Auf ins Museum:Bettenmachen

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Drei Insider erklären, wie die Kunst ins Museum kommt. Ein Buch für die ganze Familie.

Die Aussicht auf einen Nachmittag im Museum löst nicht bei allen Altersgruppen gleich große Begeisterung aus: Man darf nichts anfassen und soll leise sein, und warum ist ein ungemachtes Bett - wie in der Installation von Tracey Emin aus dem Jahr 1998 - auf einmal Kunst und keine Erinnerung ans Zimmeraufräumen? Ausstellungsbesuche gehören dennoch zum Standardprogramm von Schulausflügen und Urlaubsreisen, es führt also kein Weg daran vorbei. Drei Insider der Kunstszene, die als Kuratoren und Kunsthistoriker an der Galerie Moravská in Brünn arbeiten, verlassen mit ihrem Buch "Wie kommt die Kunst ins Museum?" die ausgetretenen Pfade der Künstlerbiografien und Werkanalysen und laden ihre Leser stattdessen zu einer Führung in die Räume der Institution Museum ein, die normalerweise nicht für jedermann zugänglich sind.

Ondřej Chrobák, Rotislav Koryčánek und Martin Vanĕk haben ihr Wirken selbstironisch reflektiert und kenntnisreich zu einer Enzyklopädie der Ausstellungspraxis zusammengestellt. Bereits im ersten Kapitel wird die Geschichte des Museums von der Kunstkammer bis zum White Cube beleuchtet,und auch die Problemfelder Raubkunst oder Bildfälschung werden nicht ausgelassen, sodass sich aktuelle Bezüge zu Cornelius Gurlitt und Wolfgang Beltracchi ziehen lassen. Statt ihr eigenes Haus in den Mittelpunkt zu stellen, wurde der Architekt Svatopluk Sládeček mit dem Entwurf eines fiktiven Museumsbaus beauftragt, der den Vergleich mit einem Oswald-Mathias-Ungers-Bau wie der Hamburger Kunsthalle nicht zu scheuen braucht und damit auch die Bedeutung der Museumsbauten im Stadtbild zeigt. Auf dem Cover des großformatigen Bandes tummeln sich vom Restaurator bis zum Aufseher alle möglichen Beteiligten, die außer den Architekten mit dem Aufbau und Erhalt sowie der Präsentation von Sammlungen beschäftigt sind. Die sich um die antiken Vasen gleichermaßen wie um Christos verhüllte Bäume kümmern. Mit der Konzentration auf formale Abläufe und technische Einrichtungen jenseits des Kunsterlebens knüpfen die Autoren an Dokumentarfilme wie "Das große Museum" (Johannes Holzhausen, 2014) und "National Gallery" (Frederick Wiseman, 2014) an, in denen schon das erwachsene Publikum über das zeitaufwendige Anordnen einzelner Artefakte in einer Vitrine staunen durfte.

Der abwechslungsreiche Zeichenstil von David Böhm macht selbst trocken anmutende Themen, wie die sorgfältige Aufbewahrung von Kunstwerken oder den Transport von Leihnahmen, auch für die Zielgruppe der Acht- bis Zwölfjährigen spannend. Es gibt Doppelseiten zum Aufklappen, Sprechblasen zum Entziffern und potenzielle Diebe zum Entlarven. Die Texte setzen dabei manchmal einiges an kunsthistorischem Vorwissen voraus, sodass sich auch Erwachsene noch gefordert fühlen dürfen.

Am Ende konnten sich die Autoren der Anziehungskraft ihres Fachgebiets nicht entziehen und listen auf den letzten Seiten ein Glossar der im Buch abgebildeten Kunstwerke auf. In welchem Museum sie zu sehen sind, müssen die Leserinnen und Leser selbst recherchieren. Aber es wird in den kommenden Monaten sicherlich noch oft genug Museumswetter geben.

Ondřej Chrobák, Rotislav Koryčánek und Martin Vanĕk: Wie kommt die Kunst ins Museum? Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 2017. 61 Seiten, 20 Euro.

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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