Ausstellung "Fette Beute" in Hamburg:Lasst uns in Champagner baden

"Das berühmte Desert House in Palm Springs" von Slim Aarons

Slim Aarons, Das berühmte Desert House in Palm Springs, entworfen von Richard Neutra für Edgar Kaufmann, 1970.

(Foto: Getty Images / Courtesy Staley-Wise Gallery New York)

Rosenbündel groß wie Heißluftballons und Fotos horrender Champagner-Rechnungen: Es ist heute offenbar okay zu protzen, was das Zeug hält. Eine Ausstellung in Hamburg zeigt Bilder eines schamlosen Reichtums.

Von Kia Vahland, Hamburg

Kann es das geben: Reichtum ohne Armut? Jenseits der Utopie wohl kaum, nicht nur aus ökonomischen Gründen. Sonst würde auch das Herzeigen all der Uhren, Villen, Limousinen zu wenig Spaß machen. Wenn jeder in Champagner badet, ist der Distinktionsgewinn perdu.

Der Reichtum, das zeigt eine Ausstellung namens "Fette Beute" in Hamburg, braucht sein Gegenteil: die verschlossenen, schmiedeeisernen Türgitter, wie sie Giacomo Bianchetti in Zürich fotografiert - betreten für Unbefugte verboten. Die einen Schritt zurücktretenden Haushälterinnen, gemeinsam mit ihren Dienstherrinnen in Rio, porträtiert von Lamia Maria Abillama. Oder das Schild, das sich ein Jüngling auf die Stirn seines Selfie-Fotos klebt: "You can't sit with us". Es ist in dem Foto-Blog "Rich kids of Instagram" erschienen. Der Text unter dem Foto erklärt, welche Kleidung von welchem Label nötig ist, um vielleicht doch die Beachtung des engstirnigen Knaben zu finden, der die gepuderten Lider vor den Blicken außenstehender Betrachter senkt.

Man findet auf diesem Blog auch Rosenbündel, so groß wie Heißluftballons. Oder stolz fotografierte Champagnerrechnungen mit fünfstelligen Beträgen. Es ist offenbar zur Zeit okay zu protzen, was das Zeug hält - auch und gerade, wenn es nicht die Früchte der eigenen Arbeit sind, die beim Festbankett verprasst werden.

Vielleicht ahnen die "Rich Kids of Instagram", diesem Luxus-Schaufenster im Internet, wie begrenzt ihre Zeit sein könnte. Historisch gesehen ist nicht nur Reichtum vergänglich, sondern auch die Mode, ihn auf Bildern vorzuzeigen.

Irgendwann brechen immer die ersten Künstler aus, malen dann doch pissende Bauern und schlittschuhfahrende Kinder und erklären das zum neuen Trend.

Die Fotografie hat sich nie vollends kaufen lassen

Ausstellung "Fette Beute" in Hamburg: Die neue Internationale des Geldes: Paolo Woods, "Chinafrica", Mr. Wood, Lagos, Nigeria, aus der Serie Chinafrica, 2007.

Die neue Internationale des Geldes: Paolo Woods, "Chinafrica", Mr. Wood, Lagos, Nigeria, aus der Serie Chinafrica, 2007.

(Foto: Paolo Woods/INSTITUTE)

Rembrandt hat sich im 17. Jahrhundert nicht beirren lassen von all den auf Ausgrenzung bedachten Stimmen, die über die "Hässlichkeit" seiner Straßenrandszenen jammerten - wohl wissend, wie viel hässlicher die Geschmacklosigkeit reicher Holländer sein konnte. Und selbst in den verschwenderischsten Zeiten des alten Europas betrachtete man in goldverkleideten Kirchen die Bilder der Armen und Gequälten, die als mittellose Märtyrer für ihren Glauben starben.

Wie die Malerei, so hat sich auch die Fotografie nie vollends vom großen Geld kaufen lassen. Natürlich porträtierten die ersten Fotografen im 19. Jahrhundert gerne diejenigen, die in ihren Rüschenkragen und Zylindern Platz nahmen im Atelier.

Doch spätestens mit dem Siegeszug der Reportagefotografie in den Zwanzigerjahren änderte sich das grundlegend. Das Leitmedium der Demokratien des 20. Jahrhunderts waren bebilderte Zeitungen und Magazine. Hier erschienen die ikonischen Fotografien, in denen die Öffentlichkeit ihr Selbstverständnis verhandelte.

Dafür eigneten sich exklusive Partyfotos der Reichen nicht, wohl aber die Abbilder der Ärmsten. So wurde die berühmte "Migrant Mother", 1936 aufgenommen von Dorothea Lange für die Titelseite der San Francisco News, zu einer der wichtigsten Fotografien des Jahrhunderts - es ging um das Elend von Erntearbeitern.

Armut betrifft in einer Konsensgesellschaft alle, auch die Bessergestellten; außergewöhnlicher Reichtum dagegen mag einen interessieren oder nicht. Im Gegensatz zum Bild einer hungernden Mutter lässt sich an Goldbarren und Yachten nicht massenmedial verhandeln, wie viel Empathie sich eine Gesellschaft leisten will.

Inzwischen gibt es auch so etwas wie eine Sozialfotografie des Reichtums

Die Zeiten aber ändern sich, suggeriert die Hamburger Ausstellung. Der Gemeinsinn, der Diskurs über kollektives Mitgefühl zerbröckelt in partikulare Öffentlichkeiten. Und je zerrissener eine Gesellschaft, desto größer das Inszenierungsbedürfnis derer, die viel zu verlieren haben.

Die Kuratoren haben eine Reihe Fotografen aufgetan, die das Leben in Saus und Braus aus der Innenperspektive zeigen - wie der New Yorker Slim Aarons mit seinen Bildern vom heilen Dasein am Pool: In Eintracht blicken Vater und Sohn aus dem sonnigen Bild, die gestreifte Krawatte sitzt so perfekt wie der distinguierte Blick in die Kamera.

Doch inzwischen gibt es auch so etwas wie eine Sozialfotografie des Reichtums. Da sind, natürlich, Martin Parrs überschminkte Damen und blasierte Jungs beim Derby. Oder die einsamen Europäer, die Tina Barney in ihren viel zu großen Altbauwohnungen in den Blick nimmt.

Revolution der neuen Art

Aktuell wird die Schau dort, wo sie die neue Internationale des Geldes verhandelt, etwa mit Paolo Woods' breit grinsenden chinesischen Unternehmern in Schwarzafrika, Francesco Giustis eleganten Emporkömmlingen der Republik Kongo und Anna Skladmanns Knaben mit zu großen Spielzeuggewehren in russischen Salons. Vielleicht beginnt mit solchen Bildern ein neues Gespräch: darüber, was Geld im Überfluss mit Mensch und Gesellschaft macht.

Julika Rudelius ruft schon mal zu einer Revolution der neuen Art: Sie filmt eine Gruppe sich schminkender, filigraner Mädchen, vielleicht zwölf Jahre alt, in Designerklamotten. Kaum sitzt die Wimperntusche, zerdeppern sie mit Hingabe das Mobiliar und treten die Wände ein. Der Reichtum schafft sich selbst ab, und das wirkt wahrhaft genüsslich.

Fette Beute. Reichtum zeigen. Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, bis 11. Januar, Info: www.mkg-hamburg.de

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