Ausstellung:Schrecken und Schönheit

Als überzeugter Pazifist hat der Maler Willy Jaeckel schon früh die Gräuel des Ersten Weltkriegs in seinen Bildern thematisiert. Das Museum Moderner Kunst in Passau zeigt nun 90 seiner Arbeiten, darunter auch Porträts

Von Sabine Reithmaier

Berlin war weiblich. Jedenfalls für den Maler Willy Jaeckel. Elegant und kühl, gelegentlich auch mit leichter Skepsis blicken die Frauen der Zwanzigerjahre selbstbewusst aus ihren Rahmen, egal ob es sich um Leni Riefenstahl, eine unbekannte Amerikanerin oder Jaeckels Ehefrau handelt. Doch die Porträts zeigen nur die eine Seite des Malers, an den das Museum Moderner Kunst in Passau derzeit erinnert. Insgesamt 90 Gemälde, Pastelle, Zeichnungen und Lithografien aus allen Schaffensperioden geben einen Einblick in das vielseitige Werk eines Künstlers, der, zumindest in Bayern, ziemlich selten zu sehen ist.

Als freiberuflicher Künstler zu arbeiten begonnen hatte der 1888 geborene, aus bescheidenen Verhältnissen stammende Breslauer erst zwei Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Eigentlich wäre er nach seinem Studium an der Akademie in Dresden auch liebend gerne in die USA ausgewandert; das Vorhaben scheiterte aber an seiner schwachen Gesundheit, er zog nach Berlin. Verblüffend ist, wie früh Jaeckel sich kritisch mit dem Krieg auseinandersetzt. Noch im ersten Kriegsjahr, als ein Franz Marc noch von der Reinigung durch den Krieg schwätzte und Otto Dix als Schütze diente, begann der überzeugte Pazifist, als Kartenzeichner an der Front eingesetzt, mit seinem Zyklus "Memento". In einem starkem Hell-Dunkel-Kontrast bannt er seine Eindrücke in erschütternden Lithografien.

Ausstellung: Die selbstbewusste "Dame in Gelb" malte Willy Jaeckel 1928.

Die selbstbewusste "Dame in Gelb" malte Willy Jaeckel 1928.

(Foto: MMK Passau)

Da vergewaltigen verzweifelt aggressive, sich gegenseitig anfeuernde Soldaten eine Frau; da blickt ein Kind, gekauert an seine tote, entblößte Mutter, dem Betrachter mit blankem Entsetzen entgegen; da explodieren Granaten und zerfetzen Menschenleiber - die schrecklichen, an Goya erinnernden Inszenierungen veranschaulichen unerbittlich, was Krieg bedeutet und wie sehr diese Gräuel den Menschen deformieren. Nicht einmal das Pietà-Motiv, in dem der Zyklus gipfelt, erlaubt angesichts der völlig verdrehten Gliedmaßen des toten Sohns den Gedanken an Erlösung.

Willy Jaeckel zog sich 1919 mit seiner Familie nach Gunzesried im Allgäu zurück und machte sich daran, seine kriegsbedingten Traumata aufzuarbeiten. Er begann sich intensiv mit der Bibel, aber auch mit fernöstlichen Religionen zu beschäftigen und machte sich an eine illustrierte Neuübertragung der Bibel. An Sendungsbewusstsein mangelte es ihm jedenfalls nicht. Er schuf mehr als 200 Blätter, sah dieses Opus auch in späteren Jahren als sein Hauptwerk an. Die Passauer Ausstellung spart Jaeckels spirituelle Kunst weitgehend aus, widmet sich intensiv dem "Frauenversteher" und Landschaftsmaler.

Nach seiner Rückkehr nach Berlin in den Zwanzigerjahren avancierte das Mitglied der Berliner Sezession rasch zum gefragten Porträtmaler. Wer es sich leisten konnte, ließ sich von dem Professor der Staatlichen Kunsthochschule porträtieren, seine Atelierfeste galten als gesellschaftliche Ereignisse. Die Gemälde, die zwischen Expression und Neuer Sachlichkeit changieren, wirken auch nicht angestaubt im Gegensatz zu manchen großformatigen Paarszenen, die an Ferdinand Hodlers pathetisch-heroische Figuren denken lassen. Das gilt auch für den reichlich symbolisch aufgeladenen "Pflüger am Abend", den Jaeckel 1939 malte und gegen den die Nationalsozialisten nur schwer was einwenden konnten. Dann lieber seine mit altmeisterlicher Perfektion gestalteten Akte und die lichtdurchfluteten, gelegentlich ein wenig ins Abstrakte tendierenden Landschaften.

Den Zweiten Weltkrieg überlebte Jaeckel nicht. Er starb im Januar 1944 in Berlin unter den Trümmern eines zerbombten Hauses.

Willy Jaeckel. Ein fast vergessener Künstler; bis 5. Feb., Museum Moderner Kunst, Passau

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