Lucas-Cranach-Jahr:Der Reformator

Lucas Cranach Lutherbildnis Coburg

Zum Luther-Jahr 2017 gibt es jetzt "Bachs Luther-Kantaten" in einer 4-CD-Box.

(Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg)

Mit Bildpropaganda, Plakatstil und Porträts seines Freundes Luther prägte der Maler Lucas Cranach das visuelle Denken in Deutschland. Außerdem erfand er die femme fatale. Mit interaktiver Übersicht.

Von Kia Vahland

Lucas Cranach, ist das nicht der plakative Schnellmaler? Ein Bilderfabrikant, der Kompositionen von Gemälden nur leicht abgeändert immer wieder verkaufte und seine Drucke in hohen Auflagen unter das Volk brachte. Der Kunsthistoriker Erwin Panofsky rügte im 20. Jahrhundert seinen Kollegen Jakob Rosenberg: "Wie kann man sich nur so lange mit Cranach beschäftigen!" Was also sollen wir diesem Maler aus der Reformationszeit schon verdanken?

Mehr als uns lieb sein mag. Vielleicht wären wir ohne ihn nie die visuell denkende Gesellschaft geworden, die wir sind - oder wir hätten zwar genauso viele Bilder wie heute in allen Medien, aber noch mehr Angst vor ihnen, als dies sowieso schon der Fall ist. Es ist wohl Martin Luthers langjähriger Freundschaft mit Cranach zu verdanken, dass der Reformator am Ende nur eine vergleichsweise moderate Haltung einnahm im Streit um die Existenzberichtigung religiöser Bilder. Und uns diese so auch in den protestantischen Teilen des Landes erhalten blieben.

Im Jahr 1522 prangerte der Reformator Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, Kunstwerke als Gotteslästerung an und verkündete, man solle das Geld doch lieber den Bettlern als den Malern geben. Die Zukunft der deutschen Kunst stand auf dem Spiel. Sogar Albrecht Dürer befürchtete den Untergang der Malerei und notierte sicherheitshalber für spätere Generationen seine Techniken. Luther waren Bilder eigentlich eher unwichtig. "Man mag sie haben oder nyt haben", sagte er einmal. Jetzt aber verließ er die Wartburg, um gegen den Bildersturm der anderen Protestanten zu predigen.

Ganz uneigennützig war das wohl nicht. Ohne die Macht der Bilder - genauer: ohne Cranachs Gemälde und Drucke - wäre Luther nie so schnell populär geworden und hätte seine revolutionären Vorstellungen kaum durchsetzen können. Denn sein Freund und Trauzeuge Cranach modellierte das Image des Reformators. Besonders in der Druckgrafik, auch aber in gemalten Porträts zeigte er den jungen Mönch erst als entschlossenen Kämpfer mit harten Zügen, dann als beseelten Überzeugungstäter mit Hand auf dem Herz. Und als guten Ehemann, in Paarbildnissen mit seiner Frau Katharina von Bora.

Lucas Cranach Luther als Augustinermönch

Lucas Cranach, "Posthumes Bildnis Luthers als Augustinermönch", nach 1546, in Nürnberg.

(Foto: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg)

Schließlich fand der Künstler das ikonische, bis heute wirksame Bildnis Luthers: Ein gesetzter, schwarz gekleideter Herr wendet sich dem Betrachter zu, richtet den Blick aber scheinbar nach innen. Etwas entrückt erscheint dieser Mann. Kein Heißsporn mehr, sondern ein Denker. Nicht nur auf Umsturz ist er aus. Sondern er will etwas errichten, das bleibt.

Cranach nobilitierte seinen Freund und Förderer nicht nur. Er erledigte auch die propagandistische Drecksarbeit für ihn. So erschien etwa im Jahr 1521 das polemische Bilderbuch "Passional Christi und Antichristi". Der Illustrator der Holzschnitte zeigt, wie Jesus den Jüngern die Füße wäscht - und der Papst sich die seinen küssen lässt. Wie Jesus Dornenkrone trägt, der Papst aber Tiara, die päpstliche Krone. Und wie Christus gen Himmel fahren darf, während der Heilige Vater ein Ende in der Hölle findet. Satirische Flugblätter, entworfen von Cranach, sind noch deutlich drastischer (SZ vom 31. Januar).

Hauptsache, das Geschäft lief

Dabei war der Künstler nicht unbedingt ein Überzeugungstäter. Er fand nichts dabei, auch Katholiken zu dienen, darunter den größten Widersachern Luthers. Hauptsache, das Geschäft lief. Und wie: Nicht nur Cranachs immer größer werdende Malerwerkstatt florierte, sondern auch der Buchdruck. In seinem Haus am Wittenberger Marktplatz ließ er in hohen Auflagen das Neue Testament drucken, das Luther ins Deutsche übersetzt hatte.

Nicht alles, was Cranach erfand, ist von dieser kultur- und geistesgeschichtlichen Bedeutung. In seinem Atelier wurden auch Turnierdecken für Rennpferde hoher Herren bestickt oder Wandbehänge. Vom Silberleuchter bis zur Sanduhr lieferte das Haus Cranach alles, was die diversen Kleinherrscher zur standesgemäßen Lebensgestaltung benötigten. Der Künstler verwischte bewusst und mutwillig die Grenzen zwischen Hochkultur und Design. Auch so eine Idee, die später die Popkultur für sich reklamieren wird.

Am meisten aber beeinflusste der 1472 im fränkischen Kronach auf den Namen Lucas Moller getaufte Künstler spätere Generationen durch seine Bildschöpfungen. Sicher, seine malerischen Kompositionen waren nicht so raffiniert wie die von Raffael, nicht so feingeistig wie die von Dürer und nicht so poetisch wie die von Tizian. In dem Vergleich war er tatsächlich ein Plakatmaler. Sein allzu glatter Farbauftrag zielt auf Oberfläche, nicht auf Tiefenwirkung. Zu einzelnen Figuren gab es wohl Schablonen, was sie in der Werkstatt wiederverwertbar machte: mal mit Federhut, mal ohne, je nach Geschmack.

Schön, verführerisch - und böse

Besonders erfolgreiche Massenware waren und sind Cranachs Frauengestalten. Sie alle ähneln einander, sind grazil, oft nackt, aber knochen- und fleischlos, biegsame Kreaturen, welche die Gotik in die Moderne retten. Genau diese Charakterlosigkeit machte und macht sie so erfolgreich über das 19. und 20. Jahrhundert bis heute: als Projektionsflächen.

Lucas Cranach Venus mit Amor als Honigdieb Kronach

Lucas Cranach, "Venus mit Amor als Honigdieb", um 1537, in Kronach.

(Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen/Fränkische Galerie Kronach)

Nur wenige Jahre zuvor hatten norditalienische Künstler die Figur der schönen, verführerischen Frau erfunden, die ohne Männer ins Bild tritt (denn diese stehen vor dem Rahmen und schauen zu). Es sind anmutige, aber immer selbstbewusste Personen, die mit dem Betrachter flirten, ihn anzusprechen scheinen, sich ihm dann wieder entziehen. Vor diesen Gemälden von Leonardo da Vinci, Tizian, Giorgione und anderen trifft der Betrachter auf ein gleichwertiges Gegenüber, eine autonome Persönlichkeit. Er kann nicht über sie verfügen, auch wenn sie manchmal nackt sind.

Cranach banalisiert diese Errungenschaft. Was in Italien beseelte Frauen waren, die man lieben konnte, ist nun die Femme fatale, die man fürchten muss. Sie schlägt Männern den Kopf ab, wie seine erotisierten Mischwesen aus Judith und Salome. Selbst eine altrömische Lucretia, die sich nach einer Vergewaltigung umbringt, wird bei Cranach zur bösen Verführerin. Das waren Ideen, von denen vor allem das 19. Jahrhundert besessen sein wird, verunsichert von ersten Zeichen der Frauenemanzipation.

Man muss den Bildermaschinisten Lucas Cranach nicht lieben, um ihn ernst zu nehmen und besser kennenlernen zu wollen. Das ist in diesem Jahr so gut möglich wie selten zuvor. Dem Reformationsjubiläum 1517 geht ein Themenjahr "Bild und Botschaft" voraus, in dem mehr als zwölf deutsche Orte Ausstellungen zu Lucas Cranach, seinem Sohn und seiner Werkstatt präsentieren. Die Reise führt nach Franken, Thüringen und Sachsen-Anhalt, von Nürnberg über Coburg, Gotha, Weimar bis nach Wittenberg. Die wichtigsten und schönsten der Cranach-Schauen werden wir im Laufe des Frühjahrs im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung besprechen.

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