Art Basel:Amerika war gestern, heute ist Asien

Noch ist der Markt für zeitgenössische Kunst amerikanisch. Doch die Art Basel, exklusivster Handelsplatz und einst Achsenmacht der New Yorker Galerienszene, gibt sich betont multilateral. Im Schweizer Grenzort werden Galeristen aus Asien und Südamerika hofiert - sie repräsentieren die wirtschaftliche Zukunft der Kunst.

Catrin Lorch

Amerika fühlt sich von Europa in diesem Jahr nicht gut bedient. Jedenfalls was die Groß-Ausstellungen zeitgenössischer Kunst angeht, die im Wochenrhythmus eröffneten. Von der Paris Triennale über die Manifesta in Genk bis zur Kasseler Documenta und der Biennale in Kiew reichte die Tour - und man sollte meinen, wer so weit reise wie Kunstliebhaber, der sei am Unbekannten interessiert. Nicht so US-Sammler.

Art Basel

Eine Besucherin der Art Basel betrachtet das Werk "You and My Friends" von Ryan McGinley. Mehr als 300 Galerien aus 36 Ländern präsentieren auf der Messe Werke von 2500 Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts.

(Foto: dapd)

Die stellen konsterniert fest, dass sie kaum Amerikaner zu sehen bekommen. Nur neun Prozent der 550 Ausgewählten, so rechnet es The Artnewspaper - wobei die Kuratoren dann vor allem Frauen, Schwarze und Künstler bevorzugten, die mindestens fünfzig Jahre alt oder schon tot sind. "Was kann daran falsch sein, ein weißer amerikanischer Mann unter 45 zu sein und Kunst zu machen?", fragt das Blatt stellvertretend für eine Szene, die ihren Sonderstatus wenigstens auf der Art Basel noch bestätigt sieht, der wichtigsten Kunstmesse und der letzten Etappe des Kunstfrühlings.

Im schweizerischen Grenzort stimmen die Verhältnis, jedenfalls zahlenmäßig: 300 Galerien haben 2500 Künstler hier im Angebot, ein knappes Viertel stammt aus den USA. Deutschland und England stellen je etwas mehr als zehn Prozent, der Rest des Angebots kommt aus Frankreich, Italien, der Schweiz und anderen Ländern Europas, während der Anteil aus Zentral- und Südamerika keine fünf Prozent ausmacht. Einer von hundert Namen, die hier gehandelt werden, stammt aus Afrika, einer aus dem mittleren Osten. Doch das Erstaunliche ist: Die Messe sieht ganz anders aus.

In Kojen nahe den Eingängen oder rund um den Innenhof sind jetzt Galerien wie Kurimanzutto aus Mexico D. F. positioniert, die mit Jimmie Durhams "Danger of Petrification" (für 90.000 Euro) oder Gabriel Kuris "Cotton Tickets" auch genau die internationale Kunst am Stand haben, die den Kuratoren gut gefällt. Neben hoch geachteten Stammgästen wie Esther Schippe, Tanya Bonakdar und Peter Kilchmann residieren Luis Strina aus São Paulo und die Koyanagi Gallery aus Tokoy und Thomas Demands aktuelles Foto des aus Papier gebastelten letzten Dinners von Whitney Houston kann man auch bei der japanischen Galerie Taka Ishii kaufen (für 80.000 Euro).

Die Art Basel, der exklusivste Handelsplatz der Kunst, in Europa einst Achsenmacht der New Yorker Galerienszene, gibt sich betont multilateral. Was weniger mit den Vorlieben des Publikums zu tun hat, das einfach neugierig ist auf das, was in Ländern produziert wird, in denen gerade Geschichte gemacht wird. In dieser Welt, in der sich wirtschaftlich die Gewichte verschieben, gelten China, Indien, Mexiko und Brasilien als Zukunftsmärkte, auch für die Messeleitung, die sich Dependancen in Hong Kong und Miami leistet.

Wobei nicht viele Händler den Aufbruch selbst wagen - wie Jan Mot aus Brüssel, der in Mexiko City filialisiert. Aber die meisten Big Player leisten sich indische oder chinesische Namen auf ihren Künstlerlisten: Ivan Wirth hängt Subodh Guptas Topf-Skulpturen an die Außenwand der Koje, auch wenn nicht zu erwarten ist, dass der Edelstahl genauso schnell weggehen wird, wie Louise Bourgeois Bronze "Arched Figure" (1993), die zur Vernissage für zwei Millionen Dollar einen Sammler fand.

Die Messe als Wirtschaftsunternehmen

In diesem Jahr ist unübersehbar, dass auch die Schweizer Messe, 1970 von vier Galeristen gegründet, selbst als machtvolles Wirtschaftsunternehmen auftritt. Dabei hatte die Szene, die aufgeschlossen den Machern der Art Basel nach Miami und jetzt nach Hong Kong folgte, im Gespräch über Künstler und Sammler lange übersehen, dass die Art Basel mehr ist als ein Service-Unternehmen, das dafür sorgt, dass die Kojen gut aussehen, das VIP-Programm stimmt und - weil die Jury ordentlich besetzt ist - man sich nicht in schlechter Nachbarschaft präsentiert.

Doch hinter der gediegenen Schweizer Fassade blieb kaum etwas beim Alten: Fast das gesamte Team wurde ausgetauscht, internationale Presse-Agenturen engagiert, die CI verantwortet nicht länger ein Schweizer Gestalter, sondern Interbrand, eine Markenberatung, die international zwar vierzig Standorte, jedoch keine Vertretung in Basel hat.

Richter und Rothko bringen Millionen

Unterdessen sahen sich die Bewerber mit der Forderung konfrontiert, doch bitte die Namen ihrer besten Sammler bei der Messeleitung zu hinterlegen, wolle man doch die VIP-Listen abgleichen und Mehrfacheinladungen vermeiden. Doch der Preis für eine entspanntere, auf zwei Tage ausgeweitete Preview erschien vielen unanständig. Dass man diese Namen, sicher einer der kostbarsten Datensätze weltweit, nicht "an Dritte weitergibt" ist eine Versicherung, die angesichts der selbstbewusst ausgespielten Vormachtstellung der Art Basel nicht wirklich beruhigt. Andererseits kann es sich niemand leisten, hier nicht teilzunehmen.

Man kann es rückblickend durchaus als Autoritätsgebaren lesen, dass im vergangenen Jahr Judy Lybke mit seiner Galerie Eigen+Art nicht zugelassen wurde. Jetzt hängt er die atelierfrischen Neo Rauchs wieder an die Wand, wie eh und je - und findet mühelos für je 750.000 Euro auch Interessenten. Sein Künstler Olaf Nicolai beschert zudem in der Unlimited-Halle mit "Samani" (2008), dem einsam an einer Stange tanzenden Scheinwerfer, einen der schönsten Hingucker (120.000 Euro).

Einer Messe fern zu bleiben, auf der in den ersten Stunden Gerhard Richters "A. B. Courbet" (1986) für 25 Millionen Dollar verkauft wird (Pace Gallery) und man die Stunden zählen kann, bis vielleicht auch "Untitled", eine gelbe Rothko-Abstraktion für 78 Millionen Dollar die Reise nach Südamerika antritt, wird sich niemand gestatten.

Und es sind nicht nur die großen Namen wie Bruce Nauman (von dem Zwirner eine Skulptur für 2,6 Millionen Dollar absetze), Andy Warhol, von dem Daniel Blau sofort mehr als dreizehn Zeichnungen für sechsstellige Beträge abgab, die hier gehen: Sharon Lockhart zeigt bei neugerriemschneider eigene Werke, die sich mit dem Erbe der vor fünf Jahren gestorbenen Tänzerin Noa Eshkol beschäftigen und präsentiert auch gleich ein halbes Dutzend Wandteppiche der Israelin.

Wird die Art Basel das "Basel" bald aufgeben?

Solche diskussionswürdige Setzungen im Obergeschoss lassen die untere Etage nach wie vor fast klassisch erscheinen - dabei werden Picasso, Dalí, Max Ernst dort inzwischen Wand an Wand mit Albet Oehlen oder Basquiat gehandelt, wo Krugier, Helly Nahmad oder Richard Gray neben Händlern der Zeitgenossen wie Barbara Gladstone, Marian Goodman und Sprüth Magers platziert sind.

Abgrenzungen sind in Basel nicht länger die Frage, wo man darauf setzt, als Markt für zeitgenössische Kunst weltweit Mitspieler zu finden. Eher, ob es eine Ausnahme bleibt oder zur Regel wird, dass ein chinesischer Privatsammler am Stand von Aurel Scheibler 500.000 Dollar für Alice Neels farbenfrohes Portrait von "Elsie Rubin" (1960) ausgegeben hat.

"Wird die Art Basel vielleicht bald das Basel in ihrem Namen aufgeben?", fragten sich viele Schweizer angesichts der Veränderungen. Warum sollte sie? Die Deutsche Bank führt ihre mitteleuropäische Herkunft ja auch noch im Namen, obwohl sie sich als Förderer nicht mehr auf der Art Cologne engagiert, sondern international engagiert, beispielsweise auf der Art Basel Hong Kong, die sie, neben der Londoner Frieze, künftig als Sponsor begleiten will.

Bis 17. Juni. www.artbasel.com

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