Süddeutsche Zeitung

Ausstellung über Stasi-Inneneinrichtung:Mielkes Möbel

Fotokameras in Gießkannen und hinter Gürtelschnallen: Eine neue Dauerausstellung in der Berliner Stasi-Zentrale zeigt, in welchem Ambiente die SED-Führung residierte. Die Schau kommt einer "dirigierten Geschichtskultur" sehr nahe.

Von Franziska Augstein

Mielkes Schatz: Viele meinen, das seien die Akten der Stasi, die unter der Führung des Ministers für Staatssicherheit Erich Mielke auf mehr als hundert Kilometer anwuchsen. Diese Akten haben seit der Einrichtung der Stasiunterlagenbehörde viele Leute beschäftigt, die vom Ausmaß der Spitzelei schockiert waren oder sie aus geschichtlichem Interesse studiert haben.

In seiner historischen Tragweite weniger gewürdigt wird ein anderer Schatz Mielkes: das Mobiliar, das er in den Arbeitsräumen der Berliner Stasizentrale hinterlassen hat - Tische, Stühle, Sessel, Schränke, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren modern waren, meist in muffig anmutenden Farben gehalten.

Dass diese Räumlichkeiten im "Haus 1" der Stasizentrale unverändert blieben, ist nicht zuletzt das Verdienst von Jörg Drieselmann. Seit dem Ende der DDR hat sich der Leiter des Stasimuseums mit dem Verein "Antistalinistische Aktion Berlin-Normannenstraße" dafür eingesetzt. Mielkes Büro- und Ruheräume haben auch deshalb für Opferverbände und DDR-Bürgerrechtler eine besondere Aura, weil sie erobert wurden.

Zwei Jahre Diskussionen im Vorfeld

Am 15. Januar 1990 belagerten Demonstranten die Normannenstraße: Als der Tumult zur Gefahr für Leib und Leben wurde, gaben Bedienstete dem buchstäblichen Druck von der Straße nach und öffneten von innen das Tor. Viele Akten wurden vor der Vernichtung gerettet.

Pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum des dramatischen Tages wurde jetzt die Dauerausstellung "Staatssicherheit in der SED-Diktatur" eröffnet. Wer mit den Interna der zwei Jahre währenden Diskussion über die Ausstellung nicht vertraut war, den musste die kurze Rede der Kulturstaatsministerin Monika Grütters ein wenig wundern.

Ein ums andere Mal betonte sie, wie "schwierig" der Weg gewesen, wie "emotional" die Diskussionen geführt worden seien. Dass der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen und Jörg Drieselmann "den Weg gemeinsam gegangen" seien, hält die Kulturstaatsministerin für nicht weniger eindrucksvoll als die Ausstellung selbst.

Viele wollten bei der Einrichtung der Ausstellung mitreden. Die in Vereinen organisierten Interessengruppen meinen, dass das Stasimuseum mit anderen Museen nicht zu vergleichen sei: Da es um ihr Schicksal geht, wollten sie mitreden. Roland Jahn, der Bundesbeauftragte der Stasiunterlagen, schien sich in seiner Rede dieser Auffassung anzuschließen, er sagte: "Ein staatlich verordnetes Geschichtsbild" passe nicht zu einer Demokratie.

Alles für staatlich verordnet zu erklären, was nicht den Meinungen der Interessengruppen entspricht, hat eine vernünftige museumsdidaktische Herangehensweise an die Ausstellungsplanung unmöglich gemacht. Der Ausstellung sieht man das leider an. Hier wird auf drei Etagen anhand von vielen Texten, Fotos und Dokumenten eine triumphalistische Geschichte dargestellt: per aspera ad astra.

Es begann damit, dass "die Sowjets (. . .) in ihrer Besatzungszone eine Diktatur" errichteten; die Stasi zermürbte mit ihren "Zersetzungsmaßnahmen" die Bevölkerung, wo sie konnte; und schließlich obsiegte mit dem Sturm auf die Normannenstraße die Demokratie über die Stasi.

Irritierend distanzlos sind die Titel der Schrifttafeln in den einzelnen Räumen von Mielkes Reich. Sein Schlafzimmer wird vorgestellt mit dem Hinweis: "Hier ruhte der Minister aus", sein kleines Zweit-Büro mit den Worten "Der Minister wünscht, nicht gestört zu werden". Der Raum der Sekretärin firmiert unter dem Rubrum - das Wortspiel hat man den Besuchern nicht ersparen wollen - "Diktat und Diktatur".

Fotokameras in Gießkannen

Einige Täter, einige Opfer werden vorgestellt, mit Fotos, Namen und Dokumenten. Da überwiegt die klare Trennung zwischen Tätern und Opfern. Das ist problematisch. Schwarz-Weiß-Malerei wird Diktaturen nicht gerecht, schon gar nicht dem SED-Regime. Die meisten DDR-Bürger hatten irgendwann für ihre Regierung nicht das Geringste mehr übrig; aber viele arrangierten sich; andere waren zwar gegen die Regierung, fanden die Idee des Sozialismus jedoch recht gut.

Die Grauzonen, das Gegen-und Miteinander werden in der Ausstellung überblendet: Sie präsentiert eine Meistererzählung, zum Abwägen und Nachdenken lädt sie nur gelegentlich ein. Sie kommt dem sehr nahe, was der Historiker Volkhard Knigge einmal als "dirigierte Geschichtskultur" bezeichnet hat.

Allemal sehenswert ist die Ausstellung trotzdem. Das liegt nicht nur an Mielkes Möbeln, an der faszinierenden Aussicht auf die im Grunde spießige Gestaltung der Amtsräume dieses mächtigen Mannes; in der Büroküche hängt immer noch die alte Blümchengardine. Das liegt auch daran, dass hier zu sehen ist, mit welchen Mitteln die Stasi ihre Überwachung ausübte.

So wurden etwa kleine Fotokameras in Gießkannen, in Krawatten, in Einkaufsbeuteln und hinter Gürtelschnallen montiert. Was auf den aus den jeweiligen Perspektiven geschossenen Fotos zu sehen war, wird in der Ausstellung leider nicht dokumentiert.

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Quelle:
SZ vom 16.01.2015/danl
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