er die Juristen beschäftigt - zuerst seinen Anwalt Matthias Prinz aus Hamburg. Prinz, 52, hat beim Hamburger Landgericht eine Einstweilige Verfügung gegen den Stuttgarter Generalstaatsanwalt Klaus Pflieger erwirkt.

Pflieger darf nicht mehr verbreiten, dass Stefan Aust - Autor des Buches "Der Baader-Meinhof-Komplex" - früher die Vermutung geäußert habe, die in Stammheim gefangenen RAF-Mitglieder seien von staatlicher Seite ermordet worden. Pflieger hatte sich so in einem Interview der Stuttgarter Zeitung geäußert und auch im Südwest Rundfunk (SWR).

Verbreiterhaftung

Zugeschaltet in die SWR-Sendung zum Thema RAF war auch Aust, der Pflieger sofort widersprach. "Die Äußerung Pfliegers ist eindeutig unwahr. Das kann jeder in dem Buch von Stefan Aust überprüfen", sagte Prinz am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Pflieger, einst RAF-Ermittler, sagte: "Ich werde mich natürlich dagegen wehren."

Doch Prinz war auch gegen die Stuttgarter Zeitung und gegen den SWR aktiv. Beiden Medienhäusern schickte er im Auftrage Austs eine Aufforderung zur Unterlassung. Zeitung und ARD-Anstalt sollen Interview beziehungsweise TV-Aufzeichnung nicht mehr ihren Internetarchiven zur Verfügung stellen.

An dieser Stelle geht es um die sogenannte Verbreiterhaftung. Es ist nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet Aust journalistischen Betrieben Schranken setzen möchte. Als er im Januar 2007 auf der Sechzig-Jahre-Feier des Spiegel noch als Chefredakteur in der Hamburger Speicherstadt auftrat, erinnerte er wortreich an Augsteins Mut und Kraft, die Pressefreiheit zu verteidigen.

Fälle von Verbreiterhaftung häufen sich. Helmut Markwort, Focus-Chefredakteur, setzte sich gegen die Saarbrücker Zeitung durch, die ein Gespräch mit Roger Willemsen druckte, in dem dieser sich über Markwort äußerte. Im Juni ging Mathias Döpfner, der Springer Vorstandsvorsitzende, gegen die FAZ vor. Die Zeitung nahm aus ihrem Online-Angebot eine Passage aus einem Interview mit dem früheren Springer-Boss Jürgen Richter zurück, in dem es um Springers Pin-Investition ging.

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