Ausstellung:Das Wesentliche herausschälen

Rudolf KOller

Kunst des Mitfühlens: "Frau mit Kind. Erster Schritt" heißt Kollers Bronzeplastik von 1994.

(Foto: Peter Ferstl)

Rudolf Kollers Werke im Diözesanmuseum Eichstätt

Von Sabine Reithmaier, Eichstätt

Rudolf Koller ist kein Freund vieler Worte. Schon gar nicht, wenn es um seine eigenen Werke geht. "Das hat sich so ergeben", sagt der Oberpfälzer auf die Frage, wie die zerklüfteten, schrundigen Oberflächen seiner Bronzeplastiken entstehen. Warum sollte er darüber reden, dass seine Figuren im Wachsausschmelzverfahren gegossen werden und er darauf verzichtet, die Spuren dieses Prozesses zu beseitigen. Einen Satz ringt er sich immerhin ab. "Die Struktur darf nicht nachträglich aufgesetzt werden." Also kein Schleifen, Polieren oder Patinieren - so wie sich die Oberfläche während des Gusses entwickelt, ist sie fertig. Die Plastiken profitieren enorm von der konsequenten Haltung ihres Schöpfers, wirken im Diözesanmuseum Eichstätt ungeheuer lebendig.

Am Anfang von Kollers künstlerischer Auseinandersetzung steht aber die Zeichnung. Eine Fülle von Studien dokumentiert, wie intensiv er sich mit seinen Figuren beschäftigt; er erforscht mit dem Bleistift jedes Detail der Körper, immer und immer wieder, bis er in der Lage ist, zu vereinfachen, zu abstrahieren und das Wesentliche herauszuschälen. Und immer erweist sich Koller, 1943 in Beratzhausen geboren, als präziser Beobachter, der das, was er sieht, exakt umsetzt, meist mit viel innerer Anteilnahme, egal ob es sich um einen Menschen oder ein Tier handelt.

Werden und Vergehen, Alter und Vergänglichkeit, Geburt und Tod - mit diesen Themenkomplexen beschäftigt sich der in Regensburg lebende Künstler seit Jahren. Schon während seiner Studienzeit in München zeichnete er die nackten Leiber der Toten in der Anatomie, entdeckte den Rhythmus der Bahrenreihen. Das erste Porträt einer alten Frau, seiner Großmutter, entstand bereits 1960 - da besuchte er noch in Metten das Gymnasium. Seither hat er ungezählte Greisinnen gezeichnet, zusammengesackt, mit hängenden Schultern, hinfällig und gebrechlich.

Daneben aber zeichnet er auch junge Frauen, schwanger, mit Kindern im Arm, stillend. Seine kleine Skulptur einer Schwangeren steht stabil auf beiden Beinen, trägt den prägnanten Bauch selbstbewusst vor sich her. Koller selbst fasziniert in diesem Raum, der der Marienverehrung gewidmet ist, vor allem eine aus Lindenholz geschnitzte Madonna aus dem 16. Jahrhundert. Er wird nahezu wortgewaltig, wenn es um die Werke anderer Künstler geht. Beispielsweise um die feinen, rhythmischen Muster in der Brüsseler Spitze, die für Priestergewänder verwendet wurde - "die meisten laufen hier bloß achtlos vorbei" - oder um die "Kreuzigung Christi", einer Kopie nach dem Abegg-Triptychon von Rogier an der Weyden, die um 1540 in den Niederlanden entstand.

Das Bild mit der unter Wolkenbergen sich eintrübenden Landschaft begeistert ihn, lässt ihn nahezu schwärmen. Ihm gegenüber schwebt der von ihm geschaffene Torso, ein Corpus ohne Arme und Beine. Wie intensiv er sich mit dem Gekreuzigten auseinandersetzt, bekunden einmal mehr seine Zeichnungen. Dort hängt Christus mit angezogenen Beinen am Kreuz, das Körpergewicht nur von den angenagelten Händen gehalten. Er krümmt sich fast wie ein Embryo, eine harte Wiedergabe menschlicher Schmerzen.

Genauso unvoreingenommen wie den Menschen begegnet er Tieren. Die winzige Maus etwa, die auf einem würfelförmigen Block sitzt, besuchte ihn regelmäßig im Atelier, kam pünktlich um zehn Uhr und wollte gefüttert werden. Das seltsam verrenkte "neugeborene Kälbchen" modellierte er einen Tag nach der Geburt, die er miterlebt hatte, aus dem Gedächtnis. Ein Tierarzt habe ihm bestätigt, dass er das Tier anatomisch völlig korrekt dargestellt habe, sagt er. Und der kranke Hund war natürlich sein eigener. Eindringlich auch seine Kohlezeichnungen aus dem Schlachthof. Ach ja: Es gibt auch noch den Landschaftsmaler Koller, der Donauebenen, aber auch die Länder seiner Reisen festhält. Die Bilder tun sich allerdings schwer in der Ausstellung, sie leiden unter der allzu sparsamen Beleuchtung und finden auch thematisch nicht den Dialog zu den anderen Werken des Museums.

Rudolf Koller. Malerei, Zeichnung, Plastik - Lebenszyklen im Dialog mit Kunstwerken des Domschatz- und Diözesanmuseums, Eichstätt, noch bis 31. Oktober. Zur Ausstellung ist ein Katalog (Kunstverlag Josef Fink) erschienen

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