Auktion von Andy-Warhol-Bildern:"Tabubruch mit fatalen Folgen"

Versteigerung Warhol Bilder Triple Elvis Four Marlon

Andy Warhols "Triple Elvis" und "Four Marlon" sollen unter den Hammer kommen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Westspiel-Casino in Nordrhein-Westfalen steht vor dem Aus. Zu seiner Rettung sollen zwei Werke von Andy Warhol versteigert werden. Aber gehören die Bilder nicht ins Museum? Und darf die Politik Kunst der Rendite opfern? Der Aufschrei ist groß.

Von Bernd Dörries, Köln

Man kann es eine Debatte über virtuelle Kunst nennen, obwohl die Werke, um die es geht, doch recht traditionell hergestellt wurden: Der dreifache Elvis und der vierfache Marlon von Andy Warhol. Nur gesehen hat sie schon lange keiner mehr, die vergangenen Jahre verbrachten sie in einem Tresor der Spielbank Aachen.

Die Jahrzehnte davor mussten sie als Wandschoner herhalten, für das ziemlich heruntergekommene Kasino. Sie waren so Zeugs an der Wand, das die Zocker auf dem Weg zur Toilette sahen und sich vielleicht fragten, ob sie schon zu viel intus hatten, alles drei- und vierfach sahen. Gekauft hatte die Spielbank die Warhols Anfang der Siebzigerjahre, für damals etwa 400 000 Mark. Heute gehen die Schätzpreise von bis zu 120 Millionen Euro aus. Am 12. November sollen sie bei Christie's in New York versteigert werden.

Jahrelang gab es niemanden, der fragte, ob die Warhol-Bilder nicht besser ins Museum gehörten. Vielleicht, weil niemand davon wusste. Jetzt ist der Aufschrei groß. "Skandal", rufen 26 Museumsdirektoren in einem Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Von einer haushaltspolitischen Notwendigkeit spricht die Landesregierung, deren Politik sich großenteils durch Kredite finanziert und immer tiefer ins Minus rutscht. Dafür muss jetzt das Tafelsilber verkauft werden, die Westspiel ist ein landeseigener Betrieb, wenn auch rechtlich gesehen nur indirekt.

In anderen Bundesländern wird mit den Gewinnen aus Spielbanken die Kultur unterstützt. In Nordrhein-Westfalen muss die Kultur die Spielbanken unterstützen. Die Westspiel ist chronisch defizitär, der Warhol-Verkauf soll die Renovierung des Aachener Kasinos ermöglichen und eine neue Spielbank in der Kölner Innenstadt. Stationäre Kasinos haben im Internetzeitalter vielerorts Probleme; für deren Ausbau Kunst zu verkaufen, ist nicht ohne Risiko. Der Protest ist laut, Monika Grütters, die Kulturbeauftragte des Bundes, sieht einen "Tabubruch mit fatalen Folgen".

Kraft und ihre Leute sprachen erst davon, dass ihnen die Hände gebunden seien, weil es sich bei der Westspiel um ein selbstständiges Unternehmen handle. Mittlerweile ist klar geworden, dass die Landesregierung schon sehr lange mitgeplant hat, das Kultusministerium sorgte für die Ausfuhrgenehmigungen, Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen für die politische Unterstützung, schließlich geht es um Arbeitsplätze in seinem Heimatort Aachen. Daran wird zuerst gedacht.

Steht Nordrhein-Westfalen vor einem Ausverkauf?

In den Neunzigerjahren noch tingelten die Minister durch das Land und fehlten bei keiner Museumseröffnung, in Nordrhein-Westfalen wurden so viele Orte für moderne Kunst gebaut und eingeweiht wie kaum sonst wo, auch Städte wie Hagen und Siegen bekamen erstklassige Häuser. Solche Wertschätzung gibt es in der Landesregierung nicht mehr, von Hannelore Kraft ist nicht bekannt, dass sie gerne Museen besucht, die freien Abende verbringt sie gerne mit Gesellschaftsspielen.

Die Leitung von "Kunst aus NRW" ist vakant, kann wegen der Haushaltssperre nicht nachbesetzt werden. Das gibt Anlass zu Spekulationen, die Versteigerung der Warhols könne erst der Beginn eines groß angelegten Ausverkaufs sein. Früher sah die öffentliche Hand ihre Rolle auch darin, Kunst dem spekulativen Markt zu entziehen. Heute wittert die Politik hohe Rendite, weil der Markt völlig überhitzt ist, nach dem Motto, wir wären doch blöd, wenn wir jetzt nicht verkaufen. Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen sagt: "Die Debatte ist gut, das Ergebnis ist offen."

Man wird im hoch verschuldeten Nordrhein-Westfalen ein wenig an die Zustände in Griechenland erinnert, wo Spötter zu Zeiten der schlimmsten Euro-Krise auch einmal die Akropolis geschätzt sehen wollten, als letzte Verkaufsoption. Steht Nordrhein-Westfalen auch vor einem Ausverkauf?

2006 wurde ein Max Beckmann für 13,9 Millionen Euro verkauft

Der WDR berichtete, dass in der Politik sogar über den Verkauf von Teilen der Sammlung Kornelimünster diskutiert worden sei, die nach dem Krieg als Förderinstitution für vom NS-Regime verfolgte Künstler gegründet wurde und heute über 4000 Werke von Günter Uecker, Otto Piene, Gerhard Richter, Sigmar Polke verfügt. Westspiel hat seine gesamte Kunstsammlung bereits schätzen lassen.

Portigon, der Rechtsnachfolger der pleitegegangenen WestLB, hat auch einige Schätze, Macke, Picasso, Beuys. Dort hat man auch schon einige Erfahrung mit dem unauffälligen Abstoßen bedeutender Werke, 2006, so kam jetzt heraus, wurde ein Max Beckmann für 13,9 Millionen Euro verkauft, um die Löcher in der Bilanz zu stopfen. Westspiel, Portigon und Hannelore Kraft dementieren jegliche weitere Verkaufsabsichten.

Aber die Rechnung ist nun in der Welt. Kunst werde "immer mal" verkauft, sagt der Grüne Priggen. Wenn die Preise gut sind, und das sind sie derzeit. Ein runder Tisch soll jetzt im Landtag den Umgang mit landeseigener Kunst klären.

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