Ausstellungen:Lichte Landschaften

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Jahrhundertwende und zeitgenössische Malerei: Zwei Ausstellungen in Dachau zeigen finnische Kunst

Von Sabine Reithmaier

Die Farbe des Himmels ist auf vielen Gemälden ganz eigen: ein Gelb mit rosafarbenen Tönen, als würde die Sonne gerade untergehen. Vermutlich haben die Maler der finnischen Künstlerkolonie Önningeby, der die Gemäldegalerie Dachau eine Ausstellung widmet, die Stimmung der hellen, nie wirklich dunklen Sommernächte genutzt, um ihre Landschaften zu kreieren. Die ungewöhnlichen Farben tauchen aber in den zeitgenössischen Werken der Neuen Galerie auf, der zweiten Station, in der man sich in Dachau mit finnischer Kunst befassen kann.

Dort führt Marko Lampisuos Video "Sommer in Finnland ... und andere Jahreszeiten" einprägsam Länge und Kürze der Tage im Jahresverlauf vor: 365 Aufnahmen von Bäumen, die jeweils in dem Maß verdunkeln wie die Tage wachsen und schrumpfen. Der helle Sommer dauert nicht lang. Doch abgesehen von der Farbe des Himmels verbindet die Ausstellungen auch die Leidenschaft für Landschaften. Kjell Ekström, geboren 1961, malt famose Aquarelle, Winterbilder, die ganz ohne weiße Farbe auskommen - das weiße Papier reicht ihm. Sein 100 Jahre älterer Kollege Victor Westerholm (1860 bis 1919) schuf ebenfalls Winterbilder, arbeitete dick vermummt im Freien. So bannte ihn jedenfalls sein Künstlerkollege Wilho Sjöström um 1910 auf die Leinwand.

Finnische Landschaft: Kjell Ekströms Aquarell "Inseln im Winter" (2016/17). (Foto: Peter Brunner/Kjell Ekströms, Önningeby Museum)

Westerholms Gemälde aber leiten die chronologisch aufgebaute Schau in der Gemäldegalerie ein. Zu Recht, schließlich war er der Gründer der finnischen Künstlerkolonie. Sie vorzustellen übernimmt im Katalog Kjell Ekström, der eben nicht nur ein bekannter Aquarellmaler, sondern auch Leiter des Önningeby-Museums ist, aus dessen Fundus viele der Dachauer Exponate stammen.

Die Åland-Inselgruppe liegt in der Ostsee zwischen dem schwedischen und finnischen Festland. Westerholm, damals noch Kunstakademie Düsseldorf studierend, kaufte sich dort am Lengströmkanal 1884 ein kleines Haus. "Tomtebo", Wichtelheim, nannten er und seine Frau ihr Domizil, in das sie Künstlerfreunde einluden. Die kamen, waren begeistert, quartierten sich im Dorf Önningeby ein. Allmählich entwickelte sich ein Künstlerkreis, der von 1886 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 aktiv war. Allerdings überwiegend im Sommer und mit unglaublich vielen Malerinnen. Hanna Rönnberg etwa, die fleißigste Ålandmalerin, die ausdrucksstark die Menschen der Insel porträtierte, oder Helmi Sjöstrand, Eva Topelius, Nina Ahlstedt, Ellen Favorin, Elin Danielson-Gambogi, Dora Wahlroos, Anna Wenberg und noch viele andere, deren Namen man hierzulande gar nicht kennt. Was die Ausbildung von Frauen betraf, war Finnland dem restlichen Europa voraus.

Die Motive der finnischen Freilichtmaler wirken wenig spektakulär. Ihr Vorbild war - wie für alle Künstlerkolonien dieser Zeit - die Schule von Barbizon in Frankreich. Wie im übrigen Europa wandte man sich auch in den skandinavischen Ländern vom akademischen Klassizismus ab, konzentrierte sich auf bislang unbeachtete Motive, setzte auf einen neuen Umgang mit Licht und Farbe. Gänzlich undramatisch - und nicht mehr wirklich avantgardistisch - malten die finnischen Künstler Strandlandschaften, Dorfstraßen, Gehöfte und sogar eine alpenländisch anmutende Winterlandschaft mit Heuhaufen. Immer wieder auch die Inselbewohner, darunter den besonders gelungenen "Jungen mit dem Pulverhorn" von J.A.G. Ackes. Die Einheimischen hatten keine Probleme mit den "Fremden". Schließlich sicherten ihnen die Sommergäste zusätzliches Einkommen. Dass die Künstler sich nicht auf den Norden beschränkten, sondern in ganz Europa unterwegs waren, ist dem Katalog zu entnehmen: In Dachau arbeiteten zwischen 1880 und 1914 mindestens 55.

Edvard Westmans Ölgemälde "Winterlandschaft mit Heuhaufen" (Visbohammar, 1893). (Foto: Peter Brunner/Kjell Ekströms, Önningeby Museum)

Da passt es doch, dass zwei der acht finnischen Künstler, die in der Neuen Galerie gezeigt werden, in München leben: Essi Utriainen, die ihre Landschaften aus winzigen farbigen, erhitzt und angeschmolzenen Glassplittern entwickelt, und Anna Kiiskinen, die mit raffinierten Überblendungen arbeitet und die Natur meist in Wasserspiegelungen zeigt. Eine echte Schau sind Talvikki Lehtinens Bronzeskulpturen, die Pflanzenstrukturen in feinsten Verästelungen nachbilden. Der erste Blick aber fällt auf transparente Banner mit aufgedruckten Fotos. Albert Braun, ein Oberpfälzer, der seit 20 Jahren in Finnland lebt, setzt sich darauf kritisch mit dem geplanten neuen Kernkraftwerk Hanhikivi auseinander. Knapp 100 Hektar Wald wurden dafür bereits abgeholzt - ein Landschaftserlebnis der ganz anderen Art.

Önningeby. Eine Künstlerkolonie auf den finnischen Ålandinseln, bis 11. März, Gemäldegalerie Dachau Finnische Künstler und ihre Landschaft, bis 25. Februar, Neue Galerie Dachau

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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