Ausstellung:Maler und Modell

Frauen um Kirchner Aschaffenburg

Die maßgebliche weibliche Bezugsperson der frühen Jahre: Doris Große. Hier 1908 von Kirchner als "Kopf Dodo" gezeichnet.

(Foto: Privatsammlung Deutschland)

Eine Ausstellung in Aschaffenburg zeigt, welchen Einfluss die Frauen seines Lebens auf das Werk Ernst Ludwig Kirchners hatten

Von Florian Welle

Seit der Eröffnung der Ausstellungsräume im Erdgeschoss des Kirchnerhauses hat der Verein "Kirchnerhaus Aschaffenburg" schon einige Facetten des Jahrhundertkünstlers auf stupende Weise anschaulich gemacht. Zum Einstand im vergangenen Herbst gab es "Originale aus Privatbesitz" zu sehen, dann erhielt man unter anderem "Brücke"-Besuch aus der Schweiz und konnte Papierarbeiten von Erich Heckel bis Karl Schmidt-Rottluff studieren. Nun widmet man sich den "Frauen um Kirchner". In rund 50 Zeichnungen, Holzschnitten und Fotografien beleuchtet die Kabinettausstellung einen der zentralen Aspekte im Leben und Werk Ernst Ludwig Kirchners. Darüber hinaus lädt sie dazu ein, generell nachzudenken über das Verhältnis von Maler und Modell und die Frage, die der Kirchner-Experte Gerd Presler im Katalog stellt: "Haben Modelle Anteile am schöpferischen Prozess?"

Die Liste von Kirchners Musen ist lang. Was nicht verwundert, beschwört er doch noch im Skizzenbuch der Schweizer Jahre den "Duft der Frauen, als ich im Kinderwagen lag". Bei aller Selbststilisierung ist dies ein bemerkenswert beredter Eintrag. Er bringt die Bedeutung der Frauen für Kirchner auf den Punkt. Sieht man einmal von den vielen anonym gebliebenen Tänzerinnen ab, die Kirchner in schnell dahingeworfenen Zeichnungen verewigte, wie in dem wegen seiner betonten Lässigkeit äußerst charmanten Blatt "Liegende, auf Drahtseil rauchend" (um 1912), ist die maßgebliche weibliche Bezugsperson der frühen Jahre Doris "Dodo" Große. Kirchner traf die 19-Jährige wohl schon um 1903 in Dresden, und sie blieb bis zum Weggang des Künstlers nach Berlin 1911 an seiner Seite.

Die Ausstellung zeigt eine Fotografie der beiden. Kirchner blickt fordernd in die Kamera, während Dodo im Halbprofil zu sehen ist. Eine gute Gelegenheit, ihre ebenso zarten wie markanten Gesichtszüge zu studieren und dann auf dem ausdrucksstarken Pastell "Kopf Dodo" von 1908 oder der zwei Jahre später entstandenen Tusche "Doris Große" zu vergleichen, wie Kirchner ihre längliche Nase, den feinen Mund und die ausgeprägte Kinnpartie herausarbeitet.

Weitere Lieblingsmodelle aus Kirchners "Brücke"-Zeit waren Fränzi Fehrmann und Marcella Sprentzel. Von letzterer kennt man erst seit den Nachforschungen von Gerd Presler den Nachnamen und manch biografisches Detail. Inspirierte Kirchner die Unbekümmertheit der gerade einmal achtjährigen Fränzi zu Bewegungsstudien jenseits der akademischen Aktmalerei, zeigen seine Arbeiten Marcella am Übergang vom Mädchen zur Frau. Über sie schreibt Kirchner in einem Brief von 1910 im Ton der Zeit: "Es liegt ein großer Reiz in einem solchen reinen Weibe. Vielleicht ist manches bei ihr fertiger als bei den reiferen und verkümmert wieder." 1911 traten die Geschwister Gerda und Erna Schilling in sein Leben und wurden bevorzugte Modelle: Die Tänzerinnen verkörperten für ihn den Prototyp der modernen Frau. Es entspann sich eine Ménage-à-trois, die erst vier Jahre später, mit dem Weggang Gerdas, ihr Ende fand. Erna hingegen wird mit dem nervlich zerrütteten Kirchner 1918 in die Schweiz gehen und dort mit ihm bis zu seinem Tod 1938 leben.

Die eindrücklichsten Porträts der Ausstellung sind die von Erna, auch wenn mit den Kreidearbeiten "Bildnis Esther Hanfler", der mondänen Hausdame des Paars, Leihgaben aus dem Frankfurter Städel Museum hängen, die noch nie zuvor öffentlich zu sehen waren. So zeigt die Bleistiftzeichnung "Erna bei der Strickarbeit" von 1936 eine traurig in sich gekehrte Frau, der förmlich ins Gesicht geschrieben steht, was es hieß, mit Kirchner fernab der Großstadt unverheiratet und einsam auf dem Berg zusammenzuleben. Ein Leben, das sicher nicht einfacher wurde durch das zeitweise Beisammensein mit anderen Modellen wie Nina Hard oder Elisabeth Hembus.

Frauen um Kirchner. Zeichnung, Graphik, Fotografie. Kirchnerhaus, Ludwigstraße 19, Aschaffenburg; Di., Do., Fr. 14 - 17 Uhr, Mi., 16 - 19 Uhr, Sa., So., 11 - 17 Uhr; bis 22. Januar

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