Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Die Hölle des Anderen

Im Instituto Cervantes gilt Don Juan als "Fausts spanischer Bruder"

Von Antje Weber

Flammen züngeln am Boden entlang, schlagen an beiden Seiten der Bühne hoch. Auf großformatigen Gemälden grinst links der Mephisto aus dem "Faust", rechts ragt die strenge Figur des steinernen Gasts aus dem "Don Juan" inmitten von Flammen empor. Die Symbolik ist klar: Hier wartet das Höllenfeuer, und zwar auf jeder Seite. Ob sie nun Faust heißen oder Don Juan, am Ende ereilt beide das gleiche Schicksal.

Und das ist nur einer der offensichtlicheren Gründe, die man im Instituto Cervantes aufführt, um die These zu belegen: Don Juan ist "Fausts spanischer Bruder". Zumindest setzt das Spanische Kulturinstitut alles daran, diese nicht ganz selbsterklärende These zu untermauern. Unterstützt wird es darin von LMU-Theaterwissenschaftler Stefan Frey und sechs Studentinnen, die den ungleichen Brüdern unter Aspekten wie "Verführung" oder "Betrug" zu Leibe gerückt sind und ihre Funde mit Fotos, Puppen, Texten dokumentieren. Auch der kolumbianische Künstler Christian Jaramillo, der in München lebt, ließ sich von der Idee dieser Verwandtschaft entflammen - und schuf großformatige Bilder für eine zwar kleine, aber eigenwillige Ausstellung, die das Faust-Festival um eine internationale Perspektive erweitert.

Eine eigene Ausstellung zu produzieren, das ist für das Kulturinstitut "etwas Besonderes", wie Direktor Ferran Ferrando mit einigem Stolz erzählt. Da sie "sehr low budget" aus eigenen Mitteln organisiert worden ist, sollte man sie nicht mit opulenten Faust-Ausstellungen der Kunsthalle oder des Theatermuseums vergleichen wollen - doch hier ist des Pudels Kern ja auch ein anderer. Hier hat sich eine Institution geöffnet für ein interessantes Experiment, bei dem sich sehr unterschiedliche Akteure vernetzten - um zu erkennen, was die Welt des Faust respektive Don Juan im Innersten zusammenhält.

Denn um wen handelt es sich bei diesem Don Juan eigentlich? Die Ausstellung bezieht sich vor allem auf die Figur, über die der spanische Autor Tirso de Molina im 17. Jahrhundert das Drama "El burlador de Sevilla" verfasste. Der "Burlador", den er im Visier hatte, war ein Betrüger, ein Spötter; später wurde er bei Molière zum Freigeist und nahm überhaupt immer neu Gestalt an, ob bei Lorenzo Da Ponte (der das Libretto zu Mozarts "Don Giovanni" schrieb) oder E.T.A. Hoffmann. Im Spanien des 19. Jahrhunderts wurde er bei José Zorrilla zum romantischen Verführer - und vor allem diese Lesart ist es, die bis heute weiterlebt. Mit einer Verfilmung seines "Don Juan Tenorio" beginnt jedenfalls am Dienstag, 27. Februar, das Begleitprogramm. Weitere Filme werden am 13. und 20. März sowie 15. Mai zu sehen sein, außerdem liest am 5. März die Münchner Literaturstipendiatin Raphaela Bardutzky aus ihrem Theaterstück "Wüstling".

Doch wo sind denn nun weitere Analogien zwischen dem spanischen Wüstling und dem deutschen Faust zu finden? Beide seien als "Grenzüberschreiter" zur gleichen Zeit zwischen Mittelalter und Neuzeit aufgetaucht, sagt Wissenschaftler Frey; bei Don Juan sei es eine "moralische, religiöse und sexuelle Grenzüberschreitung", bei Faust mehr die "geistige". Schon Kierkegaard habe die beiden als Parallelfiguren gesehen. Im Don Juan könne man den "Dämon der Sinnlichkeit" erkennen, im Faust den "Dämon der Geistigkeit". Außerdem sollen die beiden für die Gegenpole Norden und Süden, Protestantismus und Katholizismus stehen. Gemeinsam ist ihnen jedenfalls bei aller Gegensätzlichkeit, dass sie zu mythischen Figuren geworden sind, die - von der Oper bis zum Puppenspiel - immer wieder neue Versionen inspirieren. Kurzum: Will im Ernst noch jemand diese Bruderschaft anzweifeln? Zur Hölle mit ihm!

Don Juan, Fausts spanischer Bruder, Ausstellung, bis 17. Mai, Instituto Cervantes, Alfons-Goppel-Str. 7, Mo.-Do., 10-18 Uhr, Eintritt frei. Begleitprogramm-Beginn: Di., 27. Feb., 19.30 Uhr, Film "Don Juan Tenorio" von Alejandro Perla, 1952, OmU (basierend auf einer Madrider Theaterinszenierung, für die Salvador Dalí Bühne und Kostüme entwarf)

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SZ vom 26.02.2018
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