Ausstellung:Intim im Team

Vierzehn Münchner Künstler bespielen auch dieses Jahr wieder ausgewählte Zimmer im Hotel Mariandl

Von Jürgen Moises

Seit 19 Jahren gibt das Hotel Mariandl mittlerweile seine "Zimmer frei", damit dort eine Woche nach dem Münchner Oktoberfest sechs Tage lang die Kunst einziehen kann. Das heißt, junge Künstler bekommen von den Hotelbesitzern Josef Bachmaier und Rudi Baier die Erlaubnis, in ausgesuchten Zimmern über zwei Etagen künstlerisch zu wirken. Sie können Gemälde, Skulpturen und Videoarbeiten dort installieren. Oder mit den kompletten Räumen arbeiten, die mit ihren Parkettfußböden, Stuckdecken, antiken Schreibtischen, Kleiderschränken, Kommoden und gusseisernen Badewannen einen gewissen Bohemien-Charme verbreiten. Tatsächlich ist das Eintauchen in diese Räume jedes Jahr mit das Spannendste an dem Kunstprojekt, das Mehmet Dayi vom Kulturreferat München im Jahr 2000 initiiert hat und das er seitdem kuratorisch leitet.

Insgesamt 14 Künstler wurden in diesem Jahr von ihm eingeladen, von denen die meisten wieder von der Münchner Akademie der Bildenden Künste stammen. "Alles wandelt sich", "Wir sind nur Betrachter" oder "Kissing Cousins Headquarters" heißen unter anderem die Titel oder Mottos, die über ihren Arbeiten stehen. Oder "Konferenz der Stühle", wie Ivan Baschang seine Auseinandersetzung mit "100 Jahre Bauhaus" nennt. Baschang hat laut Ankündigung seines Projekts über die Einrichtung von Zimmer 15 einen riesigen, alten Konferenztisch gestülpt und darum herum Stühle aus den Zwanziger- bis Achtzigerjahren gestapelt. Ein "Parlament der Dinge", das ist die Assoziation, die er damit verknüpft. Über was werden die Dinge dort reden? Über sich selbst, die Menschen, über das Bauhaus?

Ausstellung: Wie der Betrachter zum Voyeur wird, zeigt der Holzbildhauer Philipp Lier im Zimmer 12 des Hotels Mariandl.

Wie der Betrachter zum Voyeur wird, zeigt der Holzbildhauer Philipp Lier im Zimmer 12 des Hotels Mariandl.

(Foto: Hotel Mariandl)

Katarina Sopcic und Klaudia Kolaric geben mit verschiedenen Definitionen des Wortes "some [WHERE]" nur vage Hinweise, was in ihrem gemeinsamen Raum passieren wird. Ähnlich ist es bei Esther Zahel, die ihre Arbeit mit "Ach könnt ich dich noch einmal mal so lieben" überschreibt und in Form von Gemälden, Zeichnungen und Installationen dazu einlädt, einen Kosmos "voller Sehnsüchte, Träume" zu erkunden. Hyojoo Jang schreibt davon, dass sie Gemälde mit einem Küchenmesser häutet. Und die Bühnenbild-Studentin Cordula Schieri hat eine Raum-Situation geschaffen, die von Jules Vernes Roman "Das grüne Leuchten" inspiriert ist. Gemeint ist mit dem Titel die Erscheinung, "die beim letzten Sonnenstrahl entsteht, wenn der Himmel ohne Nebel und vollkommen klar ist".

Jie Li präsentiert handgemachte Pflanzen aus Papier, bemalt mit chinesischer Tusche und von speziellen Lampen im Zimmer beleuchtet. Und Nataliya Borushchak hat aus Stoffen und deren feinen, rhythmischen Bewegungen großflächige, gegenstandslose Gebilde kreiert. Mehmet und Kazim Akal treten in ihrer inzwischen schon vertrauten Rolle als "Kissing Cousins" auf, in der sie bisher unter anderem Filme und ein gemeinsames Magazin gemacht haben. Im Mariandl inszenieren sie sich nun als Superhelden, die über die "flauschige Macht der Liebe" verfügen. Philipp Lier lotet in seiner Installation die fließenden Grenzen zwischen Betrachter und Voyeur aus. Und Kazuyo Yabuuchi thematisiert die trügerische Intimsphäre, die in einem Hotelzimmer als fremden Raum entstehen kann, den man für kurze Zeit wie einen Privatraum bewohnt.

Ausstellung: "Ach könnt ich dich noch einmal mal so lieben" hat Esther Zahel ihre Arbeit in Zimmer 14 genannt.

"Ach könnt ich dich noch einmal mal so lieben" hat Esther Zahel ihre Arbeit in Zimmer 14 genannt.

(Foto: Hotel Mariandl)

Dieser seltsame Zwischenzustand zwischen halböffentlich und halbprivat, zwischen Intimität und Fremdheit ist nicht zuletzt auch ein Grund dafür, warum Hotels so oft in der Literatur oder in Spielfilmen zum Schauplatz werden. Und er macht seit fast 20 Jahren auch einen der wesentlichen Reize von "Zimmer frei" aus, das auf die "Wahlverwandtschaften" zurückgeht: Einem Projekt zu Goethes 250. Geburtstag, in dessen Rahmen 1999 erstmals eine Ausstellung im Mariandl stattfand.

Seitdem ist die Kunst gewissermaßen Stammgast in dem "Zauberschlösschen", wie der Weltreisende Helge Timmerberg in einem Text das im Jahr 1900 im neugotischen Stil erbaute Belle-Époque-Hotel in der Goethestraße mit seinen Türmen und Erkern genannt hat.

Zimmer frei 2019, Mittwoch bis Sonntag, 16. bis 20. Oktober, täglich 12 bis 22 Uhr, Hotel Mariandl, Goethestraße 51

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