Auktionen:100 große Jahre

Moderne und Zeitgenossen sind in den Herbstofferten der deutschen Häuser so üppig vertreten wie kaum je zuvor. Besonders beliebt: Macke, Münter und die Zero-Künstler.

Von Dorothea Baumer

Die gute Marktlage, insbesondere die auf dem Weltmarkt teils exorbitanten Preise scheinen das Geschehen in den deutschen Häusern zu beflügeln. Das Moderneangebot und mehr noch das an Gegenwartskunst ist in diesem Herbst jedenfalls von einer fast inflationären Üppigkeit. Vergleichbares hat es so noch nicht gegeben. Werke des deutschen Expressionismus in erstaunlicher Breite sowie reichlich Zero-Kunst empfehlen sich als Objekte der Stunde.

Die Berliner Villa Grisebach kündigt für die Auktionen vom 25. bis 28. November in acht Katalogen über 1500 Lose an mit einer Gesamtschätzung von um die 23 Millionen Euro, deren Hauptteil wie immer die Prestigeauktion "Ausgewählte Werke" einspielt. Und hier zählen, anders als im Frühjahr, zwei Millionen-Objekte zur Offerte: Max Beckmanns im holländischen Exil um 1939 entstandenes, zart in Strich und Farbe angedeutetes "Bildnis eines jungen Mädchens" aus dem Besitz des Beckmann-Freunds und Förderers Stephan Lackner, das bis zu 1,5 Millionen Euro bringen soll. Ebenso hoch schätzt Grisebach Emil Noldes "Helles Sonnenblumenbild" von 1936, das noch im Entstehungsjahr erworben wurde und sich seither in Familienbesitz befand. Weitere Highlights werden mit Landschaften von Max Liebermann, Alexej von Jawlensky und Emil Nolde aufgerufen, sowie mit einer bäuerlichen Szene von Paula Modersohn-Becker (350 000).

Radikal nehmen sich in diesem Kontext drei Editionen von Marcel Duchamp aus, darunter das berühmte, 1966 in 75 Exemplaren erschienene tragbare Miniaturmuseum seiner Werke "Boîte-en-valise" (200 000). Titellos der zeitgenössischen Kunst ist eine drei mal zwei Meter große Leinwand gewischter Strukturen aus Günter Förgs Serie "Graue Bilder" (100 000).

Die Hauptfigur im ansonsten moderatem Moderne-Angebot von Lempertz am 27. November ist August Macke. Direkt aus dem Nachlass wurden vier Werke des rheinischen Expressionisten eingeliefert, die die Jahre zuvor als Dauerleihgabe in den Kunstmuseen von Bonn und Freiburg zubrachten und nun erstmals auf den Markt gelangen. Das mit einem Schätzpreis von 350 000 Euro wertvollste Los ist ein monumental ins Bild gerückter weiblicher Rückenakt auf rosa Grund von 1911.

Auktionen: Otto Pienes "Wave of Darkness" wird auf 300 000 Euro geschätzt. Abb.: Ketterer

Otto Pienes "Wave of Darkness" wird auf 300 000 Euro geschätzt. Abb.: Ketterer

Macke, Münter und die Zero-Künstler: In diesem Herbst sind sie überall

Mit der Kreidezeichnung "Spaziergänger unter Bäumen", einem typischen Hutladen-Motiv Mackes, unmittelbar vor seiner Tunis-Reise 1914 entstanden und oft ausgestellt, wird ein Spitzenlos des zeichnerischen Werks aufgeboten (200 000 Euro). In der zeitgenössischen Kunst dominieren, wie bei anderen Häusern auch, die Zero-Künstler: Heinz Mack mit schwarz-weiß vibrierenden "Dynamischen Strukturen" von 1962 (150 000), Otto Piene mit dem Feuerbild "Retinal Sun" aus den Siebzigern (200 000) und Günther Uecker mit einem ungewöhnlichen "Wald"-Bild aus aufgenagelten Zweigen (450 000).

Das zweite Kölner Haus, Van Ham, zeigt sich vor allem zeitgenössisch gut gerüstet. Hier schickt man am 25. November als teuerstes Moderne-Los Max Pechsteins "Junges Mädchen am Meer" ins Rennen, einen 1923, also lange nach den Brücke-Jahren entstandenen Akt im Grünen, der mit einer lückenlosen Provenienz aufwarten kann und mit 300 000 Euro angesetzt ist.

Von Gabriele Münter wird zudem ein frühes Murnau- Gemälde, "Bauernhaus bei Regen", geboten. Es war kürzlich auf der Münchner Messe Highlights zu sehen (250 000); von Lovis Corinth ein spätes, jüngst restituiertes Blumenstillleben, mit Verve ins Bild gesetzte "Rosen und Flieder" (100 000). In der wesentlich breiter aufgestellten zeitgenössischen Kunst locken sechs atelierfrische, von Gerhard Richter der Düsseldorfer Obdachlosenzeitung fiftyfifty gestiftete abstrakte Farboffsets (je 70 000). Hauptlos der auch hier üppigen Zero-Offerte ist Heinz Macks Gemälde "Dynamische Struktur weiß auf grau" von 1958 (200 000).

Auktionen: Bis zu 1,5 Millionen soll Max Beckmanns "Bildnis eines jungen Mädchens" bringen. Abb.: Grisebach

Bis zu 1,5 Millionen soll Max Beckmanns "Bildnis eines jungen Mädchens" bringen. Abb.: Grisebach

Anfang Dezember dann folgen die Münchner Häuser. Die stärksten Moderne-Lose schickt Neumeister bereits in einer Sonderauktion am 1. Dezember voraus: ein zauberhaftes Aquarell Paul Klees aus dem Jahr 1919 und eine frühe Münter-Landschaft (je 300 000), bevor man in der regulären Offerte am 3. Dezember verstärkt auf Zeitgenossenschaft setzt, mit Werken von A. R. Penck und Otto Piene, Hubert Scheibl und Franz West.

Mit marktfrischen Arbeiten der Brücke und des Blauer Reiter kann Karl & Faber am 4. Dezember aufwarten, darunter Karl Schmidt-Rottluffs Gemälde "Baum und Mond" aus den Fünfzigern, das seit fast sechzig Jahren nicht mehr zu sehen war, oder Max Pechsteins 1921 im Pommerschen Hinterland entstandene "Kornfelder", die jetzt aus einer amerikanischen Sammlung eingeliefert wurden (300 000, 250 000). Auch ein erstes Exemplar aus Gerhard Richters "Vorhang"-Edition von 2012, ein fotobasiertes Öl, hat hier seine Markt-Premiere (180 000).

Bei Ketterer erreichen die Münter-Festspiele am 5. Dezember mit zwanzig Losen eine geradezu fabulöse Dimension. Nicht weniger spektakulär nehmen sich in der Kunst nach 1945 die sieben Heinz Mack-, zehn Uecker und zwölf Piene-Arbeiten aus. Die Hauptlose der Moderne sind eine "Hügellandschaft" aus Erich Heckels bester Schaffenszeit (450 000), von Paula Modersohn-Becker eine malerisch feine Bauernhofszene mit Kindern (300 000), eine späte Ostseelandschaft von Lyonel Feininger aus den Vierzigern (250 000) und nicht zuletzt das Egon Schiele-Aquarell "Mädchen mit Federboa" von circa 1910, das mindestens 600 000 Euro kosten soll. Die Spitze der Zero-Kunst teilen sich Otto Pienes rot-schwarze "Wave of Darkness" (1964) und Heinz Macks Lichtrelief "Fata Morgana" (1965), mit Taxen von 300 000 und 250 000 Euro.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: