Ausstellung in Caserta:Hackerts siebzehnter Hafen

Ausstellung in Caserta: In Caserta zu sehen: Rubens, „Sacra famiglia con San Giovannino“.

In Caserta zu sehen: Rubens, „Sacra famiglia con San Giovannino“.

(Foto: Todd-White Art Photography)

Bilder von Jakob Philipp Hackert, Rubens und Poussin im Königschloss von Caserta. Eine Ausstellung mit kunsthistorisch spekulativem Kontext.

Von THOMAS STEINFELD

Als der Landschaftsmaler Jakob Philipp Hackert im Jahr 1786 in die Dienste des Königs Ferdinand IV. von Neapel trat, erhielt er den Auftrag, die Seehäfen des Reiches in großformatigen Ölgemälden zu dokumentieren. Und so fuhr der Künstler über das Land, nach Messina und nach Brindisi und nach Tarent, und hielt fest, topografisch exakt und bis ins Detail genau, was dort zu sehen war: eine Bucht und eine Hafenmauer, eine Stadt und einen Leuchtturm, Schiffe und davor lauter Händler, Ochsen und flanierendes Volk. Schon die Zeitgenossen wussten, dass diese Bilder die dazugehörige Wirklichkeit verschönert wiedergaben. Aber auf diese Weise wollte der König sein Land vermessen und dargestellt haben: als einen stolzen Besitz, den man bei Gelegenheit ausländischen Besuchern zeigen konnte, vielleicht auch mit dem Hintergedanken, sie zu einer Investition zu veranlassen. Hackerts Hafenansichten sind dem Wunsch nach einer ideellen Besitzergreifung geschuldet.

Sechzehn dieser insgesamt siebzehn Gemälde hängen noch immer im Königsschloss von Caserta. Das fehlende Bild, eine Ansicht des Hafens von Salerno, befindet sich gegenwärtig ebenfalls dort, für begrenzte Zeit, im Rahmen einer Ausstellung, die den Titel "Von Artemisia bis Hackert" trägt, wobei mit ersterem Namen Artemisia Gentileschi gemeint ist, die wichtigste Malerin des neapolitanischen Barocks. Es gibt ein Werk von Peter Paul Rubens oder seiner Werkstatt ("Sacra Famiglia con San Giovannino") auf der Ausstellung zu sehen sowie zehn Bilder Gaspar van Wittels, einen Nicolas Poussin und drei Veduten Canalettos. Der Bogen ist also weit gespannt, ein Programm kaum erkennbar, außer dass es um das 17. und 18. Jahrhundert in Italien geht. Für diesen Pluralismus gibt es einen Grund: Denn bei den Werken dieser Ausstellung, die von Vittorio Sgarbi, dem Hansdampf unter den italienischen Kunsthistorikern, kuratiert wurde, handelt es sich um Bestände der Kunstgalerie Lampronti in London. Die Werke könnten also, nicht auf der Ausstellung, aber unter anderen Umständen, bald einer neuerlichen Besitzergreifung anheimgegeben werden.

Entstanden ist die Ausstellung aus einem Kaufversuch: Ein italienischer Museumsdirektor reiste nach London, um in der Galerie ein Gemälde zu erwerben. Daraus wurde nichts, aus unbekannten Gründen. Aber es entstand die Idee einer, wie man so sagt, öffentlich-privaten Partnerschaft: Cesare Lampronti, Galerist in der dritten Generation, sagt von sich, etwa 12 000 Werke italienischer Künstler in ihr Ursprungsland vermittelt zu haben. Zugleich beklagt er das Unverständnis der italienischen Museen dem Kunsthandel gegenüber. Aus diesem Grund, und der großen bürokratischen Hindernisse in Italien wegen, habe er den Sitz der Galerie von Rom nach London verlegt. Wenn nun das Königsschloss in Caserta den Werken Cesare Lamprontis die schönsten Säle zur Verfügung stellt, dürfte der Galerist seine Verwandlung in einen öffentlichen, kulturhistorischen Gegenstand mit Genugtuung betrachten. Das italienische Museumswesen hingegen betrachtet die Schau, wie auch die Kunstkritik, offenbar als einen Akt der vorübergehenden Heimholung.

Seit den Zeiten der "Grand Tour", also seit dem 17. Jahrhundert, gibt es in Italien eine Tradition, in der künstlerisches oder kunsthistorisches Expertentum und Händlertätigkeiten zusammenfallen: Ohne den Österreicher Ludwig Pollak (1868 bis 1943) sähen nicht nur die Antikensammlungen europäischer und amerikanischer Museen, sondern auch etliche Privatsammlungen anders und ärmer aus, als sie es heute tun. Der Amerikaner Bernard Berenson (1865 bis 1959) war nicht nur ein bedeutender Kunsthistoriker und Sammler, sondern auch wesentlich an der Entstehung eines Kunstmarkts für Werke der italienischen Renaissance beteiligt.

Als in dieser Tradition stehend scheint sich auch Cesare Lampronti zu betrachten, und der italienische Kunstbetrieb ist damit einverstanden. Tatsächlich ist aber der Kunstmarkt heute ein anderer, als er es vor fünfzig oder hundert Jahren war: An ertragreiche Investitionen in die Kunst werden die Kunden Ludwig Pollaks oder Bernard Berensons kaum gedacht haben. Cesare Lamprontis Käufer aber werden es tun, wodurch auch der Beruf des Galeristen in einem anderen Licht dasteht. Es ist diese Entwicklung, die eine solche Ausstellung so spekulativ und zwiespältig wirken lässt, über die Freude hinaus, den siebzehnten Hafen Jakob Philipp Hackerts sehen zu dürfen.

Da Artemisia a Hackert. La collezione di un antiquario. Reggia di Caserta. Bis 16. Januar 2020. Der Katalog ist nur auf Italienisch erhältlich und kostet 60 Euro.

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