Ausstellung: 40 Jahre "Queen":Schamloser Bombast

England feiert den 40. Geburtstag der legendären Rockband "Queen" mit einer Ausstellung, einem Film, einer Briefmarke - und genau jenem Pathos, das die Band auszeichnete.

Alexander Menden

Brian May hat einen dicken Verband um den Zeigefinger der linken Hand gewickelt. Er sei am Verschluss eines Olivenölkanisters gescheitert, berichtet er in dem winzigen Kellerraum der ehemaligen Londoner Trident Studios, in dem er über die Ausstellung sprechen will, die gerade anlässlich des 40. Gründungsjubiläums von Queen eröffnet hat. "Es war ein ziemlich tiefer Schnitt", sagt May gleichmütig, "ein Teil der Fingerkuppe bleibt wohl taub. Aber wenigstens habe ich die Sehne verfehlt, um einen Millimeter." Keine große Sache - darüber, dass seine Tage als Gitarrist hätten vorüber sein können, verliert er keinen Ton.

An employee poses with 3D footage of singer Freddie Mercury and the band Queen at a media preview of the 'Stormtroopers in Stilettos' at the Truman Brewery in London

Bei Stormtroopers in Stilettos ist am Aufwand nicht gespart worden: Ein Clip der 3-D-Bearbeitung des Bohemian Rhapsody-Videos ist zu sehen, dazu reichlich interaktive Exponate, vor allem Laptops, auf denen man seltenes, zum Teil nie gesehenes Archivmaterial früher Touren und Fernsehauftritte in den USA und Japan abrufen kann.

(Foto: REUTERS)

Trüge er nicht diese angegraute, aber noch immer ziemlich volle Mähne, man käme nie auf die Idee, hier eine Rocklegende vor sich zu haben, so freundlich und wohlüberlegt beantwortet er noch die dämlichsten Fragen ("Brian, wann wusstest Du, dass die Welt dir zu Füßen liegt?"). Brian May, von Gitarristen als begnadeter Virtuose gefeiert, Doktor der Astrophysik, Dachsschützer und Sammler stereoskopischer Dias, wirkt wie das personifzierte Understatement.

Das ist umso rätselhafter, als die Band, der May seinen Weltruhm verdankt, mit Understatement nie viel anfangen konnte: Queen lebte von der Übertreibung, vom schamlosen Bombast, von der Inszenierung des Rock als große Oper ohne jede Scheu vor Pathos und Übertreibung. Davon, dass sich an dieser Grundeinstellung nichts geändert hat, kann man sich in der Ausstellung Stormtroopers in Stilettos überzeugen.

Die Schau im Kunst- und Medienzentrum Truman Brewery an der Londoner Brick Lane, die später im Jahr auch nach Berlin kommen soll, bietet einen umfassenden Überblick über die frühen Jahre von Queen. Um einen Eindruck vom Tonfall zu bekommen, in dem diese Ära nacherzählt wird, genügen Sätze wie der One Night At The Opera sei "eines der großartigsten Alben aller Zeiten" oder die Selbstverständlichkeit, mit der ihr größter Hit Bohemian Rhapsody zum Song des Jahrtausends erklärt wird.

Anlass der Schau ist nicht der 20. Todestag Freddie Mercurys im kommenden November, sondern vielmehr die Rekrutierung von Bassist John Deacon als letzes festes Band-Mitglied im März 1971. "Ich hatte viele der Bilder lange nicht gesehen, und es kamen nicht nur gute Erinnerungen hoch", erzählt Brian May. "Das Ganze hat mir zum Beispiel wieder bewusst gemacht, wie wenig Geld wir vor vierzig Jahren hatten."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Freddie Mercury mit Sasha Baron Caron zu tun hat.

Capes und Damenröcke

Bei Stormtroopers in Stilettos ist am Aufwand nicht gespart worden. Die Ausstellung füllt eine ganze Etage im rückwärtigen Lagerhaus der Truman Brewery. Es gibt reichlich interaktive Exponate, vor allem Laptops, auf denen man seltenes, zum Teil nie gesehenes Archivmaterial früher Touren und Fernsehauftritte in den USA und Japan abrufen kann.

Das allein würde den Besuch vielleicht nicht rechtfertigen, denn es wird nicht lange dauern, bis man sich diese Filmausschnitte auch im Internet ansehen kann. Die Schau lebt vielmehr von ihren Unikaten und Rock-Memorabilien, die dem wahren Fan Schauer wohliger Erinnerung bescheren: So sind Freddie Mercurys Wurzeln in der Londoner Modeszene unter anderem durch Entwürfe von Capes und Damenröcken belegt, die er in den späten Sechziger Jahren am Ealing Art College produzierte, und die hier erstmals öffentlich gezeigt werden. Die Ähnlichkeiten zwischen diesen Designs und seinen späteren Bühnenkostümen ist unverkennbar.

Ein neunzigminütiger Clip der 3-D-Bearbeitung des Bohemian Rhapsody-Videos ist zu sehen. Roger Taylors erstes Schlagzeug steht in einer Rekonstruktion des Rockfield-Studios, in dem 1975 A Night At The Opera eingespielt wurde. Und in einer kleinen Vitrine ruhen Mercurys Balettschlappen. So ist Stormtroopers in Stilettos ein grandioser Spaß für Queen-Nostalgiker.

Dabei ist Brian May selbst gar nicht so sehr nach Rückschau zumute. Dass er jetzt ausgerechnet hier in den Trident Studios sitzt, in denen Queen ihre ersten Alben aufnahmen, ist vor allem der Beharrlichkeit eines japanischen Fernsehsenders zu verdanken, der ihn nirgendwo anders interviewen wollte. Doch mit noch größerer Begeisterung als über "Stormtroopers in Stilettos" spricht er über die bevorstehende Tour mit der Muscial-Sängerin Kerry Ellis.

Er streift die geplante Freddy-Mercury-Filmbiographie, in der Sasha Baron Cohen die Hauptrolle spielen soll, der Komiker, der mit Rollen wir Borat und Ali G. bekannt wurde ("Freddie hatte einen sehr ähnlichen Humor wie Sasha, er hat auch immer alle verarscht"). Und er preist natürlich die frisch gemasterten Neuauflagen der ersten fünf Alben an, die diesen Monat bei Queens neuer Plattenfirma Universal erscheinen werden.

Bevor man nach dem Gespräch die ehemaligen Trident Studios wieder verlässt, bekommt man noch ein Heftchen mit Sondermarken der Royal Mail in die Hand gedrückt. Die neue Edition ist den erfolgreichsten Musicals des Londoner West End gewidmet, und zwischen Oliver! und Monty Python's Spamalot findet sich auch We Will Rock You. Das Queen-Musical läuft seit neun Jahren ununterbrochen gleich um die Ecke, im Dominion Theatre, und hat vieles mit der Band gemein, auf deren Songs es beruht: Es fand unter den Kritikern wenige Freunde, ist unfassbar erfolgreich und zu einer offiziell beglaubigten britischen Institution avanciert.

"Queen - Stormtroopers in Stilettos" in der Old Truman Brewery, 91 Brick Lane, London, bis 12. März. Info: http://www.stormtroopersinstilettos.com/

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