Ausstellung über psychisch kranke Straftäter:Nicht zurechnungsfähig

30 Jahre lang haben die Fotografen Robert Mack und Grace Zaccardi gewartet, bis sie ihre Fotos für alle freigaben: Sie zeigen die Insassen eines Gefängnisses für psychisch kranke Straftäter. Die eindringlichen Schwarz-Weiß-Bilder sind nun im Mannheimer Zephyr-Raum für Fotografie zu sehen.

Von Johannes Spengler

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Ausstellung über psychisch kranke Straftäter:Robert Mack, 1981

Ausstellung "Guilty by Reason of Insanity / Nicht Zurechnungsfähig" von Robert Mack und Grace Zaccardi

Quelle: Robert Mack

30 Jahre lang haben die Fotografen Robert Mack und Grace Zaccardi gewartet, bis sie ihre Fotos für alle freigaben: Sie zeigen die Insassen eines Gefängnisses für psychisch kranke Straftäter. Die eindringlichen Schwarz-Weiß-Bilder sind nun im Mannheimer Zephyr-Raum für Fotografie zu sehen.

Keiner der Männer auf den folgenden Bildern ist zurechnungsfähig. Sie sind schizophren, paranoid, gewalttätig, unberechenbar, eine Gefahr für sich selbst und für die Gesellschaft. Einige von ihnen haben abscheuliche Gewaltverbrechen verübt. Weder ihre Namen noch ihr Aufenthaltsort dürfen genannt werden - die Daten fallen unter die ärztliche Schweigepflicht. Trotzdem erlauben diese Bilder einen einzigartigen Einblick in eine Welt, die sonst verborgen bleiben würde. Von 1980 bis 1982 hatten die Fotografen Robert Mack und Grace Zaccardi Zugang zu einem amerikanischen Hochsicherheitsgefängnis für psychisch kranke Straftäter. Insgesamt 120 Schwarz-Weiß-Fotos sind in der Zeit entstanden. Bis zum 25. August werden die Bilder im Mannheimer Zephyr-Raum für Fotografie unter dem Titel "Nicht zurechnungsfähig" ausgestellt.

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Ausstellung über psychisch kranke Straftäter:Robert Mack, 1981

Ausstellung "Guilty by Reason of Insanity / Nicht Zurechnungsfähig" von Robert Mack und Grace Zaccardi

Quelle: Robert Mack

Zuerst sei er sehr nervös gewesen und habe sich Sorgen gemacht, wie die Patienten auf die Kamera reagieren, sagt Robert Mack. Doch Mack und Zaccardi seien mit offenen Armen empfangen worden - sowohl von den Patienten als auch vom Personal. Auf die Frage, was sie mit den Bildern bezwecken wollten, erklärte Zaccardi den Insassen: "Die Gesellschaft würde euch am liebsten vergessen, sobald ihr hierherkommt. Das ist eure Gelegenheit, zu beweisen, dass ihr immer noch da seid."

Von jedem der Fotos haben die beiden Abzüge gemacht und den Porträtierten geschenkt. An die Reaktionen erinnert sich Robert Mack: "Ich bin seit mehr als 18 Monaten hier und es ist das erste Mal, dass ich mich selbst klar sehe", freute sich ein Insasse. Denn die Zellen waren zwar mit Spiegeln ausgestattet, doch aus Sicherheitsgründen waren diese mit Plexiglas überzogen - die Spiegelbilder wurden dadurch verzerrt.

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Ausstellung über psychisch kranke Straftäter:Robert Mack, 1981

Ausstellung "Guilty by Reason of Insanity / Nicht Zurechnungsfähig" von Robert Mack und Grace Zaccardi

Quelle: Robert Mack

Zum damaligen Zeitpunkt waren in jeder Abteilung etwa 15 Insassen - insgesamt waren 180 Patienten in dem Hochsicherheitsgefängnis inhaftiert. Psychiater, Sozialarbeiter, Sport- und Kunstlehrer, Ärzte und Krankenschwestern kümmerten sich um die Insassen. Ziel der Einrichtung sollte nicht die Bestrafung, sondern die Heilung sein. Schritt für Schritt sollten die psychisch kranken Straftäter an ein soziales Miteinander gewöhnt werden, bis sie irgendwann aus der Anstalt entlassen und in einem Projekt für betreutes Wohnen untergebracht wurden. 

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Ausstellung "Guilty by Reason of Insanity / Nicht Zurechnungsfähig" von Robert Mack und Grace Zaccardi

Quelle: Grace Zaccardi

Abhängig von ihrem Zustand, wurden die Patienten unterschiedlich stark überwacht. In diesem Zimmer zum Beispiel wohnte ein äußerst gewalttätiger Insasse. Da er außerdem körperlich sehr stark war, musste er in einer isolierten Zelle untergebracht werden.

"Insgesamt war die Einrichtung aber sehr sauber und fortschrittlich", sagt Robert Mack. Das Gebäude aus den 50er Jahren wurde in seiner Geschichte mehrmals umgebaut und renoviert und dient auch heute noch als Hochsicherheitsgefängnis für Straftäter, die nicht zurechnungsfähig sind. Inzwischen werden hier nicht mehr nur Männer festgehalten, sondern auch Frauen.

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Ausstellung über psychisch kranke Straftäter:Robert Mack, 1981

Ausstellung "Guilty by Reason of Insanity / Nicht Zurechnungsfähig" von Robert Mack und Grace Zaccardi

Quelle: Robert Mack

Bisher wurden die Bilder nur einmal ausgestellt - 1983 im Baltimore Museum of Art. Danach haben Robert Mack und Grace Zaccardi 30 Jahre lang gewartet, bevor sie ihre Fotos für die Ausstellung in Mannheim freigaben. "Das einzig moralische, was wir tun konnten, war, die Bilder liegenzulassen und zu warten, bis die Männer älter geworden sind. Inzwischen erkennt man sie nicht mehr, vielleicht sind sie sogar schon gestorben. Jetzt, drei Jahrzehnte später, sind ihre Verbrechen vergessen und die Angehörigen der Opfer hatten Zeit, um die Wunden verheilen zu lassen", erklärt Grace Zaccardi.

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Ausstellung "Guilty by Reason of Insanity / Nicht Zurechnungsfähig" von Robert Mack und Grace Zaccardi

Quelle: Robert Mack

Grace Zaccardi erinnert sich, dass die Arbeit mit den Patienten zuweilen sehr anstrengend und unvorhersehbar war. Schizophrenie zum Beispiel äußert sich in episodischen Schüben. So kam es vor, dass sich das Verhalten eines Insassen von einem Tag auf den anderen dramatisch veränderte. "Es gab Momente, da habe ich mich gewundert, warum manche Patienten überhaupt eingesperrt waren. Es ging ihnen scheinbar sehr gut. Aber wenn ich sie dann wiedersah, waren sie wie ausgewechselt", sagt Grace Zaccardi.

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Ausstellung über psychisch kranke Straftäter:Grace Zaccardi, 1981

Ausstellung "Guilty by Reason of Insanity / Nicht Zurechnungsfähig" von Robert Mack und Grace Zaccardi

Quelle: Grace Zaccardi

Da die Patienten jahrelang miteinander eingesperrt waren, entwickelten sich mit der Zeit Freundschaften. "Es war nicht ungewöhnlich, dass sich ein gesünderer Insasse um einen schwächeren kümmerte", sagt Robert Mack. Andere isolierten sich, hörten lieber Radio oder hielten sich am liebsten an stillen Plätzen auf. In einer Sache waren sich die Patienten aber einig: Sie liebten die Kunstlehrerin. "Sie hat ihnen bedingungslose Liebe gegeben und kreative Unterstützung. Obwohl sie eine sehr schöne Frau war, musste sie von den Männern niemals etwas befürchten", zeigt sich Fotograf Robert Mack als Laie begeistert über die Beziehung zwischen Patienten und Personal.

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Ausstellung "Guilty by Reason of Insanity / Nicht Zurechnungsfähig" von Robert Mack und Grace Zaccardi

Quelle: Grace Zaccardi

Robert Mack und Grace Zaccardi geht es bei ihrer Arbeit weniger um die Sensation und nicht darum, Gewalttäter in der Öffentlichkeit auszustellen. Mit ihren eindringlichen Porträts wollen sie zeigen, dass es sich bei den Insassen des Hochsicherheitsgefängnisses um Kranke handelt, die dadurch trotzdem nicht weniger Menschen sind.

Grace Zaccardi erinnert sich an eine Unterhaltung mit einem der Wächter im Gefängnis: "Er kam zu mir und sagte, dass unsere Bilder verändert hätten, wie er die Kranken wahrnimmt und mit ihnen umgeht. Durch die Sensibilität und Verletzlichkeit, die auf den Fotos zu erkennen ist, hätte er die Männer auf einmal in einem anderen Licht gesehen."

© Süddeutsche.de/jspe/mkoh/rus
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