Ausstellung:Böhmische Bilder

Ausstellung: František Zemens Bilder sind von archaischer Wucht - doch sie lagen vergessen auf einem Dachboden.

František Zemens Bilder sind von archaischer Wucht - doch sie lagen vergessen auf einem Dachboden.

(Foto: František Zemen)

Fotografien von František Zemen im Gasteig

Von Egbert Tholl

František Zemens Vater rauchte. Immer. Auf einem Foto sät er, wirft die Samen im schwungvollen Bogen, im Mund eine Zigarette. Pause auf dem Feld, im Mund eine Zigarette. Auf einem Foto hat er keine, weil ihn der Sohn erschreckt hat. Es ist Weihnachten 1952, am Tisch sitzen Oma, Vater, Mama, im Hintergrund steht ein kleiner Weihnachtsbaum. Die drei Menschen auf dem Bild schauen mit einer Mischung aus Skepsis und Entsetzen in die Kamera. Das liegt daran, dass František keinen Blitz besaß, aber Magnesium-Pulver, und daraus eine Art Tischfeuerwerk kreierte. Nach jeder Explosion musste dann die Stube gelüftet werden, deshalb sind die drei Personen auf dem Bild auch dick eingepackt. Der Vater trägt den Pullover, von dem der Sohn heute sagt, er habe ihn zehn Jahre nicht ausgezogen, er habe ihn geliebt, obwohl er grässlich kratzte.

František Zemens Fotos sind derzeit im Gasteig im Foyer vor dem Kleinen Konzertsaal zu sehen. Die Ausstellung trägt den Titel "Das Knödelland aus zwei Perspektiven". Die zweite Perspektive, nicht die der Fotos, ist die von Rena Dumont. Die drehte im Knödelland, also in Böhmen, unweit der bayerisch-tschechischen Grenze ihren Film "Hans im Pech", der zur Eröffnung von Zemens Ausstellung gezeigt wurde. Hüben wie drüben isst man Knödel. Bei den Dreharbeiten lernte sie den mittlerweile 86-jährigen Herrn Zemen kennen. Dumont stammt aus Mähren, und da das Kulturreferat die Kooperation zwischen nach München eingewanderten Künstlern mit solchen aus deren Heimatländern fördert, gelang es Dumont, Zemen und dessen Bilder nach München zu holen. Es war das erste Mal, dass sich Zemen mehr als 30 Kilometer von Strakonice entfernt hat.

František Zemen baute sich als Kind selbst eine Pappschachtelkamera, mit der er Anfang der Fünfzigerjahre den Alltag seiner Familie festhielt. Es ist ein hartes, karges Leben, aber die Sonne wirft ein dickes, warmes Licht auf die Äcker, und die Menschen haben eine knorrige Fröhlichkeit. "Die Bilder sind traurig, lustig, sie sind das Leben selbst." Das sagte Zemen bei der Eröffnung der Ausstellung. Vor allem sind die Fotos unbearbeitete, historische Dokumente. Sie lagen 50 Jahre auf einem Dachboden, Zemen selbst hatte sie vergessen. Lange nach den Aufnahmen hatte er das Fotografieren dann auch studiert, aber er konnte es damals schon. Er musste einfach fotografieren. Herausgekommen sind gerade Porträts von archaischer Wucht und stiller Größe.

Das Knödelland aus zwei Perspektiven, bis 8. April, Gasteig, Foyer, Eintritt frei

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