Ausstellung:Fein und leise

Die Graphische Sammlung in München zeigt Einblattholzschnitte aus dem 15. Jahrhundert

Von Evelyn Vogel

Der Vergleich mag ein wenig flapsig klingen, aber in gewisser Weise waren die frühen Einblattholzschnitte, wie sie die Graphische Sammlung nun in einer umfassenden Ausstellung in der Pinakothek der Moderne zeigt, so etwas wie das Instagram des 15. Jahrhunderts. Eine schnelle und leicht verfügbare Bildmaschinerie. Was auch damit zusammenhängt, dass Ende des 14. Jahrhunderts die erste deutsche Papiermühle in Nürnberg gegründet worden war, die eine schnelle, kostengünstige und massenhafte Papierherstellung erst möglich machte. Jedenfalls erlebten die einseitig bedruckten, oft in hundertfacher Auflage hergestellten Blätter meist religiösen Inhalts eine ungeheure Nachfrage und eine rasante Verbreitung.

Ausstellung: Die Verkündigung an Maria (vermutlich Bodenseegebiet oder Augsburg um 1440).

Die Verkündigung an Maria (vermutlich Bodenseegebiet oder Augsburg um 1440).

(Foto: Staatliche Graphische Sammlung München)

Fortan konnte es sich jeder leisten, ein Bild der verehrten Heiligen, einer Kreuzigungsszene oder einer Madonnenverehrung zu besitzen. Je nach Inhalt - insbesondere bei den Schutzheiligen - hing man sie übers Bett, den Herd, zu den Tieren in den Stall oder trug sie in der Tasche mit sich herum. Dass sie unter einem derartigen Umgang schwer litten, dass nur einzelne die Jahrhunderte überdauert haben, leuchtet ein. Da viele von ihnen aber auch in Bücher eingeklebt wurden, haben diese Einzelblätter die Zeit in ganz hervorragendem Zustand überdauert. Ein Großteil der Unikate, die sich im überreichen Bestand der Graphischen Sammlung befinden, verdankt sich überwiegend ehemaligem klösterlichen Besitz. Vieles stammt aus dem Bayerisch-Salzburger Raum. Im Zug der Säkularisation gelangten die Bücher mit den eingeklebten Holzschnitten in die Bayerische Staatsbibliothek. Doch weil die Verwahrung von Schrift und Bild offenbar zwei verschiedenen Zuständigkeiten unterlag, wurden die eingeklebten frühen Drucke im 19. Jahrhundert herausgelöst und dem damaligen Königlichen Kupferstichkabinett übergeben. Holzschnitt hier, Buch dort. Hier beginnt das Problem der Zuordnung, das in der Ausstellung auch deutlich gemacht wird.

Während in den Bildlegenden ausführlich auf Motiv und Gestaltung der Abbildungen eingegangen wird, findet sich kaum ein Hinweis auf die Herkunft. Ein Problem, mit dem die Graphische Sammlung offensiv umgeht. So zeigt sie im Vitrinengang zum Auftakt der Ausstellung auch zwei Bücher, bei dem im einen das Karree zu sehen ist, in dem der daneben ausgestellte Holzschnitt aus dem Bestand der Sammlung einst klebte. In diesem Fall konnte man die Zuordnung klären. Oft aber sind die Angaben zu spärlich, als dass dies gelingen könnte.

Ausstellung: Der Hl. Antonius, Schutzpatron gegen das "Antoniusfeuer" (Mutterkornvergiftung), süddeutsch, um 1450.

Der Hl. Antonius, Schutzpatron gegen das "Antoniusfeuer" (Mutterkornvergiftung), süddeutsch, um 1450.

(Foto: Staatliche Graphische Sammlung München)

Die Ausstellung ist - und hier kommt nun der klare Unterschied zu Instagram - nicht krachig und laut, sondern fein und leise. Etwas für Connaisseure. Etwa 90 früheste Beispiele deutscher und europäischer Druckgrafik, vor allem aus dem Bestand der Graphischen Sammlung sowie Leihgaben aus der Bayerischen Staatsbibliothek, dem Bayerischen Nationalmuseum, dem Landesmuseum Württemberg und aus Privatbesitz werden gezeigt. Ebenfalls zu sehen ist in einer Vitrine das "Gulden Püchlein". Die auf 1450 datierte Handschrift aus der Bibliothek der Nürnberger Dominikaner ist mit 66 Holzschnitten geschmückt und gilt als eines der wichtigsten erhaltenen Manuskripte mit eingeklebter Druckgrafik. Die umfängliche Restaurierung vor einigen Jahren hat sich mehr als gelohnt. Die extrem klaren Linien und die enorme Plastizität der Figuren machen diese Abbildungen zu herausragenden Beispielen früher Einblattholzschnitte.

Etwas überraschend sind die Formate, die von kleinen Bildchen in Handtellergröße bis hin zu bald halbmeterhohen Darstellungen reichen. Die Schwarz-Weiß-Drucke wurden nachträglich koloriert. Dabei waren die Farben wesentlicher Bestandteil der Entwürfe, etwa wenn der Holzschnitt einer Kreuzigungsszene an jenen Stellen Aussparungen aufweist, an dem die Blutstropfen aus den Wunden Christi austreten und herabtropfen sollten.

Der überwiegende Teil der chronologisch gehängten Ausstellung ist sakralen Themen gewidmet. Denn erst im späten 15. Jahrhundert wurde der Einblattholzschnitt auch für Alltagsszenen genutzt. An die Stelle von religiöser Verehrung und Bitte um Schutz vor Pest und Cholera traten Liebe, Lust und Leid. Irgendwie dann doch sehr modern.

Einblattholzschnitte des 15. Jahrhunderts, Graphische Sammlung, Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, bis 22. Sept., Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr

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