Ausstellung:Schritte aus dem Schutzraum

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Die Akademie-Debütanten stellen sich im Haus der Kunst vor

Von Evelyn Vogel, München

Dass sie ihren schützenden Elfenbeinturm nicht verlassen würden oder nur darauf warteten, dass sie von Profis entdeckt und vermarktet werden, kann man den Studierenden an den Kunstakademien des Landes längst nicht mehr nachsagen. Noch während ihres Studiums finden viele von ihnen Mittel und Wege, um ihre Arbeiten einer interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren, und zwar nicht nur innerhalb der Akademien, sondern auch außerhalb. Die Münchner Kunstakademie unterstützt dies nach Kräften. So ist es nur konsequent, dass auch die Debütanten-Ausstellungen der Absolventen seit einiger Zeit außerhalb der Akademie ihr Publikum finden sollen.

Nun schon zum dritten Mal präsentieren sich die ausgezeichneten Absolventen der Akademie aus dem Staatsexamen und dem Diplom Freie Kunst im öffentlichen Raum. Nach den Debütanten-Ausstellungen in der Lothringer-13-Halle (2017) und dem Mixed Munich Art (2018) dürfen sie sich in diesem Jahr an einem besonderen musealen Ort vorstellen: im Haus der Kunst. Im Westflügel des Hauses bespielen die zehn jungen Künstler mit ihren Arbeiten die Räume und stellen sich mit zum Teil ortsbezogenen Arbeiten der besonderen Geschichte des Ausstellungshauses.

Das Künstlerduo Mehmet & Kazim hat der Ausstellung das farbintensivste Moment beschert. (Foto: Maria Leonardo)

Eine kühle und fast spröde, aber eine der intensivsten Auseinandersetzungen mit dem Raum und mit Erinnerungskultur im Hinblick auf die nationalsozialistische Vergangenheit des Hauses hat Dominik Bais in Zusammenarbeit mit Eric Maget abgeliefert. Mithilfe verschiedener Objekte, die vorhandene Baumaterialien und Formen in einer Rauminstallation aufnehmen, weiterführen und variieren und dabei auf Architektur und Ästhetik des Nazi-Baus eingehen, stellt er sich und dem Betrachter die Frage: "Wo ist der Haken?" Eine ähnliche Frage könnte man beim Betrachten der Arbeit von Selina Pürgstein stellen. Sie nimmt minimale Interventionen im und am Raum vor und zwingt den Betrachter dadurch zum genauen Hinsehen: Entstanden sind Soll-Bruchstellen im Hinblick auf die Nazi-Architektur.

Das Museum als Ort in seiner Gesamtheit hinterfragt Ryohei Kan mit seiner Video-Arbeit, in der er optisch und akustisch einen unendlichen White-Cube begehbar inszeniert, was im krassen Gegensatz zur Ausstellungsarchitektur des Hauses der Kunst steht. Andere Arbeiten, die sich weniger explizit mit dem Ausstellungsraum auseinandersetzen, verfolgen einen kritischen und konzeptuellen Ansatz, so Bianca Patricia Isensee mit ihrer Malerei und Jangwoo You mit seiner Dokumentation einer Tanzperformance - bei beiden spielen Schriften und Schrift an sich eine wesentliche Rolle. Mit der Materialität von Malerei beschäftigt sich Marco Stanke in seiner Rauminstallation im Mittelbereich.

Mit Texten zu Frieden und Menschenrechten, die sie optisch verfremdet, arbeitet Bianca Patricia Isensee in ihren Bildern. (Foto: Maria Leonardo)

Flachware mit 3-D-Anmutung schafft Charlotte Giacobbi mit ihren Bildern, die mehr Objekte als Gemälde zu sein scheinen. Die Fragilität von Schmuck treibt Naama Bergman mit ihren Objekten aus Salz auf die Spitze und hat zudem eine ausnehmend schöne Präsentation in Sand geschaffen. An der Schnittstelle zwischen Malerei, Graffiti, Video und Hip-Hop arbeitet das Duo Mehmet & Kazim und beschert der Ausstellung den farbintensivsten Raum-Moment. Und in Sachen Akustik setzt Kalas Liebfried das größte Ausrufezeichen - der Anblick verschiedener klassischer Gitarrenverstärker und der Sony Discmans dürfte in jedem Fall die Herzen von Retro-Fans höher schlagen lassen.

Auch wenn keine der Arbeiten extrem laut auf den Putz haut oder sich revolutionär gebärdet, so zeigt die Debütanten-Schau alles in allem eine Vielzahl interessanter künstlerischer Positionen, die eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass die Akademie-Absolventen auch außerhalb ihres geschützten Raums durchaus bestehen können.

Die Debütanten der Münchner Kunstakademie zu Gast im Haus der Kunst, Westflügel, Prinzregentenstraße 1, täglich 10-20 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr

© SZ vom 24.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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