Ausstellung: Amazonen:Mit Pfeil und Busen

Der Tag, an dem die Amazonen kamen: Eine Ausstellung über die männermordenden, barbusigen Kriegerinnen erzählt die Geschichte des wehrhaften Frauenvolks.

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Credit: M.G.M/UNITED ARTIST / SCHAPIRO, STEVE / Album

Quelle: SZ

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Es gab sie wirklich, die separat lebenden, männermordenden, Brüste zeigenden Kriegerinnen: Das Historische Museum in Speyer erzählt die Geschichte der Amazonen.

Lasst uns zu den Waffen greifen! Wir haben dazu das Recht, von Natur aus und sogar vor dem Gesetz; lasst uns den Männern zeigen, dass wir ihnen weder an Mut noch an Tugend unterlegen sind!" So rief in der Französischen Revolution Théroigne de Méricourt. Sie war ein jakobinisches "Flintenweib". Dieser Frau, die 1792 am Sturm auf den Tuilerienpalast beteiligt war, schwebte die Bildung eines eigenen "Amazonenkorps" vor. Das wurde dann selbst den veränderungswilligsten männlichen Revolutionskollegen ein bisschen zu viel. Aber es belegt die ungeheure Wirkung des alten Mythos von den Amazonen in der Neuzeit, bis hin zur entblößten Brust der fahnenschwingenden "Freiheit" in dem berühmten Revolutionsbild von Eugène Delacroix (1830).

Text: SZ vom 21.09.2010/ Johan Schloemann/ sueddeutsche.de/ls

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Quelle: SZ

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"Amazonen" sollen sich im heutigen Brasilien den spanischen Konquistadoren im Jahr 1542 entgegengestellt haben: "Mit ihren Pfeilen und Bogen kämpfen sie wie zehn Indios", schrieb ein Dominikanerpater in seinem Expeditionsbericht, und der Fluss Amazonas hat möglicherweise daher seine Benennung. Auf Stichen des 16. Jahrhunderts wird gar der ganze Kontinent Amerika als Amazone personifiziert. Als Amazonen treten uns adlige Französinnen in Porträts des 17. Jahrhunderts entgegen; Amazonen kämpfen weiter in der Populärkultur der Comics, Computerspiele und Abenteuerfilme: "Wonder Woman", "Red Sonja" (verfilmt mit Brigitte Nielsen), "Lara Croft" (verfilmt mit Angelina Jolie) oder auch die TV-Figur "Xena, Warrior Princess", die zur Heldin der lesbischen Subkultur wurde.

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Quelle: SZ

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Der mittelalterliche Historiker Saxo Grammaticus berichtet von Kampf-Frauen in der altdänischen Geschichte: diese hätten "ihr wahres Selbst" aufgegeben. Auch Charles Baudelaire spricht von der amazone inhumaine. Und so fungieren denn auch die Amazonen bis heute mal als feministische Vorbilder, mal als männliche Angst- und Lustobjekte. Wenn die Männer schließlich siegen, was sie oft taten, dann gilt von den Amazonen: "Sie werden ernst genommen, nur um die Fallhöhe zu vergrößern" (Heinz-Peter Preußer).

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Quelle: Peter Haag-Kirchner

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Ernst genommen wird die antike Erzählung von den Amazonen, dem wehrhaften Frauenvolk, nun auch in einer sehenswerten Ausstellung im Historischen Museum in Speyer: von der ebenfalls dargestellten bunten Wirkungsgeschichte zurück zu ihren möglichen historischen Ursprüngen.

Amazonen Ausstellung

Quelle: SZ

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Erstmals in der abendländischen Tradition erwähnt sind die Amazonen in der homerischen "Ilias": der Trojanerkönig Priamos erinnert sich dort an frühere Kämpfe "an dem Tag, als die Amazonen kamen, die männergleichen".

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Quelle: Antikenmuseum Basel und Sammlung

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Und in den epischen Erzählungen, die nach der Ilias-Handlung spielen, verliebt sich Achilles in die gerade getötete Amazone Penthesilea. Schon früh, um 700 v. Chr., setzt die Karriere der Amazonen auch in der bildenden Kunst ein.

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Quelle: Institute of Archaeology and Et

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Als Vorstellung von einem separat lebenden, männermordenden, Brüste zeigenden Kriegerinnenvolk ist dieser Amazonenmythos eine exotische Matriarchatsphantasie, in der sich die Verhältnisse der griechischen Gesellschaft als umgekehrte spiegeln. Nun aber hat die Archäologie in jüngerer Zeit vor allem im Schwarzmeergebiet eindeutig identifizierbare Gräber von Nomaden-Kriegerinnen freigelegt - das weibliche Geschlecht ist durch DNS-Proben nachweisbar. Den toten Frauen wurden ihr Waffenarsenal und Kriegsschmuck beigegeben, zum Teil mit Gebrauchsspuren.

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Quelle: Privat/Historisches Museum der P

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Diese Funde, meist aus dem 7.bis 4.vorchristlichen Jahrhundert, stammen aus der heutigen Ukraine, aus Russland, vom Kaukasus. Aus einer entfernteren Kultur wurde außerdem im Jahr 1990 zwischen Kasachstan und der Mongolei eine junge Kriegerin entdeckt, deren Knochen und Grabbeigaben nun in Speyer erstmals in Europa ausgestellt sind.

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Quelle: The Trustees of British Museum.

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Es erscheint also heute gut möglich, dass die Erzählungen der Griechen von Kriegerinnen am Rande der Zivilisation einen realen Kern haben: Schon die Amazonen bei Homer könnten auf wandernde Berichte von nomadischen Kämpferinnen zurückgehen - Berichte, die dann durch die koloniale Expansion der Griechen ins Schwarzmeergebiet und die Begegnung mit dem fremden Volk der Skythen aufgefrischt wurden. Als der Historiker Herodot im fünften Jahrhundert vor Christus nach Norden reiste, hatten sich die Amazonen angeblich schon Richtung Kiew verzogen.

Amazonen Ausstellung

Quelle: SZ

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Der Mythos ist immer stärker als die Wirklichkeit. Und so hätten die griechischen Amazonen gewiss auch ohne reale Anknüpfung und ohne Höchstleistungen der skythischen Archäologie überlebt, so wie das den Kentauren, Kyklopen und Giganten ja auch gelungen ist. Und doch übt die Konfrontation der klassischen Motive mit den harten Nomadenfrauen in der Speyerer Ausstellung einen großen Reiz aus, lässt sie einen doch wieder einmal über die alte Frage grübeln, ob nun der Mythos vor allem gesunkene Geschichte ist oder umgekehrt zur Geschichte erhobenes Märchen.

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Quelle: SZ

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Die Schau über die starken Frauen in Speyer ist effektvoll multimedial inszeniert, mit Säulenrepliken und Quiz-Monitoren. Man fühlt sich, das ist in kulturhistorischen Ausstellungen immer üblicher, wie in einem begehbaren History Channel. Das geht immer dann in Ordnung, wenn der dramatischen Hinführung, wie in Speyer, auch hervorragende Leihgaben entsprechen. Es beginnt mit den Griechen, wo der Kampf mit den Amazonen ein höchst beliebtes Motiv war: Wahrscheinlich war er dargestellt auf den verwitterten Metopen an der Westfassade des Athener Parthenontempels, sicher auf dem Amazonenfries des Mausoleums in Halikarnass (heute: Bodrum), welches zu den sieben Weltwundern gezählt wurde - zwei Fragmente wurden aus London ausgeliehen.

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Quelle: Antikenmuseum Basel und Sammlung

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Großartige Vasenbilder und Marmorköpfe aus Basel, München, Genf, Neapel und anderen Museen zeigen die drei wichtigsten Amazonenmythen: Theseus und Antiope, Achill und Penthesilea, Herakles und Hippolyte. Die meist bildschönen Kriegerinnen sind mal in griechischer Rüstung, mal im skythischen Barbarenkleid dargestellt. Neben einem kaiserzeitlichen Amazonenkopf aus Kopenhagen stehen Gipsabgüsse der drei klassischen Skulpturentypen, die die berühmtesten griechischen Bildhauer in einem Wettbewerb für den Artemistempel in Ephesos schufen. Der Besucher darf entscheiden: Wer ist die schönste?

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Quelle: Institute of Archaeology and Eth

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Frauen haben ja nach traditionellem Verständnis im Krieg nichts zu suchen. In der funktionalen Deutung des Amazonenkampfes betont die Ausstellung daher, er habe der Stabilisierung der griechischen Männergesellschaft gedient. Das ist richtig, aber wohl etwas zu simpel. Die tragische Grundstimmung der Griechen ließ sie, gerade in Literatur und Kunst, immer viel Verständnis für das Prekäre und für den besiegten Feind entwickeln: aus der Einsicht, dass das Schicksal immer auch andersherum gehen kann. In diesem Lichte muss auch die sehr respektvolle Darstellung der Amazonen gesehen werden.

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Quelle: Institute of Archaeology and Eth

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Nach den Mythenbildern kommt in Speyer der Cliffhanger: Hat es vielleicht doch echte "Amazonen" gegeben? Dann werden jene Kriegerinnengräber der Skythen ausgebreitet, die bunte Waffen- und Schmuckwelt des fahrenden Volkes, das mit den Griechen in Kontakt kam, mit Leihgaben insbesondere aus Kiew, alles auf dem jüngsten Stand der Forschung. Der dritte Teil begleitet die Amazonen durch ihre neuzeitliche Geschichte, mit Kunstwerken von Anselm Feuerbach, dem Sohn Speyers, von Tischbein, Thorvaldsen und Slevogt, bis hin zu Pop und Trash. Hat man am Ende die ganze Macht des (Männer-)Bildes der kriegerischen Frau vorgeführt bekommen, glaubt man erst einmal nicht, dass die Abrüstung im Genderkampf unmittelbar bevorstehe.

"Amazonen. Geheimnisvolle Kriegerinnen", Historisches Museum der Pfalz, Speyer, bis 13. Februar 2011. Info: www.museum.speyer.de. Katalog (Edition Minerva): im Museum 24,95 Euro.

© SZ/ls
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