Aufregung um Theaterstück:AfD-Populisten wollen keine Zombies sein

Theaterstück Fear an der Schaubühne

Die Berliner Schaubühne wehrt sich gegen Vorwürfe, ihre Anti-AfD- und Anti-Rechtspopulismus-Collage "Fear" (hier ein Szenenbild) rufe zu Gewalt auf.

(Foto: dpa)

Die Alternative für Deutschland erregt sich über die Inszenierung "Fear" an der Berliner Schaubühne. Richtige Kritik an der politischen Rechten sieht aber anders aus.

Von Peter Laudenbach

Vorhersehbare Reiz-Reaktions-Reflexe können etwas unfreiwillig Komisches haben. Etwa wenn ausgerechnet ein AfD-Funktionär einem schwachen Theaterstück einen kleinen Skandal beschert.

An der Berliner Schaubühne empört sich Falk Richter in seiner Inszenierung "Fear" über die neue Rechte und christliche Fundamentalisten, als drohe mit AfD-Populisten und Pegida-Rednern das baldige Ende von Demokratie, Liberalität und Urban Gardening-Hipstertum. Wobei vor allem letzteres dem narzisstisch vor sich hinchillenden Bühnenpersonal am Herzen zu liegen scheint.

Zu Popstars des Bösen dämonisiert

Für den nötigen Pop-Appeal sorgen in dem Stück Zombie-Filme als Metapher für die Wiederkehr der Untoten aus den Sümpfen der braunen Vergangenheit. Lutz Bachmann, Eva Hermann, Akif Pirinçci, Beate Zschäpe oder Beatrix von Storch werden schrill zu Popstars des Bösen dämonisiert.

Das ist etwas zu viel der Ehre für paranoide Kleinbürger, die von der Diversität der Lebensstile und Kulturen überfordert sind. Weil es nicht um Genauigkeit, sondern um robuste Feindbilder und die Pflege des Wir-Gefühls der moralischen Überlegenheit geht, wird in die Zombie-Parade auch noch der Berliner Journalist Matthias Matussek eingereiht.

Die kann man für ihre schrulligen Ansichten belächeln, aber mit der NPD haben sie etwa so viel zu tun wie Falk Richter mit der RAF - nichts. Dass auf der Bühne erwogen wird, Zombies besser zu erschießen, macht den Abend nicht intelligenter.

AfD-Sprecher Lüth filmte die Inszenierung

Es war dem kultur- oder vielleicht auch nur feindbildinteressierten AfD-Sprecher Christian Lüth vorbehalten, Richters Holzschnitt-Inszenierung den Anstrich von Relevanz und einer politischen Intervention zu bescheren.

Er filmte während einer Vorstellung das Bühnengeschehen, was nicht nur aus urheberechtlichen Gründen ein grober Verstoß gegen Anstandsregeln ist. Der Schauspieler Kay Bartholomäus Schulze forderte ihn auf, das zu lassen oder das Theater zu verlassen.

Etwas Besseres als die sich daraufhin im Internet ausbreitende Aufregung hätte beiden Seiten nicht passieren können: Wie in gegenüber gestellten Zerrspiegeln machen sie einander zum Zweck der Selbstüberhöhung größer, bedeutsamer und monströser, als sie sind. Ihrer eigenen Erregungslogik folgend sprachen einige Medien prompt von einem "Eklat" - dabei hatte sich nur ein AfD-Funktionär im Theater daneben benommen.

Antifa-Aktivisten dürften für ihre Anschläge kaum die Inspiration benötigen

Die Verschwörungstheoretiker vom rechten Rand konstruierten in ihrer eigenen Parallelöffentlichkeit gleich noch einen Zusammenhang zwischen dem Schaubühnen-Stück und Anschlägen gegen AfD-Politiker.

Im Blog "Achse des Guten" schloss die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld von der zeitlichen Nähe der Ereignisse messerscharf auf die gefährlichen Folgen des Theaters: "Richters Botschaft fiel bei der Antifa auf fruchtbaren Boden", heißt es da.

Schon kurz nach der Premiere sei das Auto der AfD-Vizevorsitzenden Beatrix von Storch abgebrannt, seien Anschläge auf AfD-Büros verübt worden. Auch habe es einen Brandanschlag auf das Firmengelände von Hedwig von Beverfoerdes Mann gegeben.

Diese Konstruktion ist so lächerlich wie Falk Richters Gleichsetzung der konservativen Journalisten mit Rechtsradikalen: Antifa-Aktivisten dürften für ihre Anschläge kaum die Inspiration der Schaubühne benötigen.

Auch die Anti-Feministin Hedwig von Beverfoerde sieht sich im Blog "politically incorrect" als Opfer des Theaters: "Unter dem Vorwand der Kunst wird hier gegen Mitglieder unseres ,Demo für alle'-Aktionsbündnisses ,Für Ehe und Familie - gegen Gender-Ideologie und Sexualisierung unserer Kinder' gehetzt. Das ist geistige Brandstiftung, die offenbar direkt zu echter Brandstiftung führt."

Gruppenidentität statt Selbstreflexion

Die Schaubühne berichtet ihrerseits von Zuschriften und Anrufen, "die die Produktion 'Fear' angreifen: zum Teil in Form von Gewalt- und Morddrohungen". Auch seien vor dem Eingang des Theaters Graffiti geschmiert worden, und es habe Störungen von Vorstellungen gegeben. Man werde alle strafrechtlich relevanten Sachverhalte zur Anzeige bringen.

Falk Richters Bühnen-Hipster haben mit ihren Gegnern, den Pegida-Propagandisten und christlichen Fundamentalisten, letztlich mehr gemein, als ihnen recht sein kann. Genau wie sie sehen sie sich umzingelt von gefährlichen Feinden, die sie zur Versicherung der eigenen Gruppenidentität brauchen: Die Welt jenseits der eigenen Ingroup ist verkommen, bedrohlich, unübersichtlich.

Logik des "Alle-böse-außer-uns"

Kein Wunder, dass in dieser Perspektive und der Logik des "Alle-böse-außer-uns" die Unterschiede zwischen meinungsfreudigen Journalisten, Modernisierungsverlierer-Spießern und rechtsradikalen Terroristen verschwimmen.

Richters so aufgeregte wie analytisch unbedarfte Inszenierung funktioniert als reines Selbstbestätigungsangebot, also etwa als das Gegenteil von politischem Theater.

Der Erkenntnisgewinn von "Fear" beschränkt sich, ähnlich wie bei Pegida-Demonstrationen, auf die beruhigende Mitteilung, inmitten einer komplizierten Welt zumindest hier im Zuschauerraum eindeutig auf der moralisch und politisch richtigen Seite zu sitzen: Wir sind die Guten.

In der Dämonisierung des politischen Gegners funktioniert Falk Richters Inszenierung in der gleichen Logik wie die rechten Foren und Blogs, deren Teilnehmer einander zu immer schrilleren Ausfällen gegen Demokratie, Presse, Kanzlerin und sonstige Andersdenkende anstacheln: Diskursunfähigkeit als Programm. Paranoia und Hysterie prägen die Wahrnehmung und versorgen die Akteure mit dem wohligen Gefühl der eigenen Bedeutung.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, in "Fear" werde Bezug auf den Journalisten Harald Martenstein genommen. Dem ist nicht so. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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