Ausstellung:Stonewall-Momente

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Von Jens Bisky

Gefährden Lidschatten, lackierte Fingernägel und Auftritte im Fummel das Bündnis mit der Arbeiterklasse? Nach einem internationalen Treffen homosexueller Aktivisten in West-Berlin, 1973, stand die Frage auf der Tagesordnung. Der "Tuntenstreit" erfasste die junge Emanzipationsbewegung in Westdeutschland. Die Anhänger eines offensiven Auftretens, das Anderssein öffentlich zu machen, nannten sich "Feministen". Sie konnten sich nicht durchsetzen. "Die feministische Kritik an der Geschlechterordnung sollte für das politische Projekt der Schwulenbewegung keine bedeutende Rolle spielen", heißt es in einer neuen Ausstellung des Berliner Schwulen Museums. "Love at First Fight!" dokumentiert Augenblicke des queeren Widerstands in Deutschland, seit Ende Juni 1969 Gäste der New Yorker Bar Stonewall Inn sich gegen eine Polizeirazzia gewehrt hatten.

Die Ausstellung, kuratiert von Birgit Bosold und Carina Klugbauer, erzählt keine eindimensionale Erfolgsgeschichte vom Kampf gegen den Paragrafen 175 bis hin zur Ehe für alle, von den ersten Schwulendemos bis zum Riesenspektakel der CSD-Paraden. All das spielt selbstverständlich eine Rolle, aber die Plakate, Fotos, Interviews zeigen vor allem die große Vielfalt innerhalb der Emanzipationsbewegungen und ihre Konflikte. Man sieht: homoerotische Zeitschriften aus den Fünfzigerjahren, Kneipenfotos, Transparente, T-Shirts, Flyer. Viele haben ihren Auftritt: die Ost-Berliner Gruppe "Lesben in der Kirche", das Netzwerk schwarzer Frauen, Trans-Menschen, die Theatergruppe "Hibaré", die im Ost-Berlin der Siebziger mit einem von der Stasi argwöhnisch überwachten Kabarettprogramm ein Kneipenpublikum begeisterte ( unsere Abb.).

Die Ausstellung ist Teil des Multimedia-Projekts "Queer as German Folk", organisiert vom Schwulen Museum und Goethe-Instituten in Nord- und Mittelamerika. Sie kann dank der klugen Szenografie leicht auf Reisen gehen und ergänzt werden um weitere Stonewall-Momente. Die Ausstellung solle, sagt Birgit Bosold, "das Revoltenhafte" einfangen. Sie zeigt auch die Kraft und den Zauber, die es hat, wenn Menschen ihr Leben in die eigene Hand nehmen, weil es nicht in Frage kommt, klein beizugeben.

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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