Wo die Bechers in Serie arbeiten, konzentriert sich Struth wie ein Maler auf das Einzelwerk. Es geht ihm immer um das eine Bild, auch wenn bei einem Shooting mehrere Aufnahmen entstehen wie bei seinen Familienporträts. Die Mütter, Väter, Kinder lässt er oft eine Dreiviertelstunde lang gemeinsam stillsitzen und mutet ihnen Belichtungszeiten von einer vollen Sekunde zu. So entsteht die große Ernsthaftigkeit dieser Gruppenaufnahmen: Jeder ist hochkonzentriert, achtet auf sich selbst, hat genug Zeit, zur Ruhe zu kommen.
Es hilft, dass Struth gerne neben statt hinter der Kamera steht, wenn er auf den Auflöser drückt. Dadurch beziehen sich seine Modelle nicht auf ihn als Person, sondern auf das Bild, für das sie sich entschieden haben. Die merkwürdige Mischung aus Pose und Versunkenheit bringt den Kunsthistoriker Michael Fried dazu, in Struth einen Wahlverwandten der großen wirklichkeitsorientierten Malerei von Caravaggio bis Courbet zu sehen ("Why Photography matters as Art as never before", Yale University Press 2008).