Süddeutsche Zeitung

Ausstellung in Graz:Madame d'Oras Spätwerk

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Von Christine Dössel

Anfang des 20. Jahrhunderts war sie die gefragteste Fotografin der Wiener Gesellschaft, ein Star hinter der Kamera, eine Pionierin der Mode- und Porträtfotografie. Dora Kallmus, Künstlername: Madame d'Ora, hatte sie alle, die Reichen, Schönen und Berühmten ihrer Zeit. 1907 eröffnete sie in Wien als eine der ersten Frauen ein eigenes Atelier. Sie verstand es, Menschen glamourös in Szene zu setzen, interessanter, attraktiver wirken zu lassen. Alma Mahler, Gustav Klimt, Arthur Schnitzler, Max Reinhardt, selbst Erzherzog Karl samt Familie waren bei ihr Kunden. 1925 übersiedelte Dora mit ihrem Studio nach Paris, wo sie die wichtigsten Modemagazine belieferte und weithin Berühmtheit erlangte. Bis die Nationalsozialisten ihre Karriere jäh beendeten. Die jüdische Fotografin verlor alles - bis auf ihr Leben; sie konnte sich während des Krieges in einem südfranzösischen Bergdorf verstecken. Ihre Schwester Anna jedoch, die in der Steiermark lebte, starb im KZ.

"Der große Bruch" heißt, gemünzt auf die Zäsur durch den Krieg, eine kleine, feine Ausstellung im Graz-Museum, dem kulturhistorischen Museum der Stadt Graz, die die Wende in d'Oras Schaffen dokumentiert (bis 3. März). Nach 1945 nahm die Künstlerin die Porträtfotografie zwar wieder auf - hauptsächlich aus finanziellen Gründen -, aber Glanz und Glamour waren daraus verschwunden. Sie porträtierte Pablo Picasso, Marc Chagall, Yehudi Menuhin. Prägend für ihr Spätwerk wurden jedoch andere Motive: In Österreich fotografierte sie zwischen 1946 und 1948 Kriegsinvaliden und traumatisierte Menschen in Flüchtlingslagern, viele in dem von Bomben zerstörten Hotel de l'Europe in Salzburg (Foto). Und in Paris entstand ihre drastische Schlachthaus-Serie mit Aufnahmen von elendig verreckenden, seriell getöteten, gequälten, gehäuteten Tieren. Ein Bestiarium des Schreckens, das bewusst Assoziationen zum Holocaust herstellt. D'Ora bezeichnete diese Serie als ihre "große Schlussarbeit". In der Ausstellung prangt ihr Satz: "Es sind nicht die ersten fünfzehn Jahre unseres Lebens, die zählen, wohl aber die letzten - die allein sind es." Dora Kallmus starb 1963 und liegt begraben in Graz.

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Quelle:
SZ vom 18.01.2020
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