Ausstellung:Ein großer Suchender

Siegfried Kaden
Delgado, 2015
Acryl/Kugelschreiber, 35 x 50 cm

Siegfried Kadens "Delgado" zeigt den Maler-Freund gleichen Namens gesichtslos auf einem Berg von kaputten Fernsehern.

(Foto: Galerie Biedermann)

Siegfried Kaden in der Galerie Biedermann

Von Martina Scherf

Melancholie und Humor, diese Melange prägt Siegfried Kadens Werk, quer durch alle Schaffensperioden, in der alten wie in der neuen Welt. Sie hat neue Farben und Facetten hinzu gewonnen, seit der Münchner Maler, Zeichner und Bildhauer vor 20 Jahren beschloss, seinen Lebensmittelpunkt nach Havanna zu verlegen: die unergründlichen Rätsel der Frau, der Verrat an politischen Illusionen. Was blieb, ist sein hintergründiges Spiel mit der Wirklichkeit und die Selbstbefragung als Künstler. Das zeigen auch neue Papierarbeiten aus "La Habana" in der Schwabinger Galerie Margret Biedermann.

Das In-die-Welt-Geworfen-Sein als Grundgefühl spricht aus diesen Arbeiten, man denkt an Camus. Alles scheint in Bewegung zu sein, Figuren schweben, der Boden schwankt, Horizonte verschwimmen oder fehlen ganz. Ob mit Kugelschreiber, Bleistift, Aquarell oder Acryl - es sind feine Arbeiten, die immer wieder aufeinander Bezug nehmen.

Da ist das Porträt eines kubanischen Freundes Delgado, selbst Maler, einer von vielen, die mit den Tücken des sozialistischen Alltags kämpfen. Einsam und abgekehrt sitzt er auf einem Stuhl, schaut ins Leere, unter ihm ein Berg von alten Fernsehern. Vergangenheit ohne Zukunft, Propaganda ohne Widerhall? Ein Künstler kann sehr einsam sein im prallen, lauten Leben Kubas. Auf einer Insel, abgeschnitten vom Informationsfluss der Welt, dafür - trotz Obama-Besuchs - noch immer beherrscht von der Zensur.

Das Verhältnis von Mann und Weib, zwischen Anziehung und Abstoßung, ist eine Konstante in Kadens Werk. Hier hat die kubanische Frau eine neue Farbe ins Spiel gebracht - und bleibt doch unnahbar. Die Lust auf eine Gegenwelt, der Sinn für Ironie, beides vielleicht schon in jungen Jahren in der DDR verspürt, dann in den 1970er Jahren an den Kunstakademien von Stuttgart und Wien geübt - sie finden noch immer reichlich Nahrung. Und dann sind da noch die Selbstporträts: ein versunkener Blick aus einem großen, kahlen Schädel, idealer Resonanzkörper für Träume und Albträume.

Siegfried Kaden, 1945 in Dresden geboren, war viele Jahre Teil des Münchner Kunstbetriebe. Werke finden sich in den Staatsgemäldesammlungen, im Lenbachhaus, in der Albertina in Wien. Einen "großen Suchenden" nennt ihn sein Freund Klaus Staeck, ehemaliger Präsident der Berliner Akademie der Künste, mit dem ihn seit den Nach-Achtundsechzigern die Lust am Subversiven verbindet.

Den größeren Teil des Jahres lebt und arbeitet Kaden in Havanna, doch kehrt er regelmäßig an die Isar zurück, nimmt an Ausstellungen teil und greift auf sein großes kubanisch-bayerisches Netzwerk zurück, um in München Projekte für kubanische Künstler zu organisieren (zuletzt "Kreol - eine Kultur des Widerstands", "Junge Szene Kuba", "Die Revolutionen der Welt"). Der Weltenwandler hatte Einzelausstellungen in Havanna und Mexiko City im vergangenen Jahr, jetzt zeigt Margret Biedermann endlich auch in München neue Arbeiten. Viele alte Weggefährten waren zur Eröffnung gekommen.

Siegfried Kaden "La Habana", bis 29. Juli, Galerie Biedermann, Barerstraße 44, Rgb., Di.-Fr. 14-18

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