Ausstellung:Aus dem Dunkeln geholt

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Gherardo Starninas Marientryptichon ist ein leuchtendes Beispiel florentinischer Malerei. (Foto: Gemäldegalerie des Martin von Wagner Museums)

In der Würzburger Residenz strahlt die Gemäldegalerie des Martin von Wagner Museums in neuem Licht

Von Florian Welle, Würzburg

Hier und da fehlen noch Deckenleuchten, die einzelne Bilder ins rechte Licht rücken. Ansonsten zeigt sich die Gemäldegalerie des Martin von Wagner Museums seit ihrer Wiedereröffnung im Oktober von einer neuen, strahlenden Seite: Nach zweieinhalbjähriger Renovierung sind die Zeiten, in denen die stolzen 5,60 Meter hohen Säle im Südflügel der Würzburger Residenz in ein diffuses, Aquarium ähnliches Licht getaucht waren, vorbei. "Durch die großen Fenster sah man die Bilder tagsüber nur im Gegenlicht", erzählt der Direktor der Neueren Abteilung, Damian Dombrowski, "und abends streuten die funzeligen Leuchtstoffröhren lediglich das Licht über die Decke". Nun flaniert der Besucher durch elf gut ausgeleuchtete Räume, deren aufwendig geglätteten Wände in verschiedenen Abstufungen des Echter-Blaus, benannt nach Julius Echter, dem bedeutendsten aller Würzburger Fürstbischöfe und unter anderem Gründer der Universität, bemalt sind und die 450 thematisch wie nach geografischer Herkunft umsichtig gehängten Exponate aus der Zeit des Mittelalters bis zur frühen Moderne eindrucksvoll zur Geltung bringen.

Die Residenz beherbergt seit 1963 das wegen seines reichen Bestands in Kontinentaleuropa einzigartige Universitätsmuseum. Es erlaubt mit der Antikensammlung und der Gemäldegalerie sowie der Graphischen Sammlung einen Rundgang durch sechs Jahrtausende Kunst- und Kulturgeschichte und ist in dieser Form nur vergleichbar mit britischen Universitätssammlungen wie zum Beispiel dem Oxforder Ashmolean Museum.

Doch die Strahlkraft des 1832 gegründeten Museums ließ jahrzehntelang zu wünschen übrig, was nicht zuletzt an den veralteten Räumlichkeiten, vor allem der Gemäldegalerie, lag. Ihre Modernisierung wurde erst möglich, als die Sammlung 2014 eine Leitung mit jeweils einem Direktor für die Ältere und die Neuere Abteilung erhielt. Bis dahin wurde sie von den Lehrstühlen für Klassische Archäologie und Kunstgeschichte der Universität Würzburg verwaltet. Verwaltet, aber eben nicht gestaltet. Mit Damian Dombrowski kam 2014 für die Neuere Abteilung der richtige Mann zur richtigen Zeit ins Amt. Im Hinblick auf den 400. Todestag Julius Echters im Jahr 2017, das Anlass für eine große Echter-Ausstellung sein sollte, setzte sich der Kunsthistoriker gemeinsam mit dem neuen Kurator Markus Maier von Anfang an mit Nachdruck für die Renovierung der ehemals fürstbischöflichen Räume ein. Die Ertüchtigung wurde dann nur für die Zeit der Schau "Julius Echter - Patron der Künste" unterbrochen und anschließend bis Herbst 2018 fertiggestellt.

Ehe man die Säle nun betritt, kann sich der Besucher an Medienstationen über die Geschichte der Gemäldegalerie informieren. So erfährt er hier von Franz Joseph Fröhlich, auf dessen Sammlertätigkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert der große hauseigene Bestand an niederländischer Malerei zurückzuführen ist. Und natürlich begegnet man in Schrift und Bild dem Namenspatron des Museums, dem in Würzburg geborenen, deutschrömischen Maler, Zeichner, und bedeutenden Kunstagenten von König Ludwig I., Johann Martin von Wagner. Eine schillernde Persönlichkeit, deren Leben, als Künstler wie als gut vernetzter Strippenzieher im Hintergrund, bislang nur in Ansätzen erzählt ist.

Ihm verdankt die Sammlung auch ihren ersten Höhepunkt: Das um 1405 gemalte Marientriptychon von Gherardo Starnina wurde von ihm erworben und bannt nun die Blicke im ersten, allein der Kunst des Mittelalters gewidmeten Raum. Der weitgereiste Starnina war der wichtigste Florentiner Maler in der Nachfolge Giottos an der Schwelle zum 15. Jahrhundert. Sein Triptychon, das in Wirklichkeit Teil eines viel größeren, heute in alle Erdteile verstreuten Polyptychons ist, gilt als das besterhaltene Werk Florentiner Malerei jener Zeit und besticht durch die immense Leuchtkraft seiner Farben auf goldenem Grund wie die beseelten Gesichter der Figuren.

So gut wie jeder Raum wartet mit einem speziellen Blickfang auf. Im Italiener-Saal ist es das vielfältig Zwiesprache haltende, vertrackt zu nennende Doppelporträt "Künstlerfreunde im Spiegel" von Bernardino Licinio, das, um 1530 angefertigt, heute so gut wie in keiner Studie zur Geschichte des Renaissance-Porträts fehlt. Man sieht einen Architekten in Rückansicht, der sich in einem Spiegel selbst betrachtet. Daneben spiegelt sich der Maler des Bildes selbst. Was bedeutet, dass wir, die Betrachter des Gemäldes, die Position des Malers eingenommen haben. Schreitet man weiter in Raum und Zeit, stößt man auf Tiepolos "Mucius Scaevola vor Porsenna". Einst im Besitz Balthasar Neumanns, stellt es uns Tiepolo als begnadeten Koloristen vor Augen: Großes Barocktheater, farblich zart, gestisch exaltiert.

Auch in den anderen Räumen - Holländer, deutsche Kunst von der Renaissance über Klassizismus bis zur frühen Moderne - gibt es bedeutende Werke. Ebenso spannend ist es, den Blick auf weniger bekannte Maler zu richten. Zumal von den über 400 gezeigten Werken rund 100 bislang im Depot schlummerten. Da ist das "Seestück mit Fischerbooten" von Willem van Diest von 1643 mit seinem milchig bis silbergrau glänzenden Licht ebenso zu nennen wie das fast zeitgleich entstandene, noch kleinformatigere Stillleben Otto Marseus van Schriecks mit "totem Salamander und Schmetterlingen". Selten hat man den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen so wahrhaftig und bewegend in Szene gesetzt gesehen wie hier.

Gemäldegalerie des Martin von Wagner Museums ; Würzburg, Residenzplatz 2, Di.-Sa., 10-13.30 Uhr, Sonntag (im Wechsel mit der Antikensammlung), 10-13.30 Uhr

© SZ vom 08.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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