Augsburg:Musik als Gegenmacht

Augsburg: Die Violinistin Sarah Christian als Gastgeberin bei "Freistil".

Die Violinistin Sarah Christian als Gastgeberin bei "Freistil".

(Foto: Christian Menkel)

Beim Mozartfest konzipieren junge Künstler zwei "Freistil"-Konzerte

Von Michael Stallknecht, Augsburg

Ohne ein Motto mag nicht nur kein Festival mehr auskommen, sogar das einzelne Konzert wirkt da gleich viel markiger. "Machtspiele - Powerplay!" lautete der Übertitel des diesjährigen Deutschen Mozartfests in Augsburg, das am vergangenen Sonntag endete. Wobei am Freitag unter dem Binnentitel "Freistil" wiederum ein Konzert mit dem Titel "In den Fängen der Macht" zu hören war.

Erst aufgeschlüsselt erscheint die Sache sinnvoll: Unter dem Motto "Freistil" hat der künstlerische Leiter Simon Pickel zwei jungen Künstlern Carte Blanche für zwei Abende innerhalb des Mozartfests gegeben. Die Violinistin Sarah Christian und der Cellist Maximilian Hornung, beide gebürtige Augsburger, durften also Freunde in den Kleinen Goldenen Saal ihrer Heimatstadt einladen, solange, so die Bedingung, die ausgewählten Stücke etwas zum Festivalthema beizutragen hatten.

Was Sarah Christian in dem vom Rezensenten gehörten Programm am Freitagabend fraglos glänzend gelang. Hatte sie doch drei Kammermusikwerke miteinander kombiniert, die alle nicht nur im engen Zeitkorridor zwischen 1938 und 1944 entstanden sind, sondern deren Komponisten auch auf je eigene Weise in die Fänge der Mächte dieser Zeit geraten waren: Béla Bartók emigrierte zur Entstehungszeit seiner "Kontraste" aus Ungarn. Dmitri Schostakowitsch komponierte sein zweites Klaviertrio in e-Moll während der Evakuierung aus dem belagerten Leningrad. Und Olivier Messiaen schrieb sein "Quatuor pour la fin du temps" als Kriegsgefangener in einem deutschen Lager in Görlitz.

Wobei die Sache nicht nur konzeptionell stimmte, sondern von Sebastian Manz (Klarinette), Clemens Hagen (Cello), Herbert Schuch (Klavier) und Christian selbst an der Geige auch bestechend eindringlich musiziert war. In wechselnden Konstellationen spielend, klangen die Vier so homogen und im Detail so flexibel wie ein stehendes Kammermusikensemble. Bartóks "Kontraste" zum Beispiel gerieten deshalb nicht nur titelgemäß kontrastreich, sondern, was viel schwieriger ist, auch schlüssig in der Großform. Selten so intensiv hat man Messiaens Quartett gehört, das der schrecklichen Wirklichkeit das Ewige und Überwirkliche der Religion entgegenstellt. Die Zeit schien da tatsächlich immer wieder still zu stehen, wenn Sebastian Manz im solistischen dritten Satz einzelne Töne vollständig aus dem Nichts kommen ließ oder Clemens Hagen den fünften Satz in völliger Ruhe und mit noblem Ton aussang. Musik, lernte man an diesem Abend, bleibt nicht zur Abbildung der Macht verdammt, sondern ist immer auch schon Gegenmacht.

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