Nachdem im Oktober 1934 Karl Valentins "Lach- und Gruselkabinett", das Panoptikum, eröffnet war, konstatierte ein Kritiker: "Wer einmal in Valentins Panoptikum war, hat die Nase voll - oder hat den Humor verstanden und kommt wieder." Leider war wohl bei vielen ersteres der Fall. Denn der erhoffte Publikumserfolg blieb aus und das Panoptikum, das bereits vor seiner Eröffnung Unsummen verschlang, wurde zum finanziellen Desaster. Nach nur elf Monaten musste Valentin sein Kuriositätenkabinett, zu dem auch ein Café mit dem schönen Namen "Die Hölle" gehörte, schließen. Wer heute wissen will, wie es dort aussah, kann sich im ersten Stock des Valentin-Karlstadt-Musäums Bild- und Textdokumente dazu anschauen. Oder er kann noch ein paar Meter höher in den Nordturm des Musäums steigen.
Dort oben sind in Form von historischen Fotos, Werbe- und Einladungskarten aktuell noch weitere Exponate zum Panoptikum zu sehen. Und zwar als Bestandteile von "Die Hölle": einer Ausstellung von Anna McCarthy, mit der die in München lebende britische Künstlerin in Form ihres eigenen Grusel-, Lach- und Kuriositätenkabinetts auf Valentins Panoptikum und sein Höllen-Café Bezug nimmt. So geht es beim Eintreten zur Einstimmung gleich mal an einer Mumie im Sarg und einem schwarzen Vogel vorbei, während einen Stock tiefer im "Volkssänger"-Raum der Münchner Köşk-Chor "Ace of Spades" von Motörhead singt. Wobei, den Chorgesang muss man sich dazu denken. Den gab es als Aktion nur bei der Ausstellungseröffnung zu hören.
Das gilt genauso für die Musik der Band Honky Tonk Movement, die an Keyboard, Tuba, Schlagzeug und Ukulele auf alten Folkblues-Sound getrimmte Coverversionen von Songs wie "Jolene", "Perfidia" oder "These Boots Are Made For Walking" spielte. Dass sie befreundete Musiker, Sänger und Künstler in ihre Kunstaktionen miteinbezieht, das ist typisch für Anna McCarthy, und passt natürlich in dem Fall auch gut zum Volkssänger, Komiker, Filme- und Theatermacher Karl Valentin, der genreübergreifend und meist im Ensemble agierte.
Aber zurück zur Ausstellung, die ebenfalls viel Anna-McCarthy-Typisches bietet. Dazu zählen: trashige Bildcollagen; eine Art Kücheninstallation mit Riesenpizza sowie Pizza- und Küchentischbildern als Eat-Art-Referenz; mehrere Videos sowie Mobiles aus verschiedenen Gegenständen, die zusammengebunden von der Decke hängen. Vergleichbare Mobiles gab es bereits in früheren Ausstellungen wie "Drink cold, piss warm" und "Das hat sich doch gelohnt" von Anna McCarthy zu sehen. Auch die schlecht gelaunten Smileys, die Korsetts, Bilder wie "Peece Fingers" und "Ying-Yang Penis" oder die drei Videoarbeiten, die sich in ironisch-bissiger Manier mit Rudolf Moshammer, Fassbinder und der Flüchtlingskrise auseinandersetzen, erkennt man aus früheren Zusammenhängen wieder.
Die mit Spiegelfolie überzogenen Bilder, die auf das "Panopticon" als Überwachungsraum anspielen, sind dagegen neu. Und Moshammer ist dank eines derzeit geplanten Fernsehfilms über ihn ja ebenfalls wieder ein aktuelles Thema. Ansonsten präsentiert sich "Die Hölle" als ein zwar unterhaltsames, aber nur wenig überraschendes Sammelsurium aus vertrauten Kuriositäten. Wer Anna McCarthys Arbeit bereits kennt und schätzt, wird sich in ihrer Hölle jedenfalls sehr wohl fühlen.
Anna McCarthy: Die Hölle ; bis 24. Oktober, Valentin-Karlstadt-Musäum, Im Tal 50