Ausstellung:Vergnügliches Intermezzo

Franz von Pocci, 8. Februar 1848 (Lola Mon-tez), 1848

Der Hofstaat hält Einzug mit der Büste von Lola Montez - und Franz von Pocci, der Hofbeamte und Künstler, hat sich auf seiner aquarellierten Bleistiftzeichnung als zweiter von links gleich selbst verewigt.

(Foto: Staatliche Graphische Sammlung München)

Die Graphische Sammlung zeigt Zeichnungen des Grafen Franz von Pocci

Von Evelyn Vogel

Die ersten Erwerbungen von Franz von Pocci machte Max Oppel im Sommer 1956. In einem Antiquariat in der Schellingstraße sah er zwei Skizzenblätter zu den Kasperliaden. "Die haben mir gleich so gut gefallen, dass ich sie gekauft habe. Eigentlich aber", erzählt der bald 86-jährige Oppel, "begann mein Interesse für Pocci schon im Alter von sechs Jahren." Denn zwei "Großereignisse" sorgten in seiner Heimat, einer oberfränkischen Kleinstadt, alljährlich für Abwechslung: der Wanderzirkus und das Kasperltheater. Letzteres führte auch Stücke von Pocci auf, der mit seinen Kasperliaden fürs Münchner Marionettentheater auch als der "Kasperlgraf" bekannt geworden war. Da zudem eine Tante Oppels im Haushalt der Poccis auf Schloss Ammerland gearbeitet hatte und allerhand über die Familie zu berichten wusste, riss das Interesse nie ab.

Später - Max Oppel lebte längst in München, hatte Rechtswissenschaft und Bayerische Geschichte studiert und arbeitete seit 1978 für den Wittelsbacher Ausgleichsfonds Tür an Tür mit Franz Herzog von Bayern im Nymphenburger Schloss - hatte er mit ganz anderen Kunstschätzen zu tun. Doch die Liebe zu Poccis fantasievollen Zeichnungen und besonders seinen spöttischen Blättern währte fort. Mittlerweile durchsuchte er den Markt systematisch nach Werken von Pocci, dessen Nachlass sich in der Bayerischen Staatsbibliothek befindet. Dabei stieß er mehr durch Zufall auf den elf Jahre jüngeren und kaum bekannten Ludwig von Otting und Fünfstetten, der in ganz ähnlichem Stil zeichnete und Pocci bei der Altherrengesellschaft "Altengland" als zeichnender Chronist abgelöst hatte. Oppel ist die Entdeckung Ottings überhaupt erst zu verdanken.

82 Zeichnungen von Pocci sowie acht Blätter von Otting hat Max Oppel nun der Museumsstiftung zur Förderung der Staatlichen Bayerischen Museen übergeben. Und diese hat die Zustiftung als Dauerleihgabe der Graphischen Sammlung, die selbst ein großes Konvolut von Pocci-Blättern besitzt, zur Verfügung gestellt. Eine Auswahl von etwa 70 Blättern - ausschließlich Zeichnungen, so dass eine Präsentation der ebenfalls in Hülle und Fülle vorhandenen Druckgrafik noch aussteht - ist derzeit in der Ausstellung "Im Blick: Franz von Pocci - Phantasie und Spott" im Vitrinengang in der Pinakothek der Moderne zu sehen. Sie zeigt die Vielfalt des unermüdlichen Zeichners und verdeutlicht laut Kurator Andreas Strobl, wie die gestifteten Blätter die hauseigene, über hundert Jahre gewachsene Pocci-Sammlung "ideal ergänzen". Im Besitz der Graphischen Sammlung sind zahlreiche sehr gut durchgearbeitete Aquarell-, Feder- und Bleistiftzeichnungen von Landschaften und Burgen. Besonders letztere hatten es Pocci angetan, wie er einmal selbst kundtat: "Und hätt' ich wohl an hundert Händ' / mit Burgen käm' ich nie zu End'!" Dabei zeichnete er Burgen wie Landschaften häufig nicht nach realen Vorlagen, sondern frei nach Fantasie. Die Ansichten ähneln oft nur italienischen Veduten oder scheinen das bayerische Voralpenland wiederzugeben. Mit schnellem Strich skizzierte und schraffierte Pocci Gebäude und Landschaften, formte Berge und Seen, aquarellierte Himmel und Wasser, strukturierte Mauerwerk und Bäume, versah die Burgen mit Zinnen und Wimpeln und vergaß auch nicht, den einen oder anderen Menschen lustwandelnd ins Bild zu setzen. Ebenso komponierte er seine romantischen Märchen- und Mythenwelten um mittelalterliche Themen und Figuren wie Kaiser, Ritter und Zwerge.

Auch im Oppel-Konvolut finden sich solche Blätter, zwei besonders schöne zu Kaiser Barbarossa beispielsweise. Der Schwerpunkt liegt hier jedoch auf Pocci als intimen Kenner und spöttischen Zeichner seiner Zeitgenossen. Da gibt es eine Reihe mit Feder oder Bleistift hingeworfener Skizzen und Vorzeichnungen, Illustrationen, beispielsweise eines Buches mit Soldatenliedern, bissige Karikaturen, mit denen der Hofbeamte, der er ja auch war, seine Kollegen in Verwaltung und Künstlerschaft aufspießte und auch vor seinem Dienstherrn, König Ludwig I., nicht Halt machte. Eines der schönsten Blätter, das all dies vereint, trägt den Titel "8. Februar 1848 (Lola Montez)". Darauf erkennbar: er selbst, der Ministerialrat im Finanzministerium Johann von Graf, der Fotograf Franz Hanfstaengl und der Schriftsteller Franz von Kobell, die eine nicht allzu schmeichelhaft gestaltete Büste der Geliebten Ludwigs I. tragen. Ein Bild, mit dem er auf die Vorgänge rund um die Vertreibung der Montez im Februar 1848 aus München anspielte.

Im Zusammenspiel der bisherigen Bestände und der neuen Zustiftung hat die Graphische Sammlung auf engstem Raum eine sehr kleine, sehr feine Einführung in das Werk des Grafen Franz von Pocci als Zeichner selektiert. Sie ist eine überaus vergnügliche "Zwischenlösung", die die Umbaupausen bis zur nächsten großen Schau der Graphischen Sammlung überbrückt. Ganz im Sinne Max Oppels, der Pocci immer nach der Devise gesammelt hat: "Der macht einfach Spaß."

Im Blick: Franz von Pocci - Phantasie und Spott; Staatliche Graphische Sammlung in der Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, Di-So 10-18 Uhr, So bis 20 Uhr, bis 27. Januar

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