Ausstellung:Blick nach vorn

Der Künstlerverbund im Haus der Kunst bittet zur "Pause". Die veränderte Vorstandschaft sieht verhalten optimistisch in die Zukunft

Von Evelyn Vogel

Peter Fischli David Weiss

Konzentration auf das Wesentliche, auch wenn drumherum die Hölle los ist: Das Katzenvideo "Büsi", das Peter Fischli und David Weiss 2001 am Times Square laufen ließen, gilt als Inbegriff kontemplativen Verhaltens.

(Foto: Peter Fischli David Weiss Zürich 2018 / Courtesy Sprüth Magers; Matthew Marks Gallery, Galerie Eva Presenhuber)

Wer eine Pause einlegt, hört nicht auf, er unterbricht das augenblickliche Geschehen nur für eine gewisse Zeit, bleibt aber weiter dran an der Sache. Wer auf einem technischen Gerät die Pausetaste drückt, hält die Wiedergabe zwar an, er tut dies aber in der Gewissheit, dass es gleich weitergeht. Der Pause fehlt es also in Vergleich zur Stopptaste an Endgültigkeit und damit an Radikalität. Interessant ist, dass im Zuge der Digitalisierung die Funktion mehr und mehr am Verschwinden ist. Das Anthropozän kennt scheint's nur noch Stopp and Go. Die Pause als eine Form des kontemplativen Innehaltens, das Gesellschaften über Jahrhunderte geprägt hat, gerät aus der Mode - es sei denn, sie wird in Form von Achtsamkeitstraining modisch verpackt.

Auch das Haus der Kunst macht augenblicklich eine Pause - wenn auch eine Zwangspause. Wie es künstlerisch weitergehen wird nach dem Abgang von Direktor Okwui Enwezor Ende Juni, ist ungewiss. Ob und, wenn ja, wann und wie die Sanierung tatsächlich kommen wird, ebenso, denn nach dem Rücktritt Enwezors und dem Amtsverlust des früheren Kunstministers Ludwig Spaenle hat der mit der Sanierungsplanung beauftragte Architekt David Chipperfield seine stärksten Entwurfsbefürworter verloren. Und ob die Ausstellungshalle ohne eigene Sammlung bei laufendem Teilbetrieb saniert wird oder doch auf Jahre komplett dicht machen muss, ist noch längst nicht ausgemacht.

Alle zwei Jahre eine Pause einlegen muss auch der Künstlerverbund im Haus der Kunst, seit er die ehemals "Große Kunstausstellung" nur noch in Form einer Biennale organisieren kann. Um in den Jahren dazwischen präsent zu bleiben, veranstaltet der Verein seit 2014 kurze Intermezzi. In diesem Jahr eine echte Pause zu machen, wäre für den 1948 gegründete Künstlerverbund gar nicht in Frage gekommen. Aber natürlich fragen sich auch dessen Mitglieder, wie es nun mit der Ausstellungshalle als Heimstatt des Vereins weitergehen wird. Zumal der Künstlerverbund - wenn auch nur mit einem kleinen Anteil - Mitgesellschafter ist. Vereinspräsident Albert Coers beschreibt die aktuelle Situation positiv: "Ich habe den Eindruck, dass dies eine Chance ist, verkrustete Strukturen aufzubrechen." Man sei mit dem derzeitigen Geschäftsführer Bernhard Spies im Gespräch. Zudem erhalte man Unterstützung durch dessen Interimsvorgänger Stefan Gros. Der Unternehmensberater hat kommissarisch den Posten des Schatzmeisters übernommen, vertritt als Vorstandsmitglied den Verein im Aufsichtsrat und will sich im Herbst regulär zur Wahl stellen. Er wolle seinen kaufmännischen Sachverstand einbringen, erklärt Gros, um den Künstlerverbund weiterzuentwickeln. Dieser sei "die Keimzelle" des Hauses. "Ich habe jedoch den Eindruck, dass der Verbund in den zurückliegenden Jahren an den Rand gedrängt wurde", sagt Gros.

In der von Courtenay Smith, Albert Coers und Alexander Steig kuratierten Ausstellung setzen sich 25 Künstler auf vielfältige Weise mit dem Thema "Pause" auseinander. Die Überlegungen von Andreas Ullrich, der das Stopp- und Pausesymbol verschmolzen hat, geben das grafische CI der gesamten Schau ab. Das berühmte Katzenvideo von Fischli-Weiss wirkt wie das Leitmotiv. In zahlreichen Bild- und Soundinstallationen, Filmen, Fotos und Environments werden Momente der Unterbrechung, des Fortfahrens, der Endlosschleife, des nicht Anhaltenkönnens, aber auch des Innehaltens, der Kontemplation, des Genießens verhandelt. Herausragend im Mittelraum die "Kleine Kaltlandschaft" von Daniel Bräg - ein zeitgenössisches Memento Mori. Meditative Aspekte kommen beispielsweise bei Ute Heims "Rambling Man" oder Peter Sauerers "Heimatstück" zum Ausdruck. Und in Anlehnung an einen bekannten Film von Woody Allan könnte man die Arbeit "Beichten gehen" des Künstlerpaares Daniel und Karolin Bräg beschreiben als: "Was Sie schon immer über Kunst wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten." Das alles ist ziemlich spannend und mitunter recht erhellend - auch wenn die Zukunft des Hauses der Kunst recht düster scheint. Der Künstlerverbund wenigstens blickt verhalten optimistisch in die Zukunft.

Pause, Künstlerverbund im Haus der Kunst, Prinzregentenstr. 1, Südgalerie, bis 29. Juli, tägl. 10-20 Uhr, Do 10-22 Uhr; Symposium: Sa., 28. Juli, 11-17 Uhr mit Wolfgang Ullrich, Lambert Wiesing, Friederike Sigler und Joanna Warsza

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