Auktionen:Das letzte Fleisch

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Nachkriegskunst ist hoch im Kurs: In Berlin, Köln und Wien werden Werke der Moderne angeboten.

Spitzenstücke zu akquirieren ist derzeit die größte Kunst. Werke deutscher Expressionisten stehen nur noch selten zum Verkauf, dafür werden jetzt Nachkriegskünstler gehandelt, wie das Angebot der kommenden Moderne-Auktionen in Berlin, Köln und Wien zeigt. Eher die Ausnahme, die die Regel bestätigt, bilden die zwei Star-Lose bei Villa Grisebach am 2. Juni: Emil Noldes Ölgemälde "Weiße Wolken" von 1926 aus der ehemaligen Sammlung Colsman mit einer Taxe von 1,2 bis 1,6 Millionen Euro und eine der begehrten Unschuldslandschaften Otto Muellers, "Zwei Mädchen mit gegabeltem Baum", bereits 1918, kurz nach der Entstehung von Carl Hagemann erworben (bis 1,5 Millionen). Ein krasses Gegenstück dazu bedeutet George Grosz' scharfer Sozialkommentar "Drinnen und Draußen", ein Aquarell aus dem Jahr 1925 (Schätzpreis: 200 000 Euro). In der stark aufgerüsteten Offerte zeitgenössischer Kunst einen Tag später überrascht ein Großformat aus den Sechzigern, "Jagd auf das letzte Fleisch", des wiederentdeckten Uwe Lausen (90 000 Euro); die Materialangabe "Beluga-Kaviar und Ziegelsteine" in Georg Herolds hintersinnigem Werk aus den Achtzigern ist wörtlich zu nehmen (30 000 Euro). Am teuersten mit 500 000 Euro ist "Kinko", ein spätes Stück dynamischer Körpermalerei des Japaners Kazuo Shiraga von 1991.

Neben expressiven Werken aus den Tagen des Blauen Reiters von Campendonk, Jawlensky, Macke und Münter setzt Lempertz am 3. Juni mit einem Frühwerk Van Goghs auf einen der Väter der Moderne. Die schwarz-weiße Kreidezeichnung einer säenden Bäuerin ist 1881, vier Jahre vor den berühmten "Kartoffelessern" in der heimatlichen Provinz entstanden und teilt mit diesen die ernste, spröde Schönheit (800 000 Euro). Um einiges umfänglicher präsentieren sich die Zeitgenossen am nächsten Tag. Die Zero-Schwemme der vergangenen Jahre scheint zwar fürs Erste etwas eingedämmt, exemplarische Arbeiten gehören aber nichtsdestoweniger zu den Säulen des Angebots in den diversen Häusern. So auch bei Lempertz, wo für ein Rasterbild von Otto Piene mit obligatorischen Feuerspuren von 1958/72 200 000 Euro, für ein Lichtrelief, "Pyramide + Horizont" von Heinz Mack 150 000 Euro erwartet werden. Sehr pointierte Positionen der Malerei werden darüber hinaus mit Konrad Klaphecks Maschinenbild "Gefährliche Liebschaften", Günter Fruhtrunks geometrischer Streifenkomposition und Karin Kneffels hyperrealistischen Pfirsichen aufgerufen (Taxen 120 000, 50 000 und 150 000 Euro).

Multiples als demokratische Transporteure von Ideen nehmen im Werk von Joseph Beuys einen prominenten Platz ein. Das dürfte Käufer für eine über 180 Objekte umfassende Sammlung empfänglich machen, die Van Ham am 1. Juni versteigert. Das Spektrum reicht vom einfachen "Demokratie ist lustig"-Plakat für 200 Euro bis zur von Klaus Staeck von 1973 bis 1985 herausgegebenen "3-Tonnen-Edition", einem Stapel bearbeiteter PVC-Folien für 10 000 und dem Basaltbrocken "Hasenstein" für 40 000 Euro. Die andern Tags folgende zeitgenössische Kunst bietet als Top-Lose eine sonnenhelle Abstraktion von Gerhard Richter (150 000 Euro) und ein ebenfalls in den Achtzigern entstandenes Schüttbild von Sigmar Polke (170 000 Euro).

Die Auktionsserie eröffnet bereits am 31. Mai das Wiener Dorotheum mit einem neu entdeckten Gemälde des belgischen Vormodernen James Ensor, "Baptême de masques", eine um 1925 datierte skurril-zauberische Szenerie, die 500 000 Euro bringen soll. Die Offerte der Zeitgenossen mit traditionellem Schwerpunkt Italien führt ein azurblauer "Concetto Spaziale, Attesa" von Lucio Fontana aus den Sechzigerjahren an (600 000 Euro). Mit guten Chancen geht auch hier eine Reihe von Zero-Arbeiten ins Rennen. Ein 1970 auf der Biennale von Venedig gezeigtes Nagelrelief von Günther Uecker, "Reihung" (250 000 Euro) ist ebenso darunter wie eine über zwei Meter hohe gläserne Lichtskulptur von Otto Piene, "Weisser Lichtgeist" von 1966 (230 000 Euro).

Die Münchner Häuser folgen kommende Woche.

© SZ vom 28.05.2016 / D.B. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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