Ausstellung:Der Geist der Freiheit

Der ehemalige Kunstberater Helge Achenbach hat nach seiner Haftentlassung einen Verein für Künstler in Not gegründet. Den will er mit einer Benefiz-Ausstellung in München unterstützen

Von Evelyn Vogel

Wenn über einen kleinen Verein mit humanitären Zielen eine Woge der Aufmerksamkeit hereinbricht, dann freut das dessen Mitglieder in aller Regel. Die Aufmerksamkeit, die der 1999 gegründete, im nordrhein-westfälischen Jülich ansässige Verein "Kultur ohne Grenzen" derzeit erfährt, gleicht weniger einer Woge als vielmehr einem Tsunami. Statt Anfragen zu erhalten für Hauskonzerte, mit denen der Verein satzungsgemäß "geflüchtete Künstlerinnen und Künstler in Not und im Exil bei ihrem künstlerischen Neuanfang in Deutschland" unterstützt, wird der Verein mit Anfragen zu Helge Achenbach überflutet. Jenem Helge Achenbach, der einst als Kunstberater Privat- und Unternehmenssammlungen beriet und 2015 wegen Betrugs in Zusammenhang mit den Albrecht-Erben zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde.

Denn Achenbach, der vor einigen Monaten vorzeitig aus der Haft entlassen wurde,

hat einen Verein gegründet, der ebenfalls "Kultur ohne Grenzen" heißt und nach eigener Aussage "politisch verfolgten Künstlern aus Kriegs- und Krisengebieten wie Afrika, Syrien oder der Türkei" hilft. Nach einer Intervention der Jülicher wurde dieser zwar kürzlich um einen Zusatz ergänzt und heißt nun vollständig "Kultur ohne Grenzen - Culture without Borders e.V.". Aber in Jülich wusste man sich nicht mehr anders zu helfen, als auf der eigenen Homepage ein "offizielles Statement zu Helge Achenbach" zu veröffentlichen: "Helge Achenbach tritt seit Kurzem unter dem gleichen Namen mit vergleichbaren Schwerpunkt in der Öffentlichkeit auf. Wir stehen in keinerlei Verbindung zu seinen Aktivitäten. Wir erhalten kein Geld aus seinen Aktivitäten und kooperieren nicht. Wir können Ihnen daher in Bezug auf Herrn Achenbach nicht weiterhelfen." Eine "Verzweiflungstat" sagt Schatzmeister Hartmut Capellmann. Seit Achenbachs Pläne bekannt geworden waren, seien sie mit Kontaktanfragen überschüttet worden.

Helge Achenbach

Helge Achenbach (links) lädt in die Galerie von Dirk G. Kronsbein zur Benefiz-Ausstellung "spirit of freedom" mit eigenen Werken ein

(Foto: Sabine Brauer)

Achenbach, angesprochen auf die Namensgleichheit, nimmt's gelassen: Ja, es sei schon furchtbar blöd, dass es da diesen kleinen Verein in Jülich gebe. Man habe ja versucht, einen anderen Namen zu finden. Aber "Kultur ohne Grenzen" sei halt so schön, man hoffe, dass der Zusatz und ein Logo zur Unterscheidung reiche. "Aber wenn es uns weiter nervt, dann müssen wir ihn vielleicht noch mal ändern." Ob es die in Jülich nervt, darüber macht sich Achenbach keine Gedanken.

Doch viel lieber als über "diesen kleinen Verein in Jülich" spricht Helge Achenbach über sein geläutertes Ich und sein Vereinsprojekt. Im Knast hat der einstige Asta-Vorsitzende und studierte Sozialpädagoge angefangen zu malen. Es seien "ehrlich und liebevoll gemalte Bilder", sagt Achenbach. Ein bisschen Richter-mäßig, sagen andere. Und nun veranstaltet er in der Münchner Galerie Kronsbein eine Benefiz-Ausstellung. Keine Richters, Gurskys oder Immendorffs, die er früher vermittelt hat, sollen dort an den Mann und die Frau gebracht werden. Sondern farbintensive Abstraktionen aus eigener Hand. "Als ich gefragt wurde, ob ich die Bilder verkaufe, war mir klar, dass das jenseits des Kommerziellen stattfinden soll und für einen guten Zweck - und warum dann nicht für unseren Verein." Bei einer ausstehenden Schadenersatzforderung der Albrecht-Erben über 16,1 Millionen Euro bleibt ihm kaum etwas anderes übrig, möchte man ergänzen. Aber fallengelassen von alten Freunden, scheint Achenbach dennoch nicht.

Helge Achenbach

In dem alten Anwesen, in dem Achenbach mit seinem Verein Künstlern in Not eine Arbeitsmöglichkeit bietet, hat er auch eigene Arbeiten stehen.

(Foto: Helge Achenbach/OH)

Der alte Bauernhof am Niederrhein, wo der Verein sein Projekt betreibt, wurde von "einem Freund" zur Verfügung gestellt, erzählt Achenbach. Und David Chipperfield habe einen Anbau entworfen. Derzeit sei ein Künstler aus Syrien vor Ort, bald solle ein weiterer Syrer kommen sowie eine Künstlerin aus der Türkei, die augenblicklich noch in Haft sei. Und ein Künstler von der Elfenbeinküste würde demnächst auch dort arbeiten. Der habe in Düsseldorf studiert und hole Künstler von der Elfenbeinküste ins Projekt. Ob dies mit dem Vereinsziel, politisch verfolgten Künstlern aus Kriegs- und Krisengebieten zu helfen, übereinstimmt? Für Achenbach scheint das in seiner Begeisterung nicht ganz so wichtig.

Immer wieder betont er, dass das Ganze "keine Macho-Nummer" werden solle. Langsam wolle man den Verein aufbauen, der derzeit aus acht Mitgliedern bestehe, darunter einem Ex-Versicherungsvorstand und einer Künstlerin. Stück für Stück, das habe ihm sein Freund Günter Wallraff geraten. Der Journalist und Autor soll Mitglied in dem sechsköpfigen Beirat werden, der voraussichtlich von Februar an den Verein berät. Ein aktiver und ein ehemaliger Museumsdirektor sollen hinzukommen. Namen will Achenbach derzeit noch nicht nennen. Aber "es sind verschiedene großartige Menschen", die alle gut vernetzt seien.

Da Achenbach trotz des Zusatzes zum Vereinsnamen weiterhin unter "Kultur ohne Grenzen" auftritt, werden in Jülich die Telefone wohl auch in Zukunft nicht stillstehen. Dort kann man nur hoffen, dass ein wenig von der ungewollten Aufmerksamkeit auch auf ihr Anliegen fällt und der eine oder andere Anrufer sie in Zukunft unterstützt. Dann wäre der Jülicher Verein "Kultur ohne Grenzen" wenigstens ein bisschen entschädigt für das Ungemach.

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