Ausstellung "David Shrigley Drawing":Abgründiger Minimalist

Mit ein paar Schnörkeln und Wörtern eine wunderbar dunkle Komik zu evozieren - das gelingt derzeit keinem Künstler so gut wie dem Briten David Shrigley. Bevorzugt macht er das mit seinen Zeichnungen, von denen die Pinakothek der Moderne nun eine größere Auswahl zeigt.

Von Martin Pfnür

9 Bilder

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Quelle: Courtesy BQ, Berlin und Stephen Friedman Gallery, London

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Mit ein paar Schnörkeln und Wörtern eine wunderbar dunkle Komik zu evozieren - das gelingt derzeit keinem Künstler so gut wie dem Briten David Shrigley. Bevorzugt macht er das mit seinen Zeichnungen, von denen die Pinakothek der Moderne nun eine größere Auswahl zeigt.

Er braucht nicht viel, um grandios zu unterhalten und zum Denken anzuregen, meist reicht ihm schon ein schwarzer Zeichenstift. Der Brite David Shrigley, 45, ist ein Minimalist vor dem Herrn, einer, dem es gelingt, mit etwas ungelenker comichafter Kinderkrakelei und einigen Wörtern höchst interessante Effekte beim Betrachter auszulösen. Was vordergründig putzig, unschuldig und harmlos wirkt, entpuppt sich in seiner kindlichen Unmittelbarkeit, in der Kommunikation zwischen Schrift und Bild, meist als tiefsinnig, doppelbödig, abgründig, seltsam.

So bringt einen etwa die Kommunikation zwischen Bild und Schrift in der vorliegenden Zeichnung ohne Titel durchaus ins Grübeln - spielt Shrigley auf menschliche Schutzmechanismen an? Auf ein ausgeprägtes Ego? Auf einen Dickkopf? Man merkt: An Interpretationsmöglichkeiten mangelt es bei Shrigleys Bildern selten.

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Quelle: Courtesy BQ, Berlin und Stephen Friedman Gallery, London

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Gerne verpackt Shrigley Krudes, Hässliches, Deprimierendes auf eine Weise in seine Miniaturgeschichten, die einen erst mal loslachen lässt - und dann erst überlegen. "Es sind oft keine schönen Dinge, die ich zeichne", sagt Shrigley, der seine Bilder als "Katharsis von seinen Ängsten" bezeichnet. "Aber auf eine Weise finde ich sie auch komisch. Wenn ein Kind in der U-Bahn auf einen Mann zeigt und sagt 'Mama, der Mann sieht aber doof aus', dann ist das nicht sehr schmeichelhaft für den Mann. Aber irgendwie ist es auch lustig."

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Quelle: Courtesy BQ, Berlin und Stephen Friedman Gallery, London

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Mit dem figürlichen Zeichnen tat sich Shrigley, der auf der renommierten "Glasgow School of Art" ausgebildet wurde, seit jeher schwer: "Ich gehörte zu den Schlechtesten in der Klasse. Meine Abschlussnote war mies, richtig mies. Die Note, die man dafür kriegt, dass man anwesend war." Sein Talent sieht der Künstler vielmehr in der Herangehensweise: "Ich zeichne einfach drauflos, sehr intuitiv. Die Zeichnungen sind zwar selbst im Vergleich zu meinen Kinderzeichnungen nicht viel besser geworden - aber das Zusammenspiel aus Bild und Text ist heute prägnanter und raffinierter. Die Kommunikation funktioniert besser und direkter."

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Quelle: Courtesy BQ, Berlin und Stephen Friedman Gallery, London

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Auf Zeichnungen allein beschränkt sich Shrigleys Kunst allerdings nicht: So spielte er etwa als Sprecher eine der unbedingt hörenswerten Mix-CDs der Reihe "Late Night Tales" ein, veröffentlichte "Worried Noodles", ein Kunstbuch im LP-Format, das später von einer Riesenschar an Musikern (u. a. Grizzly Bear, David Byrne, Scout Niblett) vertont wurde oder gestaltete in München ein Mahnmal, das für eine heftige Kontroverse sorgte, ...

"Gedenkstätte" für Michael Jacksons Affe "Bubbles" in München, 2013

Quelle: Catherina Hess

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...denn der "Bubblesplatz", den Shrigley 2013 als Gedenkstätte für den von Michael Jackson verstoßenen Affen Bubbles gestaltete, sorgte bei vielen für sehr schlechte Laune. Nicht etwa, weil Shrigley mit diesem das Denkmal für Kurfürst Max II. Emanuel vor dem Hotel Bayerischer Hof zu einem Schrein für Bubbles umfunktionierte, sondern weil er das öffentliche Kunstwerk mit ironischem Gestus gleich gegenüber der improvisierten Michael-Jackson-Gedenkstätte am Denkmal von Orlando di Lasso platzierte - für zahlreiche Fans des King of Pop scheinbar ein absolutes No-go. Der kleine Park gegenüber dem Bayerischen Hof ist seit dem Tod Michael Jacksons ein Gedenkort für seine Fans. Der Sänger logierte immer in der Edelherberge, wenn er in der Stadt war.

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Quelle: Courtesy BQ, Berlin und Stephen Friedman Gallery, London

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Und dann sind da natürlich noch Shrigleys herrliche und - etwa im Stile des obigen Bildes - zumeist in minimalistischem Schwarzweiß gehaltene Animationsfilme, mit denen der in Glasgow lebende Künstler die großen Mysterien unserer Welt - das Wunder der Geburt, den Tod, die Kommunikation, die Kunst, den Zufall, den Sinn all unseres Handelns - umkreist. Am eindrucksvollsten gelingt ihm das wohl mit dem Film "Who I Am And What I Want", eine achtminütige Comic-Biografie, die er zusammen mit dem Animationsfilm-Spezialisten Chris Shepherd kreierte.

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Quelle: Courtesy BQ, Berlin und Stephen Friedman Gallery, London

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"David Shrigley - Drawing" in der Pinakothek der Moderne zeigt nun neben drei Animationsfilmen rund 130 Arbeiten Shrigleys, angelegt in unterschiedlichsten Formaten - mal gezeichnet, mal gemalt. Im Zentrum der Ausstellung steht allerdings eine Skulptur, die gar nicht da ist: Ein Sockel in der Mitte der Räumlichkeiten verweist auf Shrigleys "Secret Sculpture", eine streng geheim gehaltene Skulptur, die vor Beginn der Ausstellung von 100 ausgewählten Personen vor Ort gezeichnet werden durfte. Die höchst unterschiedlichen Werke (zeichnen durften u. a. Kinder, Illustratoren, Laien, Gerichtszeichner) sind nun ebenfalls in der Ausstellung zu sehen - eine kluge Idee, um das Verhältnis zwischen Künstler und Rezipient auf unterhaltsame Weise aufzubrechen.

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Quelle: Courtesy BQ, Berlin und Stephen Friedman Gallery, London

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Emotional verbandelt fühlt sich der hoch gehandelte Shrigley, der 2013 für den renommierten britischen Turner-Preis nominierte wurde, mit dem Kunstmarkt allerdings nicht: "Seitdem ich 1996 ein paar Arbeiten auf der Art Basel verkauft habe, kann ich nicht mehr leugnen, dass ich finanziell vom Kunstmarkt profitiere. Aber das Milieu, in dem sich die Gegenwartskunst abspielt, ist eher nicht mein Ding. Es ist doch ziemlich vulgär, die Partys sind schrecklich. Ich kriege so viele sonderbare Anfragen - einmal sollte ich in einer Fernsehshow Politkergesichter in Kartoffeln schnitzen."

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Quelle: Courtesy BQ, Berlin und Stephen Friedman Gallery, London

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Stellt sich nur noch die Frage "Darf der das?" Oder besser: "Darf Kunst denn wirklich lustig sein?" David Shrigley hat da eine klare Haltung: "Es kommt vor, dass Menschen mich fragen 'Sagen Sie mal, Herr Shrigley, Sie setzen doch auch Humor in Ihren Arbeiten ein, oder?' Als ob es sich um rote Farbe handeln würde. Dabei ist Kunst kein akademisches Fach wie Philosophie oder Literaturwissenschaft. Trotzdem gibt es Leute, die wollen, dass Kunst nach objektiven Kriterien bewertet werden kann. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass das nicht geht. Es ist ein fundamentales Missverständnis, dass lustige Kunst nicht künstlerisch wertvoll sein kann. Das Gegenteil von seriöser Kunst ist nämlich nicht lustige Kunst, sondern schlechte Kunst."

"David Shrigley Drawing" ist noch bis 10. August 2014 in der Pinakothek der Moderne, München zu sehen.

© SZ.de/pak
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