Ausstellung:Rot wie Blut

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Gezeichnet fürs Leben: Der Maler Walter Raum verarbeitet in den Wund-Bildern, hier "Kopf", seine inneren Wunden aus dem Zweiten Weltkrieg. (Foto: Edwin Kunz)

Die Katholische Akademie zeigt Walter Raums "Wund-Bilder" aus dem Jahr 1983. Parallel dazu erscheint eine Ausgabe von Wolfgang Borcherts Drama "Draußen vor der Tür" mit seinen Werken

Von Sabine Reithmaier

Jedes Bild ein Lebenszeichen. Der Maler Walter Raum hat nie verhehlt, dass er in seinen Bildern persönliche Erfahrungen verhandelte, sich mit ihnen gegenüber einer Welt behauptete, die täglich über ihn hereinbrach und der er sich nur zeichnend und malend zu erwehren wusste. Und damit auch eine Antwort gab auf die ihn ständig quälende Frage "Wozu das alles?"

Seine Bilder entstanden intuitiv, wie er 2003 schrieb, entsprechend einer zum Zeitpunkt des Entstehens in ihm vorhandenen Grundstimmung. Die Serie "Wund-Bilder" stammt aus dem Jahr 1983, Raum verarbeitete darin seine Kriegserfahrungen. Oder genauer gesagt seine inneren Verletzungen. In wenigen Monaten schuf er an die 100 Arbeiten (Akryl auf Papier), meist in einem Format von 70 auf 100 Zentimeter. Eine Auswahl ist nun in der Katholischen Akademie zu sehen.

Walter Raum (1923 - 2009) malte fast immer in Serien; in den "Atelierbildern" thematisierte er die Einsamkeit und die Ohnmacht des Malers, in den "Zeitungsbildern" setzte er sich mit der Informationsflut auseinander. Dass nun die "Wund-Bilder" gezeigt werden, ist eine ganz persönliche Entscheidung von Raums Sohn Tobias. Sein Vater redete nie über seine Kriegserlebnisse. Doch irgendwann drückte er dem Sohn mit den Worten "Lies das!" Wolfgang Borcherts Drama "Draußen vor der Tür" in die Hand. Mit der Spätfolge, dass Tobias Raum, parallel zur Ausstellung, gemeinsam mit dem Fotografen Edwin Kunz den Maler und den Dichter in einem Buch zusammengebracht, zu Borcherts Drama die Bilder seines Vater gestellt hat. Kein Katalog im klassischen Sinn, aber ein gut gemachter Band, den man gern in die Hand nimmt.

Freilich entfalten darin die Bilder Raums nicht ihre volle Wirkung, dafür ist das Format zu klein und als Textillustration sind sie einfach nicht gedacht. Deshalb ist es gut, dass es die Ausstellung in der Katholischen Akademie gibt, in der man die Wucht der Raumschen Bilder unmittelbar spürt. Die Assoziation eines Kreuzwegs liegt nahe, wenn man im großen Saal an den schwarzen Bildern mit den verwundeten Köpfen und Körpern vorbeigeht direkt auf ein helles, rotes Triptychon zu. So könnte Erlösung aussehen.

Geboren 1923 in Hersbruck, absolvierte Raum erst eine Lehre als Dekorationsmaler. Nach dem Krieg begann er Malerei zu studieren an den Kunstakademien in Nürnberg, Karlsruhe und München. Unzufrieden war er mit allen. Er malt gegenständlich, bis er eines Tages in eine Tachismus-Ausstellung gerät und über Nacht beginnt, abstrakt zu malen. 1958 ist er bereits auf der Biennale in Venedig vertreten. Gerade 34 Jahre alt, zählte er zu den vielversprechenden Künstlern seiner Generation. Aber Raum, inzwischen in Achmühle (Eurasburg) lebend, gab sich damit nicht zufrieden. Nach Jahren der völligen Abstraktion kehren gerade noch erkennbare Gegenstände in die Bilder zurück: Tische, Kreuze, Köpfe, Körper.

Auch wenn sich Raum und Borchert nie begegneten, sind die Parallelen in ihren Lebensläufen offensichtlich: Wie Borchert wurde Raum 1941 zum Kriegsdienst eingezogen, der Maler war 17, der Schriftsteller 20 Jahre alt. Beide trugen Verwundungen davon, Borchert so schwerwiegende, dass er an deren Folgen 1947 starb. Die tägliche Gewalt, die maßlosen Verletzungen, das sinnlose Sterben, die Rückkehr in ein versehrtes Land - diese Erfahrungen prägten sie. "Selbst wenn man das nach Jahrzehnten innerlich abgelegt hat, geht das nie aus einem raus, das verschwindet nicht", sagte Raum in einem Interview. Und so schuf er Körper, durchbohrt, gefesselt, verkrümmt, verwundet, alles sehr reduziert, überwiegend in Schwarz, Weiß oder Grau gehalten, durchbrochen von Blutrot. Existenzielle Grunderfahrungen, die nichts von ihrer Kraft und Aktualität eingebüßt haben.

Walter Raum: Wund-Bilder , läuft noch bis zum 17. April, Mo. bis Fr., 9 bis 17 Uhr, Katholische Akademie, Mandelstraße 23; Wolfgang Borchert: Draußen vor der Tür - Walter Raum: Wund-Bilder , Edwin Kunz Editionen, 29,90 Euro

© SZ vom 30.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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