Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Stauffenberg in Stammheim

Wie verändern Filme über den Holocaust oder die RAF unser Geschichtsbild? Eine Ausstellung in Bonn widmet sich der Inszenierung und Dramatisierung von deutscher Geschichte in Kino und Fernsehen.

Von Sofia Glasl

"Es war einmal ein Land, und ich hab' dort gelebt. Wenn man mich fragt, wie's war: Es war die schönste Zeit meines Lebens, denn ich war jung und verliebt."

Micha Ehrenreich lebte in der DDR, Politik war ihm schnuppe, denn er war damit beschäftigt, sich West-Musik zu beschaffen, um Mädchen zu beeindrucken. So war das. Wirklich? Zumindest behauptete das der Film "Sonnenallee" zehn Jahre nach dem Fall der Mauer und löste damit eine Ostalgie-Welle aus. "Helden wie wir" und "Good Bye, Lenin!" folgten. Die drei Filme waren die ersten über die DDR, die ein breites Publikum erreichten, da war es zweitrangig, dass sie den Osten verklärten.

Filme haben schon immer historische Stoffe aufgegriffen, und die Frage nach ihrer Authentizität stand auch schon immer im Raum. Doch betrachtet man geschichtsträchtige Filme mit zeitlichem Abstand, wird schnell klar: Sie sind auch immer ein Spiegel ihrer eigenen Zeit und des darin vorherrschenden Geschichtsbilds. In diesem Spannungsfeld aus Geschichtsdarstellung und Teilhabe an der eigenen Zeitgeschichte bewegt sich die Ausstellung "Inszeniert. Deutsche Geschichte im Spielfilm", die noch bis 15. Januar 2017 im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen ist.

In sieben Segmenten wird die deutsche Geschichte vom Zweiten Weltkrieg an betrachtet: Holocaust, Widerstand, Zweiter Weltkrieg, Flucht und Vertreibung, Wirtschaftswunder, RAF und DDR bilden die Eckpunkte. In jedem Segment wird ein Hauptfilm näher beleuchtet und mit seiner Entstehungsgeschichte in Beziehung gesetzt. Kurator Christian Peters stellt im Vorwort des Ausstellungskatalogs folgende These in den Raum: Immer mehr Menschen, vor allem Jugendliche, beziehen ihr geschichtliches Wissen aus Film und Fernsehen und reflektierten dabei nicht, was Fakt und was Fiktion ist. Anhand der sieben Stationen wird dies überprüft: Wie wird Geschichte dramaturgisch und ästhetisch bearbeitet, und welche Informationen kommen beim Zuschauer wie an? Hatte der Film Auswirkungen auf gesellschaftspolitische Diskurse?

Der erste Abschnitt löst diesen Auftrag anschaulich ein. Die 1979 in Deutschland ausgestrahlte amerikanische Mini-Serie "Holocaust" markiert hier einen wichtigen Wendepunkt im Umgang mit den Naziverbrechen, sowohl filmgeschichtlich als auch gesellschaftlich. Denn wurde die industrielle Vernichtung der Juden zuvor im deutschen Film immer vorsichtig umschifft, benannte die Serie sie nicht nur, sondern stellte sie auch explizit dar.

Der Sender WDR wurde mit Zuschriften überhäuft, die Bestürzung der Zuschauer war enorm. Sämtliche Briefe und Telefonnotizen sind noch erhalten und können in der Ausstellung gesichtet werden.

Ähnlich aufschlussreich wird der Widerstand gegen den Nationalsozialismus aufbereitet. Besonders der Wandel in der Darstellung von Stauffenberg und dessen Rolle beim versuchten Hitler-Attentat 1944 spiegelt den Wandel des gesellschaftlichen Blicks. Zudem wird in einem Exkurs die Beraterrolle von Historikern bei Filmproduktionen beleuchtet. Ein hitziger Briefwechsel zwischen dem Historiker Peter Hoffmann und Jo Baier, dem Regisseur des Fernsehfilms "Stauffenberg", verdeutlicht das Ringen zwischen wissenschaftlicher Exaktheit und dramaturgischem Eingriff.

Jedoch steht dieser Zwist auch exemplarisch für unterschiedliche Auffassungen von "richtiger" Darstellung: Geschichtsschreibung und Narration sind die beiden Pole, und hier kann sich die Ausstellung nicht so recht entscheiden, was sie denn will. Die Befürchtung, das Publikum hinterfrage die filmische Bearbeitung von Geschichte nicht und verwechsle Spielfilme mit historischen Quellen, ist sicher berechtigt. Zumal die Filmbilder einen Fotorealismus vermitteln, der selten gegeben ist. Kriegsfilm ist nicht gleich Kriegsberichterstattung. Die gezeigten Exponate lassen diese Trennung immer wieder verschwimmen. Die Uniform, die Tom Cruise als Stauffenberg in "Operation Walküre" trug, wird hier genauso ausgestellt wie eine originale Stammheim-Zelleneinrichtung, die im "Baader Meinhof Komplex" verwendet wurde. Wie diese Requisiten in das jeweilige Narrativ eingebunden werden, welcher Grad der Authentizität dadurch vorgegaukelt wird, das bleibt unerzählt und macht die Stücke zur bloßen Deko. Doch müsste nicht reflektiert werden, dass auch Geschichtsschreibung ein narrativer Vorgang ist, der wie jede andere Erzählform eine nachträgliche (Re)Konstruktion mit sich bringt? Das Medium Film wird hier hauptsächlich an der Handlung gemessen, aber gerade wenn es um die Publikumswirkung geht, sollten auch die filmästhetischen Mittel der Zuschauerlenkung miteinbezogen werden, um die dramaturgischen Eingriffe und Verschiebungen, die zu einer bestimmten Perspektivierung führen können, zu verdeutlichen.

Inszeniert. Deutsche Geschichte im Spielfilm. Haus der Geschichte Bonn. Bis 17. Januar. Katalog 19,90 Euro, 248 Seiten.

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Quelle:
SZ vom 25.08.2016
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