Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Lothar Müller

Von Lothar Müller

Kann Schrift laut sein? Kann sie schnell sein? Unbedingt, meinten die italienischen Futuristen. Die Schlagzeilen und Balkenüberschriften hatten es ihnen angetan, die riesigen Reklamen an den Hauswänden. In ihren Manifesten kamen die Buchstaben aus Megafontrichtern. Gern betrieben die Avantgardebewegungen Reklame für sich selbst. Sie nutzten dafür Buch und Broschüre, Plakat und Anzeige, Fotografie und Film und nicht zuletzt die Ausstellung.

In der Berliner Kunstbibliothek ist derzeit im Rahmen des Bauhaus- Jubiläums ein reizvolles Beispiel zu sehen, eine Rekonstruktion der Ausstellung "Wohin geht die typografische Entwicklung?", die der aus Ungarn stammende Maler, Fotograf, Typograf und Bühnenbildner László Moholy-Nagy im Frühjahr 1929 zusammenstellte. Alle 78 Text- und Bildtafeln der Ausstellung, die im Martin-Gropius-Bau gezeigt wurde, hat er der Staatlichen Kunstbibliothek geschenkt.

In programmatischer Kleinschreibung - sie war als Instrument der Beschleunigung des Schreibens gedacht - verkünden die Schreibmaschinenbuchstaben, dass die Typografie aus dem Zeitalter des Setzens herausgetreten ist. Aus dem Setzer wird der "Monteur des Druckmodells", der alle möglichen Schrift- und Bildelementen auf einer Seite versammelt und davon ein "Typo-Foto" erstellt, das zur Vorlage einer Druckplatte wird.

Auf den französischen Dichter Guillaume Apollinaire und die Futuristen beruft sich Moholy-Nagy bei der Aufsprengung des Zeilenbandes. Sehr schön ist zu sehen, wie - etwa in den Bauhaus-Büchern - die Experimente mit Vertikalen, Keilen, Winkeln, roter und schwarzer Farbe zugleich dem Imperativ der Standardisierung folgen, den industriellen DIN-Normen.

Flankiert werden Moholy-Nagys Text- und Bildtafeln durch Filmplakate, Einladungskarten, Vordrucke, Buchumschläge, Geschäftsformulare von Herbert Bayer, Willi Baumeister, Kurt Schwitters, Jan Tschichold und anderen. Wie die Parfümreklame gehört die Biersteuer-Erklärung zu den Visitenkarten der "Neuen Typografie".

László Moholy-Nagy und die neue Typografie. Bis 15. September. Kunstbibliothek Berlin, Kulturforum.

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Quelle:
SZ vom 31.08.2019
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