Auktionsrückblick:Die neuen Meister

Kunstmarkt 3

Sensationserfolg: Adolph Menzels Pastell "Emilie in roter Bluse" stieg von 300 000 Euro auf eine Million. Abb.: Villa Grisebach

Die deutschen Häuser blicken auf eine gute Saison zurück. Doch das Tempo verlangsamt sich, und die Branche ist von allen Seiten unter Druck.

Von Dorothea Baumer

So hartnäckig wurde schon lange nicht mehr um einen Alten Meister gerungen wie am 7. Juli bei Christie's in London um Peter Paul Rubens' "Lot und seine Töchter". 14 lange Minuten hielt das Gefecht die Bieter in Atem, bevor der Hammer bei 40 Millionen Pfund fiel. Es war der höchste Altmeisterzuschlag in der 250-jährigen Geschichte des Hauses. Einen Augenblick lang war die Alte Kunst wieder ins Blickfeld gerückt und ließ ihren schwindenden Nimbus vergessen. Doch das war in dieser Saison die große Ausnahme. Nun geht es in deutschen Auktionshäusern generell bescheidener zu, aber auch hier führen nur noch exzeptionelle Stücke zum Erfolg, und der Wettbewerb um die Akquise ist hart geworden. Dem Kunsthandel wird es derzeit von allen Seiten schwer gemacht. Den Antiken-Spezialisten schlägt Misstrauen entgegen. Im Bilderhandel, der schon durch erhöhte Mehrwertsteuer und Folgerechtsabgaben belastet war, ist die Abwanderung von Kunstwerken wegen des neuen Kulturgutschutzgesetzes bereits Realität. Das Interesse an den Alten Meistern schrumpft.

19. Jahrhundert und Moderne laufen gut. Doch gefragter waren die Zeitgenossen

Allein Lempertz in Köln verfügte in diesem Segment über eine nennenswerte Offerte, und doch blieben die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück. Das mit einer Million Euro geschätzte "Hochzeitsmahl im Freien" von Pieter Brueghel d. J. wurde bei 900 000 zugeschlagen. Für Nicolas Poussins "Landschaft mit Apoll und Marsyas", im letzten Jahr noch mit 300 000 geschätzt, genügten mit Aufgeld 211 000 Euro. Zwei Landschaften von Jan Brueghel d. Ä. gingen zurück.

Stattdessen betrat ein neuer Protagonist die Bühne: das 19. Jahrhundert. Die Häuser von Berlin bis München meldeten Erstaunliches. Die Neuen Meister sind jetzt das, was bisher die Alten waren. Ketterer in München etwa gelang es, 80 Prozent der Lose zu verkaufen, 30 Prozent davon an Neukunden. Eine bis dahin unbekannte Schönheit von Franz von Stuck, "Frühling", rief man etwa für 30 000 Euro auf und gab sie für 300 000 ab.

Bei Karl & Faber waren vor allem Landschaften der Münchner Schule gefragt, darunter ein Spitzweg'scher "Adlerjäger" für 75 000 Euro. Ebenso bei Neumeister, wo eine für Albert Bierstadt reklamierte südliche Landschaft in drei Minuten von 1000 Euro auf über 60 000 schoss. Bei Lempertz avancierte, neben Werken von Spitzweg, Leibl und Schuch, eine bengalisch illuminierte "Piazzetta di San Marco" von Friedrich Nerly zum Starlos. Sie kletterte von angemessenen 280 000 Euro auf eine knappe halbe Million.

Zum Sensationserfolg der Berliner Villa Grisebach wurde ein an die Erben des Berliner Verlegers Rudolf Mosse restituiertes Pastell von Adolph Menzel, "Emilie in roter Bluse". Es war mit 300 000 Euro taxiert und spielte eine glatte Million ein. Den Gesamtumsatz dieser Sparte hob es auf 3,1 Millionen. Auffallend gute Ergebnisse verzeichnete auch das Kunsthandwerk, selbst in kleineren Häusern wie Ruef oder Scheublein Art & Auktionen in München.

Die eigentlichen Motoren des Auktionsgeschehens waren freilich mehr denn je Moderne und zeitgenössische Kunst, wenngleich die Geschäfte langsamer liefen als im letzten Jahr. Die notorischen Nachschubprobleme der Moderne sind nicht geringer geworden, und so durfte sich Villa Grisebach glücklich schätzen, dass ihr zwei bedeutende alte Sammlungen zufielen. Trotz der beiden Millionen-Zuschläge in der Abendauktion ausgewählter Werke - für Emil Noldes Gemälde "Weiße Wolken" aus der Sammlung Colsman und Otto Muellers Akte "Zwei Mädchen mit gegabeltem Baum", die ein skandinavisches Museum erwarb - waren die Schwächen nicht zu übersehen. Zu Höhenflügen reizte das Angebot kaum, häufig wurde die untere Schätzung nur knapp erreicht. Die Rückgänge waren mit 21 von 62 Losen, darunter Werke von Walter Dexel, Karl Hofer und Max Liebermann, empfindlich.

Der Erfolg des neusachlichen Künstlers Anton Räderscheidt allerdings, um dessen "Jungen Mann mit gelben Handschuhen" von 1921 auch Museen warben, und der statt 180 000 Euro 325 000 kostete, ließ die schwachen Zeitgenossen vergessen. Eher routiniert und ohne größere Leidenschaften zu entfachen, verliefen die Moderne-Auktionen bei Lempertz. Das mit 800 000 Euro geschätzte Spitzenlos, Van Goghs frühe Kreidezeichnung einer Bäuerin, "Femme semant" von 1881, ließ sich ein ausländischer Bieter gut eine Million kosten. Auch Otto Muellers "Sitzendes Mädchen am Wasser" überstieg mit 80 000 Euro weit die Taxe. Dasselbe gelang einem Akt des Wahlparisers Léonard Tsuguharu Foujita, für den ein Liebhaber fast 200 000 Euro zahlte.

Gefragter als die Moderne waren erneut die Zeitgenossen. Konrad Klaphecks Telefonbild "Gefährliche Liebschaften" stieg von 120 000 auf 334 800 Euro, Karin Kneffels hyperrealistische "Pfirsiche" von 150 000 auf 210 800; Ernst Wilhelm Nay lieferte mit einem Scheibenbild für 372 000 Euro das teuerste Los.

Das Zero-Fieber ist noch lange nicht abgeklungen. Ein Günther Uecker verdreifachte seine Taxe

Mit dem bislang besten Frühjahrsergebnis schloss Van Ham, das zweite Kölner Haus, zu dessen Erfolgsbilanz ein kleines, von 100 000 auf 345 000 gehobenes Öl auf Karton von Gerhard Richter zählten, sieben Polke-Arbeiten mit Erlösen von bis zu 217 600 Euro und eine restlos veräußerte Sammlung von Beuys-Multiples. Außerdem ein 1974 entstandenes Rätselbild mit Kriegsschiff, das auf über 280 000 Euro stieg und seine Taxe mehr als verdoppelte.

Auch die Bilanz der Münchner Auktionswoche fiel weitgehend positiv aus. In einer knapp gehaltenen Moderne-Offerte erzielte Karl & Faber mit der spröden Bronze "Kriechende Frau" aus den Dreißigern den zweithöchsten Zuschlag für eine Max Beckmann-Skulptur (250 000), während Neumeister mit einer Privatsammlung amerikanischer Pop Art samt einem Toplos von Roy Lichtenstein für 762 000 Euro reüssierte.

Ketterer hatte sowohl für modern wie auch für zeitgenössisch Sammelnde Attraktives zu bieten. Die Preisspitze von 700 000 Euro nahm hier Max Pechsteins Landschaft "Stürmisches Wetter" von 1919 ein, gefolgt vom Rekordhalter der Zero-Kunst, Günther Uecker, dessen "Feld I" mit 525 000 Euro seine Taxe verdreifachte. Dass das Zero-Fieber noch keineswegs abgeklungen ist verrät die Statistik des Hauses: Von den 37 Zuschlägen über 100 000 Euro entfielen elf auf diese Künstlergruppe. Die Nachfrage nach Kunst, das zeigt der Rückblick, ist ungebrochen groß. An Mitteln fehlt es ebenso wenig. Ob ein starker Herbst folgt, entscheidet allein das Angebot.

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