Ausstellung:Einfach schwer

Ausstellung: Wer zuviel wahrnimmt, muss manchmal die Augen schließen - oder schreiben: Claudio Rodríguez.

Wer zuviel wahrnimmt, muss manchmal die Augen schließen - oder schreiben: Claudio Rodríguez.

(Foto: Clara Miranda)

Der Dichter Claudio Rodríguez im Instituto Cervantes

Von Antje Weber

"Als wäre sie niemals mein gewesen,/ gebt der Luft meine Stimme, auf dass sie in der Luft/ allen gehöre und alle sie kennen/ gleich einem Morgen oder Abend." Als diese Zeilen, als der ganze Band "Gabe der Trunkenheit" erschien, war das im Spanien der Fünfzigerjahre ein Ereignis. Der Dichter Claudio Rodríguez aus Zamora, dessen hoher Ton so ganz anders klang als die damals überwiegend sozialkritisch geprägte Lyrik, erhielt dafür sogleich den renommierten Premio Adonais; selbst der spätere Nobelpreisträger Vicente Aleixandre war so beeindruckt, dass er den jungen Poeten unter seine Fittiche nahm. Mit insgesamt nur fünf Gedichtbänden schrieb sich Rodríguez (1934 - 1999) in die Herzen der Leser und Kritiker ein: In Spanien gilt er als einer der wichtigsten Dichter des 20. Jahrhunderts. In Deutschland allerdings ist er, erstaunlicherweise, bis heute ziemlich unbekannt.

Dies zu ändern, tritt nun das Instituto Cervantes an. Mit der kleinen Ausstellung "Der Grund der Dichtung" im Vortragssaal will man den Dichter aus dem nordwestspanischen Städtchen Zamora endlich dem deutschen Publikum nahebringen; im Treppenhaus huldigen zudem - allerdings nur spanischsprachige - Tafeln dem ebenfalls aus Zamora stammenden Bildhauer Baltasar Lobo. Zusammengeführt werden die Sphären an einem Abend im März, bei dem neben spanischer Musik und Dichtkunst - selbstverständlich aus Zamora - auch die Münchner Lyriker Nora Zapf und Daniel Bayerstorfer mitwirken. Wein, so hört man, soll es auch geben.

Das passt nicht schlecht zu einem Dichter wie Claudio Rodríguez, der die Trunkenheit pries. Wobei das natürlich zu kurz greift: Diesem Lyriker geht es, so fasst Kurator André Otto zusammen, vielmehr um "eine Feier des Daseins, der Existenz". Seine visionäre Poetik sei vor allem eine "Poetik des Gesangs" sowie eine "Poetik der Teilhabe". Um das anschaulich zu machen, setzt man in der Ausstellung ganz auf die Kraft des Wortes; anhand etlicher Gedichte, die im Original und in Übersetzung auf den Tafeln zu lesen sind, gewinnt man erste Einblicke in das Werk - und versteht alsbald, warum Rodríguez bisher kaum auf Deutsch zu lesen ist.

Denn es ist erkennbar schwer, diese vordergründig einfachen Texte zu übertragen, die vom Himmel erzählen und vom Licht, vom Fluss und von der Einsamkeit. Sie sind alle "im Gehen entstanden", auf langen Spaziergängen, wie der Rodríguez-Experte Luis García Jambrina erläutert; das trägt zur Musikalität des Rhythmus bei, der ebenso wie eine vertrackte Syntax in Spannung zur schlichten Wortwahl steht. Und so liefert die Ausstellung nebenbei einen Einblick in die Übersetzer-Werkstatt. Wie zum Beispiel, so Hispanist Otto, übersetzt man ein Substantiv wie "claridad"? Mit Klarheit, Helligkeit - oder eher, im Heidegger'schen Sinne, mit "Lichtung"?

Wer sich darüber nicht den Kopf zerbrechen will, gibt sich einfach der Schönheit der spanischen Gedichte hin. Schließlich geht es Rodríguez, wie in der Ausstellung zu erfahren ist, vor allem um das "Mysterium des Augenblicks".

Claudio Rodríguez: Der Grund der Dichtung, bis 2. Mai, Instituto Cervantes, Alfons-Goppel-Str. 7, Mo-Do, 10-18 Uhr; Zamora-Kulturabend: 28. März

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