Auktionsrekord:Stille Wasser

Lesezeit: 2 min

Ein Pool-Bild von David Hockney ist das teuerste Werk eines lebenden Künstlers.

Von Nora Reinhardt

Man sieht dem sanften, entspannten Gemälde nicht an, dass es unter größtem Stress fertiggestellt wurde. Der damals 34-jährige David Hockney malte in den zwei Wochen vor der Ausstellung in seiner amerikanischen Galerie im April 1972 18 Stunden täglich daran. Erst in der Nacht, bevor das Werk aus London nach New York verschickt werden musste, wurde es fertig.

Nun war "Portrait of an Artist (Pool with Two Figures)" erneut in New York. Und wieder wurde es hektisch. Im Auktionsraum von Christie's rangen die Bieter am Donnerstagabend fast eine Viertelstunde lang um den Zuschlag für das Bild. Der lag schließlich bei 90,3 Millionen Dollar. Damit ist Hockney's Pool-Szene das teuerste Werk eines lebenden Künstlers. Diesen Rekord hielt bis dahin Jeff Koons, dessen "Balloon Dog (Orange)" 2013 für 58,4 Millionen versteigert wurde. Hockney, 81, ist damit in einer Preisklasse mit seinen (verstorbenen) Generationsgenossen Cy Twombly und Mark Rothko angekommen.

Ungewöhnlicherweise wurde das Gemälde ohne Mindestpreis angeboten. Und so schossen die Gebote innerhalb der ersten Minuten in Zwei- und Drei-Millionenschritten auf die 65-Millionen-Dollar-Marke. Zwei verbliebene Interessenten schaukelten sich zehn Minuten lang die weiteren 30 Millionen Dollar hoch. Wer das drei mal zwei Meter große Gemälde ersteigert hat, ist nicht bekannt. Ebenso wenig weiß man, wo es in den vergangenen Jahren hing und wer es nun eingeliefert hat. Laut Christie's gehörte es einem "bedeutenden Privatsammler", wie es so oft in den Katalogen heißt. Gerüchten zufolge soll es sich um den Milliardär Joe Lewis handeln, der unter anderem den Fußballclub Tottenham Hotspur besitzt.

Solide, gefällig, fast bescheiden: Hockneys Bild ist wie gemacht für unsere unsichere Zeit

Bleibt die Frage, was der Auktionsrekord der Pool-Idylle über den Kunstmarkt verrät - und was über unsere Zeit. Die New York Times sieht darin ein Zeichen dafür, dass Werke von Künstlern, die Diversität zelebrieren, gerade besonders hoch im Kurs stünden. Schließlich soll das Bild Hockneys damaligen Partner Peter Schlesinger und dessen Liebhaber zeigen.

Doch Hockney war nie ein schwuler Außenseiter der Kunstwelt, er gehört seit Jahrzehnten zum Kanon. Und das Gemälde selbst könnte freundlicher und bürgerlicher kaum sein. Außenseitertum ist nicht zu erkennen. Wie provokativ sind dagegen etwa die Bilder von Francis Bacon!

Wahrscheinlicher ist, dass bei dem Rekord vier glückliche Faktoren zusammenspielten: Zum einen kamen Hauptwerke von Künstlern des 20. Jahrhunderts zuletzt immer seltener auf den Markt. Hockneys Pool-Gemälde ist eines seiner besten Bilder und ein Publikumsmagnet. Erst im letzten Jahr war es auf dem Katalogcover der Hockney-Retrospektive der Tate Britain abgebildet, der meistbesuchten Tate-Ausstellung aller Zeiten.

Ein zweiter Grund: Hockneys Preise sind in den letzten Jahren rasant gestiegen: 2016 wurden von ihm Werke für 35 Millionen Dollar verkauft, 2017 waren es bereits 43,3 Millionen. Im vergangenen Mai wurde sein bisheriger Verkaufsrekord zwei Mal an einem Abend gebrochen, da zwei Kunstwerke für mehr als 29,6 Millionen Pfund versteigert wurden.

Drittens ist die Entstehungsgeschichte sehr gut dokumentiert. Und viertens passt das Gemälde perfekt in unsere Zeit: Jeff Koons' kitschiger Hund wäre heute viel zu schillernd, ironisch und auf eine zynische Art protzig. Hockney's Ölgemälde wirkt dagegen solide und durch seine Intimität authentisch. Es ist gefällig, still - und fast bescheiden.

© SZ vom 17.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: