Ausstellung:Kindliche Perspektive

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Seit zehn Jahren gibt es den Kinderfotopreis München und Oberbayern. Von Mittwoch an werden im Gasteig aktuelle und ehemalige Preisträger vorgestellt

Von Barbara Hordych

Schon die Allerjüngsten probieren heutzutage selbstverständlich Medien aus - sie schauen Fernsehen, hören Radio oder nutzen das Internet für Spiele. Das ist ein meist passiv erlebter Medienkonsum, denn aktiv treten die Kinder dabei eher selten in Erscheinung. Anders hingegen verhält es sich beim Umgang mit einem Fotoapparat, denn der erlaubt es dem Fotografierenden, die mediale Umwelt selbst mitzugestalten. Egal ob im familiären Umfeld oder unter medienpädagogischer Anleitung in Kindergärten, Schulen und Freizeiteinrichtungen - die Fotografie erlebt derzeit durch die Digitalisierung einen regelrechten Boom. Mit welcher Begeisterung und spielerischen Neugier bereits Kinder im Vorschulalter die Fotografie als Ausdrucksmittel nutzen, belegen jedes Jahr die Einreichungen zum Kinderfotopreis München und Oberbayern, den das Medienzentrum München gemeinsam mit dem Bezirksjugendring Oberbayern veranstaltet. Dieses Jahr stand der Wettbewerb für Kinder von drei bis zwölf Jahren unter dem Motto "Was ist denn hier los?" - die Preisträger 2015 werden an diesem Mittwoch im Gasteig ausgezeichnet.

"Wir hatten wieder aus rund 500 Einsendungen auszuwählen", sagt Kathrin Demmler, die Direktorin des Münchner Medienzentrums am JFF - Institut für Medienpädagogik. Vor zehn Jahren wurde der "Kinderfotopreis" ins Leben gerufen. Die Idee entstand bei "Netzwerk Interaktiv", einem Treffen aller Institutionen im Raum München, die Veranstaltungen mit Kindern und Medien anbieten. "Wir wollten auf die technische Entwicklung der Digitalisierung reagieren", sagt Demmler. Die meisten Kinder und Jugendlichen besäßen mittlerweile eigene Kameras und Fotohandys oder nutzten die ihrer Eltern. Seit 2010 richtet das Medienzentrum den Wettbewerb gemeinsam mit dem Bezirksjugendring Oberbayern aus. "Diese Ausweitung ist uns sehr wichtig, damit auch Kinder aus ländlichen Regionen die Möglichkeit haben, teilzunehmen", sagt Demmler. Das Konzept haben mittlerweile auch Städte wie Augsburg, Bamberg und Wien übernommen. Insgesamt haben bislang mehr als 10 000 junge Fotografinnen und Fotografen teilgenommen. Damit gehört der Wettbewerb bundesweit zu den bedeutendsten Veranstaltungen seiner Art.

"Wichtig ist uns natürlich, dass die Fotos von den Kindern selbst gemacht wurden", sagt Demmler. Meistens erkennen es die Juroren recht schnell, wenn die Bilder nicht aus der Kinderperspektive stammen. "Wir achten auf authentische Blickwinkel und Bildgegenstände", sagt Demmler. Etwa die Hälfte der Einsendungen komme aus einem "pädagogischen Kontext" wie Kindergärten, Schulen und Horten. Die andere Hälfte seien individuelle Einreichungen - Fotos, die im persönlichen Lebensumfeld oder bei Familienausflügen entstanden sind: "Die zeigen die Puppenecke zu Hause, das Kuscheltier, oder auch Motive in der Natur, wie Libellen in Nahaufnahme oder Pusteblumen von unten", sagt Demmler.

In diesem Jahr gab es erstmals ein gemeinsames Projekt der Refugio Kunstwerkstatt und des Medienzentrums München: Rund 50 Kinder aus Flüchtlingsunterkünften in der Landsberger und Kronwinkler Straße sowie in Langwied haben sich an dem Fotowettbewerb beteiligt. Betreut von Mitarbeitern beider Institutionen unternahmen die Kinder Ausflüge in ihre neue Umgebung und hielten ihre Entdeckungen mit der Kamera fest. "Interessanterweise sind die Bilder, die auf diesen Fotosafaris entstanden sind, gar nicht so anders als die Bilder, die von Kindern hiesiger Familien eingeschickt wurden", sagt Demmler. "Puppen, Tiere und das Eis im Kühlregal faszinieren eben alle Kinder." Unterschiede gab es eher im Organisatorischen zu beachten. Um eine erste Hürde zu nehmen, stellte das Medienzentrum den teilnehmenden Kindern leihweise Kameras zur Verfügung. "Wir verfügen über einen Bestand von 50 Fotoapparaten, die wir an Kindergartengruppen für medienpädagogische Projekte abgeben können."

Die Fotosafaris führten in Parks und Einkaufszentren, die Mitarbeiter des Medienzentrums und von Refugio waren immer dabei. Schließlich sind die Flüchtlingskinder nicht "kindergartentrainiert", sagt Demmler. "In unseren Kitas ist es ja so, dass in dem Moment, wenn die Tür aufgeht, 22 Kinder in der Reihe stehen." Das könne man bei den Flüchtlingskindern natürlich nicht voraussetzen. Dass deren Eltern überhaupt die Erlaubnis gaben, ihre Kinder auf die Ausflüge mitzunehmen, "war nur möglich, weil ich die Familien durch meine Arbeit bei Refugio schon länger kenne", sagt die Pädagogin Verena Wilkesmann.

Die so entstandenen, ganz besonderen Fotos sind derzeit bereits in einer eigenen Ausstellung in der Werkstattgalerie in der Pasinger Fabrik zu sehen. Was natürlich nicht heißt, dass die Organisatoren nicht doch noch auf einen Preis für "ihre" Kinder an diesem Mittwoch im Gasteig hoffen. Ein Trost für all jene, die nicht zu den Preisträgern gehören: Zum feierlichen Empfang im Carl-Orff-Saal sind nicht nur alle Teilnehmer eingeladen, sondern es sind auch alle eingeschickten Fotos vor dem Saal in einer Ausstellung zu sehen. Die wandert anschließend in die Münchner Stadtbibliothek und wird später als "Best-Off-Ausstellung" an weiteren Orten zu sehen sein.

Kinderfotopreis 2015 , Vernissage, Preisverleihung und Jubiläumsempfang, Mittwoch, 17. Juni, 15 Uhr, Gasteig, Carl-Orff-Saal, Rosenheimer Str. 5

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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