Ausstellung über Clubkultur:In der Affenschaukel

Ausstellung Clubkultur

Im Ata-Kosmos: Der Club Robert Johnson, hier mit feierfröhlichen Ricardo Villalobos und Sven Väth im Jahr 2004, gilt als einer der besten Deutschlands.

(Foto: Museum angewandte Kunst)

Design zum Anfassen: Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt erforscht das Tun des DJs, Clubbetreibers, Gastronomen und Designers Ata Macias, der seinen Club aus Sperrholz und weißen Boxen bastelte.

Von Laura Weissmüller, Frankfurt

Ein gutes Dutzend schwarz lackierter Sperrholzplatten und ein paar weiße Boxen lehnen locker an der Museumswand. So als könnte der Besucher gleich selbst seinen eigenen legendären Club zimmern und zwar einen der besten weltweit.

Doch so einfach ist das nicht. Denn obwohl es sich hier um den Eins-zu-eins-Bausatz des "Robert Johnson" handelt, einem Club im nahen Offenbach, bekannt für seine Elektromusik und seine Atmosphäre, dürfte aus den Brettern kaum ein Ort entstehen, der wie das Robert Johnson seit 15 Jahren die abgebrühtesten Chronisten des stetig schwankenden Trendbarometers konstant den Daumen heben lässt. Nur: Wie entsteht so ein Ort?

Diese Frage hat sich das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt mit seiner Ausstellung über den Frankfurter Musiker, DJ, Designer, Clubbetreiber und Gastronom Ata Macias gestellt. Schon allein das beweist die Neuausrichtung dieses Hauses, für die der Direktor Matthias Wagner K im vergangenen Jahr den klinisch weißen Richard-Meier-Bau leerräumen ließ, damit der nun endlich Platz bietet für Versuche und Experimente, um die Gegenwart abzuklopfen. Denn eine Figur wie Macias gehört nicht zum gängigen Ausstellungsrepertoire von Museen, die gerne finnische Möbel oder japanische Lackkunst zeigen. Macias ist kein klassischer Designer. Trotzdem kondensieren sich in seiner Arbeit Lebenskultur, Zeitgeist, auch gesellschaftliche Codes, kurz: ziemlich genau das, was man als angewandte Kunst bezeichnen könnte.

Ausstellung Clubkultur

Der gebürtige Frankfurter Ata Macias, hier auf einem Foto bei sich zu Hause, ist kein klassischer Designer.

(Foto: Ramon Haindl)

"Nicht alles, was Ata Macias macht, manifestiert sich in Objekten", sagt Matthias Wagner K. Doch wie zeigt man etwas, das sich nicht in Tisch oder Barhocker festzurren, sondern eigentlich nur erleben lässt? Darauf findet das Frankfurter Museum eine - durchaus streitbare - Antwort und liefert damit den Beweis, dass angewandte Kunst nicht immer unter Glasvitrinen veröden muss. So gesehen zeigt die Schau "Give Love Back" der beiden Kuratorinnen Eva Linhart und Mahret Kupka eben auch, wie Design ins Museum gebracht werden kann, ohne dort sinnentwurzelt zu versteinern. Ein Paradox, an dem viele Häuser nach wie vor scheitern.

Ata Macias, klein, Pluderhose und weiße Mütze über den dunklen Haaren, sieht die Frage, was er denn selbst sei, pragmatisch. "Vor allem ein Mensch." Er mache eben Projekte. Wie in einer "Affenschaukel" habe sich der Frankfurter, Jahrgang 1968, dabei von einem zum nächsten geschaukelt. Ein Konzept? "Gab's nie! So etwas finde ich auch ganz schlimm", sagt Macias. Wer seine Bar Plank betritt, mag das kaum glauben. Fenster bis zum Boden, schwarz gestrichene Wände und eine Einrichtung, die Donald Judd nicht minimalistischer hätte entwerfen können. Genauso liest sich die reduzierte Karte: pure Konzentration - auf den Auftritt der Gäste.

Das "Ata"-Prinzip

Die kommen in Scharen ins Frankfurter Bahnhofsviertel. Längst hat die Bar den Erotikläden um die Ecke die Schau gestohlen. Zahlreiche Cafés und Restaurants, darunter Macias' Club Michel, folgten und gaben dem Viertel den nötigen Kick, um weltweit die Szene-Geigerzähler ausschlagen zu lassen. Seitdem bekommen die Junkies, die arabischen Gemüsehändler und abgeranzten Eckkneipen noch mehr Gesellschaft von Kunststudenten, Anzug tragenden Bankern und Baugerüsten, hinter denen sich die Altbauten in herausgeputzte Luxusunterkünfte verwandeln.

Im Zweifel ist hier das Netzwerk der Produzent

"Ata-Prinzip" nennen die Kuratorinnen das, was Macias Orten - egal ob Club, Restaurant, Concept Store oder Plattenladen - eine derartige Sogwirkung verschafft. Er ist der Knotenpunkt eines dicht gewebten Netzwerkes aus Musikern, Designern, Künstlern, Gastronomen, Verlegern. Durch die Verbindungen entstehen Projekte, etwa wenn Christoph Keller, Gründer des Revolver-Verlags und heute Hersteller von Edelobstbränden, ihm erst den Bildband zu Robert Johnson entwirft und danach einen hochprozentigen Korn.

Solche produktiven Netzwerke lassen sich auch in anderen Städten aufspüren. In München zum Beispiel, wo sich um den Designer Konstantin Grcic eine lose Gruppe gebildet hat, die der ansonsten so stromlinienförmigen weiß-blauen Selbstherrlichkeit zeitgenössische Lebenswirklichkeit implantiert. In Berlin ist es der Designer und Concept-Store-Betreiber Andreas Murkudis, der den Knotenpunkt eines solchen Netzes verkörpert. Alle diese Kreise sind fast rührend altmodisch lokal, und nie ist in Gänze aufzuschlüsseln, wer da wen wann inspiriert hat. Im Zweifelsfall ist das Netzwerk der Urheber. Ein System, das seit den ersten Künstlerkreisen bekannt ist.

Ausstellung Clubkultur

Macias entwirft auch Plakate, in denen sich etwas kondensiert, was man durchaus als angewandte Kunst bezeichnen kann. Hier: "Smallville Night".

(Foto: Stefan Marx)

Das Frankfurt-Prinzip beleuchtet die Ausstellung auf zwei Ebenen. Einmal museal, durch die Dokumentation Macias' früherer Arbeiten. Was mal besser, mal schlechter funktioniert und viel damit zu tun hat, ob der Betrachter Ata Macias schon kannte, bevor er den Richard-Meier-Bau betrat. Zum anderen durch den Besucher selbst. Als Konsumenten. Im Museumscafé, dessen Holzbänke Macias grauweiße Hussen verpasst hat, und in einem Concept Store, für den Macias Produkte ausgesucht und mit Partnern Editionen entworfen hat. Es ist keine allzu verwegene Prognose, dass dieser Shop im echten Leben schnell Stammkunden hätte. Aber hat das etwas mit Partizipation zu tun? Grenzt der Laden nicht ähnlich gnadenlos aus wie ein strenger Türsteher, nach dem Motto: Wer sich den Keramikbembel für 40 Euro nicht leisten kann, bleibt draußen.

Doch etwas Merkwürdiges passiert: Sobald die Objekte ein Preisetikett haben, holt sie das vom Museumssockel herunter. Der Besucher sortiert sie in seinen Kontext ein, prüft und bewertet sie neu. Der Praxistest nach der Theorie sozusagen. Oder auch: Design zum Anfassen. In einem Museum für angewandte Kunst ein durchaus sinnvoller Ansatz.

Give Love Back. Ata Macias und Partner, Museum Angewandte Kunst, Frankfurt. Bis 11. Januar 2015. Info: www.museumangewandtekunst.de.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: